„Global Diversity“ und deutsche Debatten: Die Berlinale und die Realität der Antisemitismus-Debatte
„Global Diversity“ und deutsche Debatten: Die Berlinale und die Realität der Antisemitismus-Debatte
„Global Diversity“ und deutsche Debatten: Die Berlinale und die Realität der Antisemitismus-Debatte
Die Berlinale-Jury und ihr propalästinensischer Protest: Doch kein Grund zur Aufregung? Fotos: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber /// JF Collage: JF
„Global Diversity“ und deutsche Debatten
Die Berlinale und die Realität der Antisemitismus-Debatte
Die jüngste Ausgabe der Berlinale zeigt: Der alte Antisemitismusdiskurs ist brüchig geworden. Er richtete sich immer wieder gegen Rechte und Konservative. Es wäre ein Treppenwitz, wenn die sich nun als seine letzten Verteidiger betätigten. Es braucht ein neues Vokabular. Ein Kommentar von Thorsten Hinz.
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Der Massenmord an den europäischen Juden ist eine Untat aus ideologischen Motiven. Es gibt für dieses Morden keine plausiblen sachlichen Gründe. Das gilt allerdings auch für die Morde während der französischen Revolution und während der Stalinschen Säuberungen.
Aussergewöhnlich interessantes Niveau dieser Debatte. Heilige Kühe werden geschlachtet. Aber dennoch obwaltet eine aufmerksame Sensibilität der Meinungen und des wertschätzenden Austauschs in dieser schweren Zeit des Umbruchs, der womöglich (wenn es gesteigert so weitergeht) keinen gedanklichen Baustein auf dem anderen läßt
Die Europäer haben sich gegenseitig geschlagen, die Weltmusik spielt heute wo anders. Sie haben sich eigenverantwortlich vom Zentrum der Welt in Kultur und Wissenschaft in eine Randlage manövriert, die Machtgier eines inkompetenten, europaweiten Netzwerks ist geblendet von Vergrößerung und Wachstum. Aber Wachstum ist kein Selbstzweck und so wächst (noch) die EU, aber die Menschen, die Europäer schrumpfen.
Und je mehr man schrumpft in Kultur, Wissenschaft und an Ideen, umso weniger lässt sich der Wahn der „weltweiten Verantwortung an allen Übeln“, vom Kolonialismus im allgemeinen und Holocaust im speziellen aufrecht erhalten. Die geistige Schrumpfung betrifft nicht nur Deutschland, aber hier schrumpft man stärker als anderswo.
Die Erkenntnis, dass Machtgier und Ausrottung anderer keine rein europäischen Charaktereigenschaften sind mag für Bildungsferne und Geschichtsvergessene (und Schuldzentrierte) scheinbar eine neue Erkenntnis sein, sie müssen diese Realität mittelfristig akzeptieren. Die Realität einer kulturellen Randlage, sich weltweit als Nebenthema zu erkennen.
An der Auseinandersetzung im nahen Osten wird auch das nichts ändern, die wird dort entschieden.
Treffend und Scharfsinn, Herr Hinz. Fehlt nur noch der Hinweis auf BRICS. Wenn die sich den antikolonialen und proarabischen Diskurs auf die Fahnen schreiben, dann platzen wohlvertraute BRD-Narrative wie Luftballone. Obwohl diese unsere philosemitischen Narrative einen tiefen Wahrheitskern haben, unabhängig davon, ob sie uns von den Weltkriegssiegern aufoktroyiert wurden oder auf unserem eigenen kriminiellen Weltkriegsmist gewachsen sind. Es ist das Narrativ der „Erbfeindschaft“ zwischen Christentum und Judentum, der ewige Kampf um die theo-politische Deutungshoheit innerhalb der drei monotheistischen Weltreligionen, wie sie Lessing in seiner Ringparabel unübertroffen zum Ausdruck brachte. Schade, dass der olympische Geist eines edlen Wettstreit zwischen Christentum und Judentum kriminell-rassistisch (wie im 3. Reich) oder antikolonialistisch (wie von Dirk Moses und der aktuellen Berlinale) überlagert, entwertet und ausgehebelt wurde.
Der Autor hat sich selbst einen Bären aufgebunden.
Warum? Ich finde im Gegenteil, er hat einen echten Durchbruch geschaffen zu einer neuen Debatten Lage bei uns im Forum. Die berechtigte Solidarität mit dem jüdischen Staat wird parallelgeschaltet mit emanzipatorischen Narrativen des globalen Ostens und Südens. Beide Sichtweisen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Das entlastet uns Deutsche und schafft neue dialektische Argumentations-Spielräume. Chapeau, Thorsten Hinz !
