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Bundestagsausschüsse: Kein Vorsitz für die AfD: Der nächste Akt im Schmierentheater

Bundestagsausschüsse: Kein Vorsitz für die AfD: Der nächste Akt im Schmierentheater

Bundestagsausschüsse: Kein Vorsitz für die AfD: Der nächste Akt im Schmierentheater

Plenum
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Plenarsaal im Reichstag: Parlamentarische Gepflogenheiten verkommen zum Schmierentheater Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Bundestagsausschüsse
 

Kein Vorsitz für die AfD: Der nächste Akt im Schmierentheater

Für die Koalition gebe es bei der Seuchenbekämpfung „keine roten Linien“ betont Kanzler Scholz immer wieder. Bei der Schleifung parlamentarischer Minderheitenrechte erkennbar auch nicht, wie die Ablehnung der AfD-Kandidaten als Ausschußvorsitzende im Bundestag zeigt. Im Kampf gegen die Partei ist offenbar alles erlaubt. Ein Kommentar.
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Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt nannte Politik eine Art „Kampfsport“. Danach bestimmen Boxen, Karate, Judo oder Ringen die tägliche Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition. Im Wettkampf mit dem politischen Gegner ging es dem Sozialdemokraten alter Schule stets darum, im Rahmen der Regeln zu gewinnen und den Gegner zu übertreffen. Mit anderen Worten: fair play.

Von diesem Prinzip hat sich die vom Schmidt-Bewunderer Olaf Scholz geführte Ampel-Koalition bereits eine Woche nach Amtsantritt verabschiedet. Alle drei Kandidaten der AfD für den Vorsitz im Innen-, im Gesundheits- und im Entwicklungsausschuß wurden mit großer Mehrheit abgelehnt. Obwohl der Fraktion die Sitze laut Geschäftsordnung zustehen.

Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP haben mit der 70jährigen Tradition gebrochen und eine geheime Wahl der Vorsitzenden durchgesetzt. Zu Beginn der vergangenen Wahlperiode waren die von der AfD benannten Kandidaten noch von der Bundestagsmehrheit, wenn auch zähneknirschend, ohne Wahl akzeptiert worden. Deren scheinheilige Vorbehalte etwa gegenüber dem Kandidaten für den Innenausschuß, Martin Hess, ein langjähriger Polizeihauptkommissar, entlarven sich von selbst.

Willfähriger Beifall von der Union

Der AfD-Mann dürfe als Mitglied einer teilweise vom Verfassungsschutz beobachteten Partei keine sicherheitsrelevanten Informationen erfahren. Welch eine bewußte Irreführung, werden doch alle Ausschußmitglieder von den Nachrichtendiensten unterrichtet, der Vorsitzende vielleicht zeitlich etwas früher. Nebenbei bemerkt fiel der AfD der Zugriff auf den Innenausschuß nur deshalb zu, weil der bei der Kabinettsbildung leer ausgegangene Grüne Anton Hofreiter auf den Europaausschuß bestanden hatte.

Durch die Nichtwahl von Hess kommt die langjährige Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau zu weiteren parlamentarischen Ehren. Als dienstälteste Abgeordnete wird das ehemalige SED-Mitglied den Innenausschuß vorerst leiten. Sicherheitsbedenken gegen die frühere DDR-Freundschafts-Pionierleiterin bestehen nicht. Ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz liegt lange zurück. Das Scheitern von Hess sei „zu akzeptieren“, sagt sie.

Die Total-Ablehnung aller AfD-Kandidaten zeigt, es geht in Wahrheit nicht um den Einzelfall Hess, sondern um einen Frontalangriff auf die Rechte der Oppositionsfraktion AfD. Die Mehrheit, also Links-Gelb unter willfährigem Beifall von CDU/CSU und Linken, gegen die Minderheit AfD.

Erster Akt des Schmierentheaters. Es begann bereits kurz vor der Bundestagswahl 2017. Da ahnten die etablierten Parteien, daß die AfD den Einzug ins Parlament schaffen würde und möglicherweise berechtigten Anspruch auf das protokollarisch nicht allzu wichtige Amt des Alterspräsidenten anmelden könnte. Also änderten sie im Schnellverfahren die Geschäftsordnung des Bundestages.

Parlamentsgeschäftsordnung zählt nicht

Nicht der Parlaments-Älteste, der AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg, eröffnete die konstituierende Sitzung des Bundestages, sondern der Dienstälteste, der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms. Eigentlich wäre dies Wolfgang Schäuble gewesen, der aber als Parlamentspräsident vorgesehen war. Daß er als Alterspräsident seine eigene Wahl zum Bundestagspräsidenten moderiert, diese Peinlichkeit wollte man sich ersparen.

Zweiter Akt des Schmierentheaters. Alle sieben AfD-Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten wurden seit 2018 in geheimer Wahl abgelehnt. Zuletzt Michael Kaufmann, ein habilitierter Ingenieur aus Thüringen. Dafür nahmen beruflich gescheiterte Existenzen auf dem Präsidentenstuhl Platz wie die Grünen Politikerinnen Claudia Roth oder Katrin Göring-Eckardt.

Und es hat sich noch etwas verändert seit 2017. Hatte sich die Mehrheit zunächst noch mit der Person des AfD-Kandidaten befaßt, etwa 2018 mit Albrecht Glaser, werden die Bewerber längst ohne Ansehen ihrer Person abgelehnt. Die bloße AfD-Mitgliedschaft reicht, um die Oppositionsfraktion auszugrenzen. Die Parlamentsgeschäftsordnung zählt nicht. Das ist politisch verwerflich und juristisch fragwürdig.

Nicht-Antworten als Antwort

Dritter Akt des Schmierentheaters. Die Bundesregierung reagiert auf Kleine und Große Anfragen der AfD oft nur formal, die Antworten sind so nichtssagend und bedeutungslos, daß das Kontrollrecht einer parlamentarischen Minderheit leerläuft.

Vierter Akt des Schmierentheaters. Es gibt ernsthafte Überlegungen, der AfD nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung Gelder zu verweigern, obwohl die anderen Parteien sich seit Jahren ohne gesetzliche Grundlage kräftig aus dem Steuertopf bedienen; von der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU bis zur Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken.

Statt Ex-Polizeihauptkommissar Hess jetzt also Ex-SED-Frau Pau als Vorsitzende des Innenausschusses. Für die Koalition gebe es bei der Seuchenbekämpfung „keine roten Linien“ betont Kanzler Scholz immer wieder. Bei der Schleifung parlamentarischer Minderheitenrechte erkennbar auch nicht.

Hier beschreiten die Ampel-Partner einen gefährlichen Weg, unter dem Beifall von CDU und CSU, die zurückfallen in den Status einer Blockpartei aus den Anfangsjahren der DDR. Wo bleibt aktuell die rote Linie des Rechtsstaates, wo bleibt die Chancengleichheit der Parteien? Egal, im politischen Kampf gegen die AfD ist offenbar alles erlaubt, auch die Verletzung parlamentarischer Minderheitenrechte. Politischer Kampfsport 2021.

Plenarsaal im Reichstag: Parlamentarische Gepflogenheiten verkommen zum Schmierentheater Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
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