Schaut man auf den gerade ausgehandelten Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP und auf das (in großen Teilen sattsam bekannte) Personal, das von kommendem Mittwoch an Deutschland regieren soll, kommt einem unweigerlich der alte Spontispruch „Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten!“ in den Sinn. Bis zu den anstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen bleibt zunächst mehr oder weniger alles so, wie es ist. Vor allem eines fällt in diesem Zusammenhang ins Auge: Die von Westerwelle und Co. lautstark eingeforderten Steuersenkungen sind zunächst einmal auf Jahre hinaus verschoben.
Wie mit einem Staatshaushalt, der von wegbrechenden Steuereinnahmen und steigenden Ausgaben gebeutelt wird, Steuersenkungen finanziert werden sollen, wird sowieso das Geheimnis der FDP bleiben. Nichtsdestoweniger konnte diese Partei bei den zurückliegenden Bundestagswahlen mit der Verbreitung von derlei Unausgegorenem ein Spitzenergebnis einfahren.
Die Fahrt dürfte spätestens nach der NRW-Landtagswahl, wenn die Zeit haltloser Versprechungen endgültig vorbei sein dürfte, in eine ganz andere, nämlich in Richtung sozialer Kahlschlag gehen. Auch dies ist und war absehbar: Sollen die öffentlichen Schuldenberge reduziert werden, sind empfindliche Kürzungen in allen Haushalten unvermeidlich. Ob sich dann noch einer an die Forderungen der FDP erinnern wird, spielt dann kaum noch eine Rolle. Entscheidend für die FDP ist schließlich nur eines: Sie darf endlich wieder „mitregieren“.
„Reise nach Jerusalem“ bei der Vergabe der Ministerien
Naturgemäß fällt in einer derartigen Situation dem Finanzminister eine Schlüsselfunktion zu. Dieser Finanzminister wird, man höre und staune, zukünftig der ehemalige Innenminister und gelernte Jurist Wolfgang Schäuble sein, einer der Untoten der Kohl-Ära, der wohl auch noch in tausend Jahren der Regierung angehören wird (wie immer die dann auch aussehen mag …). Was ausgerechnet Schäuble, dem „Islamversteher“ und engagierten „Terrorismusbekämpfer“, für das Amt eines Finanzministers befähigen soll, wissen wohl nur die Strippenzieher um Merkel. Immerhin kündigte Schäuble schon einmal an, daß die Regierung „mit exorbitant hohen Schulden“ zu kämpfen habe. Man kann sich, siehe oben, ausrechnen, was das bedeutet.
Nur auf den ersten Blick mag erstaunen, daß der gefeierte CSU-„Darling“ Karl Theodor zu Guttenberg, immerhin Unteroffizier der Reserve, Verteidigungsminister wird. Guttenberg gilt als „Atlantiker“ und ist laut Wikipedia unter anderem Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik – einer Schwesterorganisation des mächtigen „Council on Foreign Relations“ –, der sogenannten „Atlantik-Brücke“ sowie des Aspen Instituts. Seine Ernennung dürfte wohl auch eine Reverenz an unsere „amerikanischen Freunde“ sein, die bei ihren Forderungen nach deutschen Truppenkontingenten in aller Welt, insbesondere in Afghanistan, jetzt in der Bundesregierung einen gewichtigen Fürsprecher haben, der die Erwartungen jenseits des Atlantiks mit Sicherheit nicht enttäuschen möchte.
Und wo bleibt der nunmehrige Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung? Der Jurist darf sich nach dem „Reise nach Jerusalem“-Spiel beim großen Postengeschachere künftig Minister für Arbeit und Soziales nennen, wobei sich auch hier die Frage aufdrängt, was diesen durch und durch unscheinbaren Politiker für eine derartige Aufgabe qualifiziert.
„Schnarre“ ist wieder da
Und wer nimmt bei der FDP in den Ministersesseln Platz? Daß uns „Schnarre“, sprich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, nicht erspart bleiben wird, war absehbar. Auch hier also wieder eine „Untote“ aus längst vergangenen Zeiten, die „recycelt“ wird. Das gilt auch für den sich stets leutselig und heiter gebenden Rainer Brüderle, der künftig den Wirtschaftsminister geben darf. Hoffentlich verdunkelt ihm diese Aufgabe nicht sein pfälzisches Gemüt …
Ach ja, und dann ist da noch ein gewisser Dirk Niebel, einst Arbeitsvermittler in Baden-Württemberg und in der Folge vor allem Arbeitsmarktpolitiker, der dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorstehen wird, einem Ministerium also, das Niebel eigentlich auflösen wollte, um es dem Außenministerium anzugliedern. Als Versorgungsposten ist dieses Ministerium für Niebel (Stichwort „Arbeitsvermittlung“) offensichtlich aber allemal willkommen.
Spätestens bei Niebel verfestigt sich der Eindruck: Kompetenzen scheinen im neuen Regierungskabinett bestenfalls eine periphere Rolle zu spielen, das ein neuerliches, machtvolles Bekenntnis zum Dauerprinzip „Weiter so, Deutschland!“ darstellt.