Sehr richtig! Ein wirklich außergewöhnlicher Text, der der verbreiteten Geistlosigkeit entgegensteht.
Israel ist im laufenden Konflikt nicht der Vorwurf eines Völkermordes zu machen, da sein Vorgehen nicht auf eine physische Beseitigung der arabischen Palästinenser hinausläuft. Kulturell wären sie ohnehin nicht zu beseitigen, da die Palästinenser sich kulturell nicht von den angrenzenden sunnitischen oder schiitischen Arabern unterscheiden. Ihre Identität ergibt sich nur aus dem Kampf gegen die Juden, seit den 1920ern.
Im Grunde wissen die Israelis, was zu tun wäre. Ein radikaler Rechter forderte schon wenige Tage nach den Massakern vom 7. Oktober, eine Atombombe auf Gaza abzuwerfen. In der Tat: dann wäre an dieser Front Ruhe. Zwar widersprachen nahezu alle in Israel, aber am Ende sprach er nur das offensichtliche aus: Eines der beiden Völker wird weichen müssen. Und demographisch können die Juden die Araber nie einholen. Doch wenn die Israelis täten, was sie tun müßten, würden sie für immer ihr aus der Shoa kommendas Gründungsnarrativ verlieren – sie wäre nie wieder ein Opfer. Das jedoch ist ihr letztes „Asset“, das ihnen geblieben ist. Darin liegt die Tragik des Volkes von Abraham. Und umgekehrt nährt sich daraus beständig das Narrativ der Palästinenser, wie ein Krebsgeschwür.
Was wäre, wenn der genetische Unterschied zwischen jüdischen und palästinensischen Menschen gar nicht so groß ist, wie meinen könnte? Beide Völker entstammen demselben Siedlungsraum, nämlich dem Heiligen Land.
Die Israelis haben lethale Waffen, Überwachung und einen (vielleicht) Geheimdienst der seinen Dienst wieder ernst nimmt. Die Palästinenser die Demografie. Was mittelfristig tödlicher ist wird man sehen.
Es gibt keine Guten in dieser Auseinandersetzung (und in anderen) es sind aktuell im weltweiten hybriden Kriegen nur mehr Figuren übrig die besser lügen können.
Das ist nicht unser Konflikt. Ich rechne mit einer Fortsetzung der Spirale, so wie wir dies seit Generationen erleben.
Meiner Meinung nach gibt es bei diesem Thema große Unterschiede zwischen der Kriegsgeneration und der Nachkriegsgeneration. Die Kriegsgeneration hat die deutsche Schuld realistischer verinnerlicht, bei der Nachkriegsgeneration ist sie oft oberflächlich und konfus. Es fehlt der Nachkriegsgeneration die Sühne durch die Bombennächte, den Hunger und die Angst.
Sehr bemerkenswert ist doch das die AFD als angeblich antisemitisch ausgeschlossen wurde. Sind dann doch die anderen…
………..Realität des Nahostkrieges………….
Semiten gegen Semiten
Dann mal viel spaß mit den Lieblings-Koalitionspartnern von Bosbach und Merz. Ie Wahrheit bei documenta und Berlinale: gerade dort, wo man die AfD bewußt ausgesperrt hat, hielt der blanke Antisemitismus Einzug.
Ein sehr differenziertes Bild gezeichnet.
Danke schön.
Sehr schön auseinandergenommen. Nachdenklichkeit von einem freien Geist ist immer wieder hirnerfrischend. Und regt unbedingt zum Selberdenken an. Die Welt ändert sich in hohem Tempo. Man hat den Eindruck, dass insbesondere der Westen und mit ihm die westdeutsch Sozialisierten größte Probleme damit haben, den Lauf der Dinge vernunftgemäß zu erfassen, zu verarbeiten, angemessene Schlüsse daraus zu ziehen und in bleibendes Handeln umzusetzen. Um das Land vor dem Untergang zu bewahren, auf den es stoisch zusteuert. Westdeutsche Götterdämmerung?
Schön ein differenziertes Bild zu der Lage in Israel, auf intellektuell hohem Niveau hier bei der JF zu lesen. Das lässt umso mehr diese ständigen platten Kommentare der Marke ‚Alles Terroristen! Alles platt machen!‘ von der JF-Leserschaft als das aussehen, was sie sind.
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Die Berlinale-Jury und ihr propalästinensischer Protest: Doch kein Grund zur Aufregung? Fotos: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber /// JF Collage: JF