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Kontroverse Blutachse

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Vor zwei Wochen trat ein Urgestein des Neofolk in der Leipziger Theaterfabrik auf: Die amerikanische Band „Blood Axis“ um den „Multifunktionär der Kontroversität“ Michael Moynihan trat nach langjähriger Abstinenz wieder auf deutschem Boden auf. Das obligate Erdbeben in der lokalen linken Szene blieb natürlich nicht aus.

Ein unerhörter Vorgang …

Spätestens nachdem Juliane Nagel, ihres Zeichens Stadträtin der Linkspartei in Leipzig, sich im Namen eines Antifabündnisses mit einem der im Vorfeld solcher Konzerte üblichen „Informationsbriefe“ an die Betreiber der Theaterfabrik warnte, wurde die Angelegenheit auch für die Leipziger Internetzeitung interessant. Wirklich amüsant am ersten darauf aufbauenden Artikel war für mich vor allen Dingen, daß man mit Alexander Nym offensichtlich einen aufgeschlossenen und in der Sache wohlinformierten Sachverständigen heranzog, der ebenso Wert auf künstlerische Freiheit legte wie auch auf die Freiheit des je Einzelnen, sich persönlich ein Bild der „maßgeblichen extrem rechten Band des Dark Wave-Genres“ (O-Ton Nagel) zu bilden.

Darin stimmt er im übrigen mit Moynihan persönlich überein, der schon vor Jahren  äußerte: „Wenn man sich für etwas interessiert, ist der beste Weg nicht, Kommentare anderer Leute darüber zu hören oder zu lesen, sondern eher „ad fontes“, das heißt „an die Quelle“ zu gehen. Dies ist immer erhellend. Es zwingt einen, zu eigenen Schlußfolgerungen zu kommen, anstatt bloß solche von anderen zu absorbieren. Es ist eine aktive Haltung, keine passive. Ob man letzten Endes mit der Quelle übereinstimmt oder nicht, ist irrelevant. Außerdem ist es wichtig, sich einen gesunden Skeptizismus gegenüber dem bourgeoisen Status Quo und anderer Leute Ansichten zu bewahren.“

Den Verantwortlichen auf Seiten der Leipziger Internetzeitung scheint das selbst nicht ganz geheuer gewesen zu sein; in jedem Fall werden zwischen den Zitaten Nyms immer wieder die von diesem just zerstreuten Vorurteile zaghaft wiederbelebt. Auch der Schlußsatz fällt entsprechend vage und latent bedrohlich aus. Vermutlich hätte man lieber einen öffentlichkeitswirksamen Erledigungsartikel geschrieben.

… Linke werden kritisch hinterfragt!

Ein zweiter Artikel erging sich dann wiederum in einer unentschlossenen Haltung gegenüber dem herannahenden Konzert. Einerseits wurde – begrüßenswerterweise – damit begonnen, den „Brief“ Juliane Nagels auf Unstimmigkeiten zu untersuchen; so konnte der Autor Daniel Thalheim nachweisen, daß das von Nagel angeprangerte „Krückenkreuz“ mitnichten als untrüglicher Indikator einer offen „faschistischen Weltanschauung“ heranzuziehen ist. Abgesehen von diesem in der L-IZ aufgegriffenen Irrtum finden sich in ihrem „aufklärerischen“ Schrieb übrigens noch zig andere Fehler (ob nun reine Nachlässigkeit – Frau Nagel ist ja, laut Selbstbeschreibung, noch „in unzählig vielen Strukturen außerparlamentarisch aktiv“).

So heißt der verstorbene Anti-Neofolk-Agitator vom „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“, den sie als Quelle heranzieht, Alfred (nicht Albert) Schobert. Auch die Moynihan angelasteten Veröffentlichungen in der US-Zeitschrift Plexus stellen mitnichten eine propagandistische Leistung in Vorbereitung der „nationalsozialistischen Weltrevolution“ dar. Dort wurden lediglich Derivate seiner universitären Seminararbeiten, unter anderem über ideologische Vereinnahmungen des Faust-Mythos (Moynihan ist studierter Germanist), abgedruckt. Und letzten Endes spricht das gebetsmühlenartige Rezitieren der üblichen szenefeindlichen Schreihälse Andreas Speit und „Christian Dornbusch“ alias Martin Langebach, ohne die auch dieser Brief nicht auskommt, für sich.

