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Die bayerische Staatspartei tritt ab

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Die bayerische Staatspartei tritt ab

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Warum sollte ausgerechnet die CSU vom Niedergang der europäischen bürgerlichen Volksparteien verschont bleiben? Ihr letzter großer Vorsitzender Edmund Stoiber pflegte diese Frage mit dem „Mythos CSU“ zu beantworten, der symbiotisch mit dem „Mythos Bayern“ verbunden sei. Die CSU stand unter Franz Josef Strauß für den Aufstieg vom agrar-ärmlichen Freistaat zur Hightech-Region. Den Begriff „Laptop und Lederhose“, eine moderne Variante für die Verknüpfung von Tradition und Fortschritt, bezog man nicht nur auf Bayern, sondern genauso auf die CSU. Die Partei war wählbar für alle Schichten – von Künstlern und Intellektuellen über Arbeiter bis hin zur bäuerlichen Landbevölkerung.

Die CSU entwickelte eine gewisse Fähigkeit zur Selbstreinigung. Sie trennte sich nach Strauß‘ Tod schnell von seinem feudalistischen Herrschaftssystem und entledigte sich auch zügig der Amigo-Wirtschaft eines Max Streibl. Unter Stoiber kam sie zu einer späten Blüte mit den Höhepunkten seiner Kanzlerkandidatur und einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Aus heutiger Sicht ist die Abwahl Stoibers 2007 nicht Ursache, sondern Zwischenschritt auf dem Abwärtskurs der „einstigen bayerischen Staatspartei“ (Handelsblatt).

Schon der frühere Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission, Alois Glück, hatte sich gesorgt, daß die CSU-Milieus schrumpfen. Dabei handelt es sich nicht nur um die vielzitierten katholischen Kirchgänger, die die CDU wegen ihrer abnehmenden Zahl längst vernachlässigen zu können glaubt, sondern auch um Gebirgsschützen und Schützenvereine, die Nachwuchsprobleme haben. Kurz gesagt: Was nützt der CSU die Lufthoheit über den Stammtischen, wenn der Stammtisch stirbt?

Die vergangenen Wahlen zeigten eine Partei im Abwärtssog. Die Landtagswahl 2008 endete mit 43 Prozent in einem Desaster. Bei der Bundestagswahl 2009 wurde der Wert sogar noch unterboten. Aktuelle Umfragen geben der CSU 41 Prozent. Andere Mehrheiten in Bayern kommen in Sichtweite.

Der Abwärtsstrudel verstärkt sich durch einige Ereignisse, die unglücklich zusammenkommen. Offenbar waren Partei und Staatsregierung unter Stoiber – verblendet von eigenen Erfolgen – nicht wie der Schuster beim Leisten geblieben, sondern man wollte Augenhöhe mit den großen Spielern der europäischen Finanzwelt erreichen. Die Bayerische Landesbank, die mit Institutionen wie Lehman Brothers gleichziehen wollte, kaufte die österreichische Hypo Group Alpe Adria, um Zugang zum Balkan-Geschäft zu bekommen (siehe auch Seite 7). Die Expedition endete in einem Desaster; der neuverschuldungsfreie bayerische Haushalt – von Stoiber als Beleg für die nachhaltige generationenorientierte Politik der CSU gepriesen – versinkt nun in Schulden.

Zugleich wird der Spendensumpf wieder sichtbar, den man zu Stoibers Zeiten trockengelegt zu haben glaubte. Im Augsburger Landgericht äußert der Waffenhändler Karlheinz Schreiber den Verdacht, illegale Spenden seien mit den Namen von Verstorbenen getarnt worden. Zwar sind alle Hauptbeteiligten von damals verstorben, aber die alten Verdächtigungen werden verknüpft mit großen Spenden von über 800.000 Euro, die der Industriellen-Familie von Finck, die auch Hotels besitzt, zugeordnet werden. Obwohl Spenden in dieser Höhe legal und ordnungsgemäß verbucht worden sind, wird in Bayern landauf, landab die Frage gestellt, ob das Engagement der Partei in der neuen Berliner Koalition für eine Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelbetriebe nicht doch etwas zu eifrig war.

Schreiber ist gewiß kein Zeuge von hoher Glaubwürdigkeit, die Finck-Spenden gehen rechtlich in Ordnung, und in anderen Bundesländern stehen Landesbanken auch kurz vor dem Bankrott. Aber dennoch hat sich in Bayern ein Giftcocktail für die CSU gebildet. Hinzu kommt: Die von der CDU entwickelte Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“, die darin bestand, SPD, Grünen und Dunkelroten keine Angriffsflächen zu bieten, hat ihre Wirkung in Bayern nicht verfehlt. Viele CSU-Anhänger sind orientierungslos, der hektisch und konturlos agierende Vorsitzende Horst Seehofer dürfte Mühe haben, die Passauer Dreiländerhalle zum Politischen Aschermittwoch zu füllen.

CSU und CDU definieren sich bewußt als siamesische Zwillinge. Die CDU hat auf Fragen nach ihrem schwachen konservativen Element gerne auf die CSU verwiesen. Jetzt baut die CSU ab. Manfred Weber, Glücks Nachfolger in der Grundsatzkommission der CSU, sagte laut Süddeutscher Zeitung zu den Problemen der Unionsparteien: „Ich habe die Sorge, daß eine Sammlungsbewegung rechts der Unionsparteien entsteht.“ Weber weiß, wovon er spricht. Die Republikaner erzielten in den ersten Jahren ihres Auftretens in bayerischen Städten wie Rosenheim und Garmisch-Partenkirchen Ergebnisse um 20 Prozent.

Stoiber und andere konnten diese Stimmen durch eine nuanciert konservative Politik zurückgewinnen. Nur ist Seehofer nicht konservativ, sondern dem sozialen Flügel zuzurechnen. In der Generation der 50jährigen ist die CSU fast blank. Es gibt hoffnungsvolle junge Nachwuchspolitiker wie den Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, dem jedoch die afghanischen Kundus-Bomben schwer zu schaffen machen.

Für die CSU beginnt der Abstieg in eine andere Zeit. Bayern als Stabilitätsanker für die westdeutsche Nachkriegsdemokratie verändert sich damit – Deutschland auch.

Foto: Horst Seehofer (l.) und Edmund Stoiber Ende 2009: Hektisch und konturlos agierender Vorsitzender

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