An jedem Kadaver das gleiche Spiel. Der Löwe brüllt und legt die Pranke auf seins, Hyänen und Geier streiten um den Rest. Hat der Souverän seine Stimme in die Wahlurne gehaucht, geht es um die Verteilung der Beute. Was greifen sich Sozialdemokraten, was Grüne, und was bleibt am Ende der Nahrungskette? Zwar wichtige Fragen für die Akteure, den Bürger dürfte allerdings die Bundespolitik der nächsten Jahre interessieren. Hier sollte er sich schon einmal auf Magerkost einstellen.
Das von Sozialdemokraten, Grünen und FDP veröffentlichte Sondierungspapier klammert wichtige Schicksalsfragen aus. Euro-Rettungspolitik? Wird nicht erwähnt. Schutz der Grenzen vor illegaler Masseneinwanderung? Es sei Aufgabe, „das Sterben auf dem Mittelmeer genauso wie das Leid an den europäischen Außengrenzen zu beenden“. Soll heißen? Fragezeichen über Fragezeichen häuft so das zwölfseitige Papier an, das vor allem den Verdacht nährt: Die wissen auch nicht, was zu tun ist.
Was ist mit den Corona-Maßnahmen?
Die Leerstellen zeugen eher nicht von Kämpfen hinter den Kulissen, sondern von politischer Ideenlosigkeit. „Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Hierzu werden wir zu einem ‘Bündnis bezahlbarer Wohnraum’ mit allen wichtigen Akteuren einladen.“ Ja, und dann? Schön, daß wir darüber geredet haben? „Im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren Energien werden wir ein neues Strommarkt-Design erarbeiten.“ Und dann wird alles billiger?
Was ist mit Covid-19? Maßnahmen aufheben, verschärfen, so lassen? Keine Antwort. Hier wird es wohl die meisten enttäuschten Gesichter geben. Der Stimmenzuwachs der FDP gerade bei jungen Wählern hängt mit dem Ruf zusammen, Liberale stünden für Bürgerrechte. Publikumswirksam durfte entsprechend Fraktionsvize Wolfgang Kubicki herumpoltern. „Das Grundgesetz gilt auch in der Pandemie.“ Zumindest das Grundgesetz des Marketings, demnach es keine schlechten, sondern nur schlecht beworbene Produkte gibt.
Tatsächlich ist der FDP die Fähigkeit einer „Freiheitspartei“ längst abhanden gekommen. Jedes einzelne Bürgerrecht wurde in der Geschichte durch Mut ertrotzt – und meistens durch Mutlosigkeit verloren. Die Truppe um Christian Lindner treibt aber vor allem die Sorge um, irgendwann am Buffet auszurutschen und sich auf der Speisekarte wiederzufinden. Bei drohendem Ungemach wirft sie dann schon mal den eigenen Mann aufs Tablett, wie der thüringische Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich erfahren mußte.
FDP? Rebellisch nur auf Twitter
Rebellisch wird sie nur bei der Aussicht, in der nächsten Legislaturperiode neben der AfD sitzen zu müssen. Übrigens die einzige Bundestagsfraktion, die mit allen parlamentarischen Mitteln einschließlich eines Organklageverfahrens versuchte, das Bevölkerungsschutzgesetz und seine Neuauflagen zu stoppen.
Die FDP enthielt sich dagegen im Parlament ihrer Stimme, wie sie überhaupt vornehme Zurückhaltung übt, wenn es jenseits von Talkshow und Twitter um die Verteidigung unserer Freiheit geht.
Eine klare Duftmarke der Liberalen – und einzige konkrete Textpassage – findet sich in der Rentenreform. Unser kollabierendes Rentensystem soll durch Kapitaldeckung gestützt werden. „Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von zehn Milliarden Euro zuführen.“ Später soll diese ihre Reserven reguliert anlegen können. Nur wer soll hier wen stützen, wenn die Weltwirtschaft vor der größten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg steht?
Umweltzerstörung durch grüne Ideologie
Wie überhaupt mit dem gewaltigen Trümmerhaufen umgehen, den die Bundeskanzlerin hinterlassen hat? Allgemeine Ratlosigkeit bei SPD, Grünen und FDP, durch banale Füllsätze überkleistert: „Staatliches Handeln soll schneller und effektiver werden und wirtschaftliche wie gesellschaftliche Innovationsprozesse befördern.“ Wichtige Probleme liegen für die Regierungspartner in spe sowieso woanders.
Mit Tremolo in der Stimme sehen sie es „als unsere zentrale gemeinsame Aufgabe, Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen“. Klima, Klima über alles. Zwei Prozent des Bodens sollen mit Windrädern übersät werden. Brachiale Umweltzerstörung durch grüne Ideologie, das hat was. Trotz Sieg auf ganzer Linie Nörgelei aus dem eigenen Lager. „Kein verbindlicher Kohleausstieg, kein realistischer, gerechter CO2-Preis, kein Ende der Flächenversiegelung“, schimpfte Grünen-Politikerin Luisa Neubauer vorbeugend.
Vielleicht, weil so etwas mit Windparks und Solarzellen nicht möglich ist? Doch wann interessierten Prediger des Weltgerichts jemals die realen Verhältnisse. Statt dessen beschäftigt sich das Papier mit linken Pseudoproblemen. Entsprechend geloben SPD, Grüne und FDP, „in allen Bereichen“ gegen „Rassismus“ vorzugehen. Dazu gehört auch, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu tilgen. Was uns künftig das Doppel-Denk abverlangen wird, überall „Rassismus“ zu wittern, ihn aber nicht beschreiben zu dürfen.
„Niemand wird ins Bergfreie fallen“
Wahrscheinlich muß man für diesen und ähnlichen Unfug jung sein. „Wir wollen die Europäische Union stärken, um Deutschland zu stärken. Wir werden deshalb deutsche Interessen im Lichte der europäischen Interessen definieren.“ Entsprechend soll das Wahlalter auf sechzehn Jahre abgesenkt werden. Und wenn „wir ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht schaffen“ wollen, dürfte dahinter gleichfalls der Wunsch stehen, sich künftige Mehrheiten zu sichern.
Bei Herabstufung des Wahlrechts auf Ramschniveau wird dann auch nicht auffallen, daß Deutschland nicht mehr in der Lage ist, halbwegs unfallfrei freie und geheime Wahlen durchzuführen. Schon alleine, weil der linksautoritäre Kampf gegen „Desinformation, Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen“ fortgesetzt wird. Genug Potential also für die Freien Demokraten, damals noch Gegner des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, sich als Witzfiguren zu präsentieren.
Keine Ahnung also, wohin es geht, aber der ideologische Klimbim klappt schon ganz gut, einschließlich geheimnisvoller Weissagungen („Niemand wird ins Bergfreie fallen“). Schöner hätte das auch Angela Merkel nicht sagen können. Und mehr ist auch nicht zu erwarten.
JF 43/21