Die Liste der als böse verdammten Begriffe verlängert sich um ein Wort. Wer von Zigeunerschnitzel oder Mohrenkopf spricht, macht sich bereits verdächtig. Die einst politisch korrekte Bezeichnung von dunkelhäutigen Menschen als „Neger“ gilt längst als rassistisches No-Go. Nun geht es auch dem Kindheitshelden schlechthin an den Kragen: In einem Beitrag von Politikwissenschaftlerin Hadija Haruna-Oelker in der Frankfurter Rundschau wird der Indianer kurzerhand zum „I-Wort“.
Der amerikanischen Ureinwohner, der einst der Inbegriff für Freiheit und Tapferkeit war, wird unfreiwillig zum Opfer degradiert. Auch auf die Begriffe „Neger“ und „Mohr“ wird selbst in wissenschaftlichen Beiträgen mittlerweile als „N“- und „M-Wort“ verwiesen. Mitunter ist sogar vom K-Wort für „Kanake“ die Rede.
Autorin graut es vor Winnetou-Neuverfilmung
Den Indianer aus der deutschen Sprache herauszucanceln, ist aber gar nicht so leicht, wie Haruna-Oelker selbst feststellen muß. Überall begegnet ihr der vermeintlich so unangemessene Begriff für den stolzen Stammesmann. So wird er in Faschingsliedern wie „Cowboy und Indianer“ besungen oder taucht in Abenteuer-Klassikern wie Karl Mays „Winnetou“ auf.
Selbst im Kino muß die Autorin demnächst ganz stark sein, denn Old Shatterhands bester Freund scheint nicht an Popularität zu verlieren. Ende Februar läuft der Film „Der junge Häuptling Winnetou“ an. Haruna-Oelker befürchtet „Übles, was rassistische Klischees samt geschichtsrevisionistischer Romantisierung von Kolonialisierung und dazugehörigem Völkermord angeht“.
Übungsheft gebe klischeehafte Stereotypen wieder
Auch eine Reihe von Übungsheften des Ernst-Klett-Verlags, in denen ein Junge mit Wigwam die Schüler durch die Aufgaben führt, kritisiert die Politikwissenschaftlerin. Heißt es sonst immer, Deutschland müsse einen größeren Fokus auf Diversität legen, wird der Federschmuckträger von ihr als „stereotype“ Darstellung abgekanzelt.
„Es gibt viel zu hinterfragen und zu verlernen und es fällt denen leichter, die sich offen dafür zeigen“, führt Haruna-Oelker aus. Wer früh lerne, rassismuskritisch zu sein, dem falle es im Alter nicht mehr so schwer.
Indianer sind keine Opfer, sondern tapfer
Besser als das „I-Wort“ sei die Bezeichnung „Indigene“ im Sammelbegriff „BIPoC“, der nicht-weiße ethnische Gruppen umfaßt. Indigener zu sein, bedeute „so viel wie ‘in ein Land geboren’ und steht für die Erfahrung, durch kolonialen Raub vom Land verdrängt, verfolgt und ermordet worden zu sein und bis heute unterdrückt zu werden“.
Das Wort Indianer sei ihrer Ansicht nach ohnehin hinfällig, schließlich habe Christoph Kolumbus 1492 nicht Indien, sondern Amerika entdeckt. „Absurd also, warum dieser historische Irrtum bei gleichzeitig gewaltvoller Verharmlosung weitergeführt werden sollte.“
Gänzlich außen vor läßt Haruna-Oelker bei ihrer „I-Wort“-Jagd die Realität. Wenn sich Kinder als Indianer verkleiden, tun sie dies mit Stolz. Eltern, die ihren Sohn oder ihre Tochter mit den Worten „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ trösten, verweisen auf die Tapferkeit der Ureinwohner. Wo auch immer der Begriff auftaucht, schwingt Bewunderung mit. Ob die stolzen „Rothäute“ statt des Heldensockels das Opferetikett wählen würden, ist fraglich.