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„hart aber fair“: Freisein war schöner

„hart aber fair“: Freisein war schöner

„hart aber fair“: Freisein war schöner

Hart aber fair
Hart aber fair
Ausschnitt aus der Sendung „hart aber fair“-extra zur Coronakrise Foto: ARD-Mediathek
„hart aber fair“
 

Freisein war schöner

Es ist das alles überlagernde Thema: Corona. Bei „hart aber fair“ ging es auch um die massiven Freiheitseinschränkungen, die der Kampf gegen das Virus mit sich bringt. Dabei zeigt sich: Bis zu einer wirkungsamen Herden-Immunität mag es noch ein weiter Weg sei, mit der Herden-Mentalität klappt es hingegen schon ganz gut.
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Es ist das allgegenwärtige, alles überlagernde, uns alle fest im Griff habende Thema: Corona. Bei „hart aber fair“ wurde am Montag abend über einen Aspekt der Krise gesprochen, der momentan fast nur eine Nebenrolle spielt: die massiven Freiheitseinschränkungen, die der Bevölkerung im Kampf gegen das Virus derzeit auferlegt werden.

Wer gehofft hatte, daß diese Beschneidung unserer Grundrechte zumindest aus Expertensicht eindeutig das ultimative Mittel der Wahl sei, wurde gleich zu Beginn der Sendung eines Besseren belehrt. Denn selbst der eingeladene Virologe Hendrik Streeck gesteht: Auch die Fachleute wüßten momentan „alle nicht, was der richtige Weg ist“. Man würde „erst mal mit dem Hammer drauf hauen“, um dann daraus vielleicht einen Weg „kreieren“ zu können, mit dem die Pandemie zu kontrollieren sei. Sein erster Gedanke bei der Einführung der Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen sei deshalb auch keineswegs „endlich!“ gewesen.

Ganz anders die Fachkrankenpflegerin einer Intensivstation der Uniklinik Düsseldorf, Stefanie Büll. Sie sei zwar keine Expertin, sagt sie, habe sich das Kontaktverbot aber regelrecht „herbeigesehnt“. Was die staatlich verordneten Maßnahmen für einige der betroffenen Menschen ganz konkret bedeuten, zeigte ein zuvor in der ARD ausgestrahlter Dokumentarfilm.

Schwere emotionale Belastungen

Am Beispiel eines Seniorenpaares, bei dem der Ehemann der einzige Mensch ist, den seine schwer an Parkinson erkrankte Frau noch erkennt, wurde deutlich, was für eine schwerwiegende emotionale Belastung die jetzt geltenden Besuchsverbote in den Altenheimen für viele der Bewohner und ihre Angehörigen darstellen. Die Macher des Films sprachen auch mit Obdachlosen, die nun oft nicht mehr wissen, wo sie schlafen sollen und nicht mehr duschen können, weil entsprechende Einrichtungen geschlossen wurden.

Ebenfalls ein Thema in der Doku: Beerdigungen, auf denen Angehörige wegen der geltenden Seuchenschutzbestimmungen keinen Abschied mehr von ihren Verstorbenen nehmen können, ja sich nicht einmal mehr tröstend in den Armen nehmen dürfen.

Bei der Diskussion im Studio verstärkte sich unterdessen ein Eindruck, den man schon während der Debatte im Vorfeld – sofern es sie überhaupt gab – gewinnen konnte. Vielen der selbsternannten Retter der Menschheit scheint das allzu Menschliche bei ihrer Mission eher lästig zu sein. Vom „Durchgreifen“ gegen die „Unbelehrbaren“, die sich nicht diszipliniert an die Anweisungen der Regierenden halten, ist da die Rede.

„Der Staat darf eine ganze Menge“

Stephan Pusch (CDU), Landrat aus dem nordrhein-westfälischen Heinsberg, bläut den Bürgern ein: „Abstand halten, Abstand halten und nochmal Abstand halten!“ Als die zugeschaltete Gesundheitsministerin von Rheinland Pfalz, Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), sagte: „Es wird sich nicht umgehen lassen, natürlich auch mal ein Kind im Kindergarten in den Arm zu nehmen“, wirkte das ehr beunruhigend als beruhigend.

Wie lange die Aussetzung unserer Grundrechte bestand haben soll, kann keiner in der Runde sagen. Im Grundgesetz stehe hierfür keine Frist, sagt der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam. Wichtig sei aber: „Der Staat darf eine ganze Menge“ in diesen Zeiten. Man solle sich der Schwere der Einschränkungen aber bewußt sein.

In wieweit diese Mahnung bei den Verantwortlichen aber auch bei der Bevölkerung selbst Gehör finden wird, bleibt nach dem gestrigen Abend erst einmal fraglich. Eine Umfrage zeige, daß 95 Prozent der Bundesbürger die Ausgangsperren und Kontaktverbote befürworten, läßt der Moderator seine Gäste im Studio und die Zuschauer zuhause wissen. Lediglich drei Prozent würden sich gegen die massiven Freiheitseinschränkungen aussprechen.

Herden-Mentalität

Dabei weist ausgerechnet der Virologe in der Runde darauf hin, daß man bei der Verlangsamung der Ausbreitung des Virus auf keinen Fall „zu erfolgreich“ sein dürfe. Zur Überwindung der Pandemie sei die sogenannte Herden-Immunität ein ganz entscheidender Faktor. Einer, den das Heer der stolzen #WirBleibenZuhause-Rufenden noch immer nicht wahrhaben will – oder von dem es gar nicht weiß, was es damit auf sich hat.

Nämlich: Je flacher die Kurve der Neuinfektionen verläuft, um so länger braucht es, bis sich in der Bevölkerung das Virus so ausgebreitet hat, daß seine Weitergabe von Mensch zu Mensch von selbst zurückgeht, da immer mehr infizierte und wieder genesene Bürger immun sind. Die nahezu geschlossene und weitgehend bedingungslose Zustimmung zu Kontaktverbot und Ausgangssperre zeigt aber immerhin: Auch wenn es bis zu einer wirkungsstarken Herden-Immunität noch ein weiter Weg ist, mit der Herden-Mentalität klappt es in Deutschland zumindest schon mal ganz gut.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, schwärmt derweil davon, daß die Menschen sich wieder Briefe schreiben würden. Sicherlich eine schöne Sache. Solange die Umschläge vor dem Abschicken zum Verschießen nicht ableckt werden. Briefe schreiben darf man allerdings auch im Gefängnis. Freisein war trotzdem immer irgendwie schöner.

Ausschnitt aus der Sendung „hart aber fair“-extra zur Coronakrise Foto: ARD-Mediathek
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