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Angst vor dem Verlust der Fleischtöpfe

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Das Vorhaben der Bundesregierung, die staatlichen Programme gegen Rechtsextremismus zukünftig auch auf Linksextremismus und Islamismus auszudehnen, hat unter linken Wissenschaftlern für Aufregung gesorgt. In einer von dem Marburger Pädagogikprofessor Benno Hafeneger initiierten Stellungnahme heißt es, die von der schwarz-gelben Koalition betriebene Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus verkenne die Realität. Vielmehr würden dadurch „vielschichtige Trennlinien und Unterschiede“ ignoriert. Im übrigen werde „implizit unterstellt, daß alle drei Extremismen aktuell von gleichem Ausmaß, gleicher Bedeutung und Brisanz wären“. Es sei jedoch nicht erkennbar, daß sich unter Jugendlichen „ein gewalttätiger Linksextremismus ausbreitet, der demokratische und menschenrechtliche Grundsätze ablehnt“.

Unterzeichnet wurde das Protestschreiben unter anderem von dem Kölner Politologen Christoph Butterwegge, dem Soziologen Fabian Virchow, dem an der Pädagogischen Hochschule Freiburg lehrenden Albert Scherr sowie Renate Bitzan von der Universität Frankfurt am Main. Butterwegge, der laut einem Bericht des Focus aus dem Jahr 1998 „marxistisch-leninistische Umsturztheorien“ legitimiere und in linksextremistischen Verlagen publiziere, war in den siebziger und achtziger Jahren für das DKP-nahe Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) aktiv. Er trat 2006 aus der SPD aus und gilt als der Linkspartei nahestehend. Im Oktober 2003 nahm Butterwegge an einer Tagung des nord-
rhein-westfälischen Verfassungsschutzes zum Thema „Neue Rechte“ teil. Dieser Auftritt zog wegen der Nähe des Referenten zur linksradikalen „Antifa“-Szene mehrere parlamentarische Anfragen im Düsseldorfer Landtag nach sich.

Fabian Virchow, Mitarbeiter am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg und Lehrbeauftragter an der Universität Lüneburg, war 2007 Gesprächspartner der linksextremen Zeitschrift Der Rechte Rand. 1998 erschien ein Beitrag Virchows in der Antifa-Postille enough is enough, die der Verfassungsschutz des Landes Schleswig-Holstein dem „undogmatischen Linksextremismus“ zuordnete. Ebenfalls aus seiner Feder stammte ein Beitrag, der 2007 in der als linksextrem eingestuften Zeitschrift UTOPIEkreativ erschien, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegeben wird.

Die Sozialwissenschaftlerin Renate Bitzan forschte über „Geschlechterdiskurse rechtsextremer Frauen“ und ist Mitbegründerin des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus.  2006 referierte sie auf einem Antifa-Kongreß zum Thema „Gender und Nationalismus“. Im selben Jahr rief sie gemeinsam mit Albert Scherr – ebenfalls Unterzeichner des Protestschreibens – auf einer Internetseite dazu auf, solche Universitätsangehörige zu melden, die man „aufgrund äußerer Codes oder aufgrund bestimmter Meinungsbeiträge der rechten Szene zuordnen“ könne.

Hafeneger veröffentlichte 2007 gemeinsam mit seinem Marburger Kollegen Reiner Becker, der den aktuellen Aufruf ebenfalls unterzeichnet hat, die Studie „Rechte Jugendcliquen. Zwischen Unauffälligkeit und Provokation“.

Die Kritiker einer Neuausrichtung der staatlichen Programme betonen, es sei bisher „weitgehend Konsens“ gewesen, daß diese sich „zentral gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus wenden sollen“. Für die drei Programme Xenos, Entimon und Civitas wurden zwischen 2001 und Ende 2006 192 Millionen Euro ausgegeben. Kritiker bemängelten immer wieder, daß von diesen Fördermitteln auch linksextreme Gruppierungen profitierten (JF 34/05). Für das Nachfolgeprogramm des Familieministeriums stehen jährlich 24 Millionen Euro zur Verfügung.

Eine Aufteilung der Mittel halten die Verfasser des Protests für nicht akzeptabel. Schließlich habe sich im Kampf gegen die extreme Rechte „eine bunte und gehaltvolle Praxis“ etabliert. „Wenn die Förderung wegbricht bzw. reduziert wird, dann sind viele dieser Aktivitäten gefährdet.“ Zwar gebe es neben der „Gewalt von rechts“ auch eine „Militanz von links“, allerdings „nicht auf demselben hohen Niveau wie rechtsextrem motivierte Straf- und Gewalttaten“. Die Wissenschaftler greifen in ihrem Schreiben auch die Behauptung auf, daß seit 1993 „über 140 Menschen durch Gewalt von rechts ums Leben gekommen“ seien.

Diese hohe Zahl basiert auf Erhebungen des 1998 von „antifaschistischen AktivistInnen“ gegründeten Vereins „Opferperspektive“ und hält einer kritischen Überprüfung nicht stand (JF 3/09). Laut Polizeistatistik kamen zwischen 1990 und 2007 insgesamt 40 Personen durch „politisch rechts motivierte Gewalttaten“ ums Leben. Doch Hafeneger und seine akademischen Mitstreiter befürchten vor allem, „die Neuorientierung der Programme (könne) auch als ein ungewolltes bzw. fahrlässiges Signal an die extreme Rechte gelesen werden, daß sie wohl doch keine so große Gefahr für die Demokratie und Beeinflussung der jungen Generation sei“.

Offensichtlich befürchten die Wissenschaftler, daß der dem Grundgesetz zugrunde liegende antitotalitäre Grundkonsens wieder an Bedeutung gewinnt. In ihren Augen droht durch die Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus „eine vordergründig politisch motivierte Rückkehr in die Denkschablonen des Kalten Krieges“. Vor allem sei zu befürchten, daß nun „jene Gruppen, die sich entschieden gegen rechtsextreme Landnahmen wenden und oft mit dem Etikett ‘Antifa’ belegt werden, selbst zum Objekt von Extremismusprogrammen gemacht werden“.

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