Als Daniel Schütz eines morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Meme verwandelt. Derartig kafkaesk könnte man die Verwandlung durchaus zusammenfassen, in deren Verlauf aus dem deutsch-polnischen Schauspieler die One-Man-Show namens Jeremy Fragrance wurde.
Ganz egal, ob der vom Scheitel bis zur Sohle in Schneeweiß gekleidete Parfum-Influencer nun einarmige Liegestütze vor dem pakistanischen Premier macht, im Fernsehsender „Sky“ mit der Moderatorin flirtet oder einfach nur singt, tanzt oder wie wild in die Kamera schreit – Millionen von Menschen schauen ihm auf Youtube, Instagram oder Tiktok wie gebannt dabei zu.
Ein Tanz auf allen Hochzeiten
Nach einer wechselhaften Vergangenheit mit Stationen am Staatstheater Oldenburg, im Reality-TV und bei Modelagenturen nahm das Leben des jungen Mannes somit eine glückliche Wendung. Zuletzt erreichte seine Berühmtheit immer neue Höhen. Aldi Nord castete den gebürtigen Oldenburger kürzlich für ein aufwendig gestaltetes Werbevideo.
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Die ProSieben-Show „Late Night Berlin“ bat ihn für einen Plausch ebenfalls ins Studio. Und auch der Podcast „Hotel Matze“ oder der Youtube-Kanal „World Wide Wohnzimmer“ hatten ihn bereits zu Gast. Nun soll er selbst das Ziel herausgegeben haben, noch in diesem Jahr Milliardär zu werden. Der von ihm kreierte Duft verkauft sich bereits bestens.
Als Kunstfigur ähnlich suggestiv wie E.T. oder Rambo
Das Berufsprofil des 34jährigen wirkt dabei ebenso abstrus wie sein gesamtes Auftreten. Denn als Parfum-Influencer kann Schütz sein Publikum nicht an den Düften teilhaben lassen, über die er spricht. Doch diese Abstrusität hat Methode. Mit der Kunstfigur Jeremy Fragrance hat sich Schütz inzwischen eine Rolle geschaffen, die ähnlich suggestiv wirkt wie beispielsweise E.T. oder Rambo.
Man weiß sofort, was man bekommt, wenn man ihn sieht: eine abstruse Komik, die ihresgleichen sucht. Mal prahlt Jeremy Fragrance in seinen Videos damit, daß er zehn Kilo Käse am Tag ißt. Und mal begründet er sein Ausscheiden aus der Show „Promi Big Brother“ damit, daß er sein Johannesevangelium nicht mit in den Container nehmen durfte.
Wer ihn ernst nimmt, nimmt ihn nicht ernst
Auf diese Art und Weise hat sich Schütz langsam, aber sicher in ein Meme verwandelt. Die Kleinstcomics aus dem Internet sind mittlerweile zur gesellschaftlichen Grundlage unseres Humors geworden, Lach-Atome sozusagen. Der Zusammenhang von Wort und Bild löst in Sekundenschnelle ein Lachen aus. Memes flimmern mittlerweile massenweise über die Handyscreens hierzulande. Jung und Alt grinsen bei „Drake“- oder „NAFO“-Memes still und heimlich in sich hinein – am Frühstückstisch, in der U-Bahn oder im Büro.
Das skurrile Verhalten des aufgekratzten Parfümeurs hat wie bei diesen Bildwitzen eine ganz bestimmte Erwartungshaltung beim Publikum geweckt. Diese bezieht sich aber gerade nicht mehr auf dessen eigentliches Fachgebiet, also die Parfums, sondern auf die Komik seiner Person. Mann oder Meme, wer weiß das schon?
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Mit seiner „Memewerdung“ hat Daniel Schütz alias Jeremy Fragrance aber auch erreicht, daß es unfreiwillig in Klamauk endet, wenn er den Mund aufmacht. Man kann ihn, wenn man ihn als Kunstfigur wirklich ernst nehmen will, einfach nicht mehr ernst nehmen. Diese Dialektik gilt auch für all diejenigen Standpunkte, die der Influencer eigentlich mit Verve vertritt. In seinen Videos wirbt Fragrance oft für eine durch Fleiß, Pflichtgefühl und Gottvertrauen gekennzeichnete Lebensführung. Diese Tugenden werden ihm unter der Hand jedoch zu lauter Witzen, eben weil Schütz mit Jeremy Fragrance eine Witzfigur verkörpert. Was er darstellt, das karikiert er.
Jeremy Fragrance steht für den Humor der Zukunft
Das klingt vielleicht tragisch, leistet aber einem Humor Vorschub, der sich sowohl gegen die augenzwinkernde Sozialscham aus Serien wie „Stromberg“ oder „Pastewka“, als auch gegen Witztiraden aus Late-Night-Formaten wie „Neo Magazin“ und „heute show“ durchsetzen kann. Während Comedians wie Oliver Welke ihre Lacher an moralische Voraussetzungen knüpfen, setzt Schütz diese Maßstäbe absichtlich herab. Nichts ist so blöd für ihn, daß man am Ende nicht darüber lachen könnte. Humortechnisch ist das ein demokratischer, ja, revolutionärer Akt.
Zusammen mit inzwischen ikonischen Memes wie dem „Unreal Tournament Kid“ oder neueren Genres a la „YouTubeKacke“ bildet die Kunstfigur Jeremy Fragrance somit eine Avantgarde, die Witzkonventionen sprengt und dadurch die Grenzen des Lachbaren verschiebt. Sie steht für die Komik der Zukunft. Noch in vielen Jahren werden Menschen hysterisch über sie lachen.