Merke: Absinth ist protofaschistisch

Eben jener „ExpertIn“ (O-Ton Nagel) Langebach wurde eine Woche später dann von der Leipziger Volkszeitung für ein Interview bemüht, das leider nur noch auf einer Antifa-Seite dokumentiert ist. Trotz Suggestivfragen à la „Halten Sie es für Zufall, dass die NPD am Konzerttag eine Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal angemeldet hat?“: Seine soziologisch verbrämte Deutung des künstlerischen Schaffens von „Blood Axis“ liest sich im Vergleich zu Nagels Satzbaustein-Gefuchtel ungleich differenzierter, beschränkt sich aber im wesentlichen ebenfalls auf die Konstruktion einer unmittelbaren Bedrohung der FDGO durch ein paar Musiker.

Langebachs Hirngespinst einer „metapolitischen Musik“, die einen rechten Geist auf „Basis völkischer und faschistischer respektive nationalsozialistischer Denker“ in den Zuhörern wecken solle, ist angesichts des moynihanschen Oeuvres an Absurdität nicht zu überbieten: Da steht ein Hymnus an den Absinth neben einer Klangkollage aus Prokovievs „Tanz der Ritter“ und dem Gedicht „The Challenge Of Thor“ Henry Wadsworth Longfellows und einem von Bach untermalten Monolog Charles Mansons, der sein Unverständnis über das Brüderschlachten des Ersten Weltkriegs ausdrückt.

Nicht umsonst zeigt auch das Umschlagbild des ersten „Blood Axis“-Vollzeitalbums das Franz von Stuck-Gemälde „Der Krieg“, das sicherlich nicht eben verherrlichende Funktion hat – solche Details blendet Langebach aus. Vielleicht arbeitet er ja schon an seinem nächsten alarmistischen Buch.

Schlappe für die Bilderstürmer

Letzten Endes ging das Konzert – trotz „vorbereitenden“ Vandalismus engagierter und besorgter Bürger an der Außenfassade der Theaterfabrik – problemlos über die Bühne. Viele sehr hübsche Videomitschnitte auf der Plattform „YouTube“ dokumentieren dies. Die L-IZ ließ es sich trotzdem nicht nehmen, noch einen „kritischen“ Konzertbericht abzufassen; hier werden die Besucher immerhin nicht als groteske Kostümnazis dargestellt, aber immerhin angefragt, ob wohl alle auch hinreichend über die Inhalte, die ihnen dargeboten wurden, nachgedacht hätten.

Daß die Wendung des „They Walked In Line“ von Joy Division hin zum „We Walked In Line“ bei „Blood Axis“ mitnichten „affirmativ“ erfolgt, sondern stattdessen eine noch tiefere Ebene der künstlerischen Reflektion bezeugt, ist an den Autoren anscheinend vorbeigegangen. Ebenso wie der Hintergrund des beliebten „Wir rufen Deine Wölfe“, bei dem es sich um die Vertonung eines Gedichts des nationalrevolutionären Publizisten, Kirchengründers und Widerständlers Friedrich Hielscher handelt, der Lesern von Ernst Jünger oder Ernst von Salomons vor allem unter dem Spitznamen „Bogo“ bekannt sein dürfte.

„Eine bestimmte Assoziation“ liegt bei diesem Lied folglich nur für solche Leute nahe, die sich nur sehr oberflächlich oder gar nicht mit den kulturellen Wurzeln der sehr feingeistigen Neofolk-Musik beschäftigt haben. Es ist schade, daß gerade solche Zeitgenossen für einen Großteil der Artikel zu diesem Thema verantwortlich sind.

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