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Integration aus dem Bauch heraus

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Integration braucht Aufstiegschancen. Das proklamiert Armin Laschet (48), CDU, derzeit (noch) deutschlandweit einziger Integrationsminister eines Bundeslandes. Die angesehene Hamburger Körber-Stiftung bot dem nordrhein-westfälischen Polit-Aufsteiger in der vergangenen Woche die Bühne, seine Thesen in der Hansestadt vorzustellen. Als Diskussionsrunde begleiteten ausgewählte Politiker mit Zuwanderer-Biographie den Aachener. Die Vizepräsidentin der Hamburger Bürgerschaft, Nebahat Güçlu (Grüne), und Telekom-Managerin Aygül Özkan (CDU), ebenfalls Abgeordnete der Bürgerschaft, sowie Ergun Can (SPD), Manager aus Stuttgart und Vorstand im Netzwerk türkisch-stämmiger Mandatsträger, tauschten mit Laschet und Moderatorin Gisela Steinhauer vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) gutgelaunt Ideen aus.

Meinungsverschiedenheiten waren selbst in Nuancen kaum auszumachen. Bülent Ciftlic, einst Hoffnungsträger der Hamburger SPD, hätte dazu beitragen können. Er war auch geladen, erschien allerdings nicht. Gegen Ciftlic ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft: Verdacht auf Vermittlung einer Scheinehe (JF 3/10). Noch bevor Laschet seine integrationspolitischen Denkanstöße ausbreitete, stimmte die Stiftung auf das zu erwartende „Familientreffen der Engagierten in Sachen Integration“ ein. Menschen mit Zuwanderungsgeschichte müßten in Deutschland zu gesellschaftlichen Aufsteigern werden können, so Laschet, ihre Chancen seien zugleich ein Gewinn für die Republik.

Was er als visionär-zeitgeistigen Ansatz verkaufte, nämlich zu ergründen, wie sich die beispielhaften Lebensläufe der Anwesenden für alle Zuwanderer nutzbar machen lassen, geriet mehr zu einem Reigen Aufmerksamkeit heischender Thesen. „Vierzig Prozent der Null bis Sechsjährigen in großen Städten haben eine Zuwanderergeschichte“, bemühte Laschet die Statistik. Integration könne da nur gelingen, wenn für jeden der Aufstieg möglich sei, denn in 20 Jahren seien die Zuwanderer die Eliten. Gut ist, was Fakt ist: „Das ist kein Gutmenschentum, das ist die Realität.“ Doch statt Hindernisse auf diesem Weg zur Diskussion zu stellen, verglich Laschet erneut die Zuwanderer mit den Vertriebenen, Nachkriegsdeutschland mit Migrationsdeutschland. Von der Integration der Vertriebenen könne man lernen, weil diese „gewollt war“. Ebenso sei die deutsche Einheit ein Beispiel gelungener Integration. Den Einwand, es habe sich in beiden Fällen bestenfalls um die Eingliederung von Deutschen in Deutschland gehandelt, ließ er nicht gelten. Ein Bundesintegrationsminister müsse her, und wer mit Blick auf den hiesigen Islam von Parallelgesellschaften rede, der müsse dazu auch die Erziehung in einem katholischen Milieu zählen, wie er selber sie genossen habe.

Im vollbesetzten Saal der Stiftung kamen solche Sticheleien gut an. Wer denn Chancen konkret verweigere, verschwieg Laschet. Die schlimmsten Erfahrungen der Teilnehmer rankten sich in der anschließenden Gesprächsrunde um schlechte Schulempfehlungen und den Kulturschock beim Zuzug nach Bayern. „Strukturelle Diskriminierung“, – kurzum diffuse, weil gefühlte Ausgrenzung – wurde zum Stichwort des Abends. Aygül Özkan sagte, viele Zuwanderer wüßten zuwenig über Karrierechancen im öffentlichen Dienst. Zwanzig Prozent Hauptschüler könne man sich nicht leisten, ergänzte der Minister.

Bildungsferne ist für Laschet aber nicht ein Problem der Eingewanderten, sondern deutscher Anwerbungspolitik in den Sechzigerjahren. Von Amerika könne man lernen, dort seien Muslime die Mittelschicht und Latinos das Problem, Islam mithin kein Sonderthema bei der Integration. Die funktioniere gut, wie sich gerade an Moschee-Neubauten erkennen ließe: „In Duisburg hat das die ganze Stadt positiv begleitet, obwohl die Kölner Moschee architektonisch anspruchvoller ist, gab es dort diese Probleme nur, weil die Deutschen nicht eingebunden wurden.“ Integration erfordert somit die Einbindung der Deutschen in die Vorgänge in ihrem eigenen Land, folgt man Laschets Thesen. Sein Wunsch des Voneinander-Lernens: Türkische oder kurdische Jugendliche sollten beim Zuzug bitte auch etwas von der deutschen Erinnerungskultur übernehmen, „nicht nur Geothe und Schopenhauer“, sondern den Holocaust. Eine Willkommenskultur sei nötig, einigte sich das Podium.

Erguin Can erzählte darauf von seiner Kindheit im Schwarzwald, wo er „schon als kleines Kind in die Gemeinschaft aufgenommen“, zum Schnitzen  von Fastnachtsmasken kam. Als Moslem referierte er über dieses katholische Brauchtum in einer evangelischen Kirche, ging dann nach New York zum Integrationsworkshop. Sein Fazit: „Uns fehlt die Aufgeschlossenheit.“ Zuviel Schubladendenken beklagte auch Nebahat Güçlu, Fachsprecherin der Grünen für Soziales und Migration in der Hansestadt. „Ich habe mal einen jungen schwarzen Mann gefragt, woher er käme – Antwort: aus einem Bauch. Das finde ich sehr gut, da sollten wir hinkommen, Menschen nicht auf ihre Unterschiedlichkeit anzusprechen.“ Laschets Kommentar: „Ich stimme eigentlich allem zu“ wurde seinerseits zum Bonmot, so daß Güçlu ihn zwischendurch scherzhaft fragte: „Von welcher Partei sind Sie noch gleich?“

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