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Asylkrise: Ein weiterer Einzelfall

Asylkrise: Ein weiterer Einzelfall

Asylkrise: Ein weiterer Einzelfall

S-Bahn
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Volle S-Bahn in Berlin: Der öffentliche Nahverkehr ist in der Hauptstadt kein Vergnügen Foto: picture alliance/dpa
Asylkrise
 

Ein weiterer Einzelfall

Gedränge in der S-Bahn. Eine Gruppe junger Türken versucht lauthals, ein paar Schülerinnen zu beeindrucken, zum Leidwesen der übrigen Fahrgäste. Die Stimmung ist gereizt. Ein S-Bahn-Erlebnis von JF-Redakteur Felix Krautkrämer.
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Gedränge in der S-Bahn. Eine Gruppe junger Türken versucht lauthals, ein paar Schülerinnen zu beeindrucken, zum Leidwesen der übrigen Fahrgäste. Die Stimmung ist gereizt. Als die Gruppe die Bahn endlich verläßt, ist es, als würde ein Seufzen der Erleichterung durchs Abteil gehen.

S-Bahnfahren war in der Hauptstadt noch nie ein Vergnügen. Man wird mit Menschen konfrontiert, auf deren Bekanntschaft man – wäre es freiwillig – wohl verzichten würde. Aufdringliche Bettler, nervende Straßenzeitungsverkäufer, angetrunkene Krakeeler, verrückte Vorsichhinbrabbler und halbstarke türkische oder arabische Jugendliche.

Unangenehme Mitfahrer ausblenden

Seit dem vergangenen Sommer hat sich die Situation noch verschärft. Mit der Flüchtlingswelle kamen auch Zehntausende Asylsuchende nach Berlin, deren täglicher Zeitvertreib offenbar zu einem nicht geringen Anteil im Herumfahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln besteht. Wer auf die S-Bahn angewiesen ist, versucht, sich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Kopfhörer, Mobiltelefon oder Zeitschrift helfen, den unangenehmen Teil der Mitfahrer ein Stück weit auszublenden.

Es ist Freitag nachmittag und ich sitze in der S-Bahn, Musik im Ohr und blättere in den Nachrichtenportalen. Da ich eine Strecke in einen östlichen Randbezirk fahre, ist der Platz neben mir noch frei. Noch, denn im nächsten Moment setzt sich ein junger Araber neben mich. Er holt ein Buch aus der Tasche und sein Smartphone.

Das Buch ist auf deutsch. Mühsam und sehr langsam verfolgt er Wort für Wort, Zeile für Zeile den Text und schreibt die arabische Übersetzung darüber. Worte, die er nicht kennt, schlägt er in einer Übersetzungs-App auf seinem Handy nach. Es sind Worte wie „verteidigend“, „erbittert“ und „voran“. Er ist so in den Text und die noch fremde Sprache vertieft, daß er beinahe verpaßt, auszusteigen. Im letzten Moment springt er auf und klappt das Buch zu. Es ist „Momo“ von Michael Ende.

Propaganda der Refugees-Welcome-Industrie

Während ich über den jungen Araber und seinen Eifer, deutsch zu lernen, nachdenke, habe ich einmal mehr die Bilder der Übergriffe aus der Kölner Silvesternacht vor Augen. Zahllose weitere Horrornachrichten, die die Asylkrise Deutschland in den vergangenen Monaten beschert hat, kommen mir in den Sinn. Von Übergriffen in Schwimmbädern, ausgeraubten und verprügelten Opfern, schikanierten und bedrohten christlichen Flüchtlingen. Ändert der Fall etwas daran?

Sicher nicht, und hätte ich die Geschichte in der taz oder einer anderen Zeitung gelesen, hätte ich sie als erfunden abgetan. Propaganda der „Refugees welcome“-Industrie eben. So aber war es ein kurzer Moment des Verschnaufens, bevor sich die Verhältnisse mit dem nahenden Sommer wieder zuspitzen werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


Volle S-Bahn in Berlin: Der öffentliche Nahverkehr ist in der Hauptstadt kein Vergnügen Foto: picture alliance/dpa
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