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Parlamentswahl in Großbritannien: Satter Sieg im Nebel

Parlamentswahl in Großbritannien: Satter Sieg im Nebel

Parlamentswahl in Großbritannien: Satter Sieg im Nebel

Boris Johnson
Boris Johnson
Boris Johnson: Mehrere offene Fragen Foto: picture alliance / empics
Parlamentswahl in Großbritannien
 

Satter Sieg im Nebel

Boris Johnson wird von seiner Partei als Sieger, ach was, als einer der größten Premierminister der vergangenen hundert Jahre gefeiert. Bei näherem Hinsehen stellen sich jetzt allerdings Fragen, die den Glanz des Sieges dämpfen. Ein Kommentar von Jürgen Liminski.
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Es ist das große Schulterklopfen. Boris Johnson wird von seiner Partei als Sieger, ach was, als einer der größten Premierminister der vergangenen hundert Jahre gefeiert. Um seine historische Bedeutung zu bemessen, wird man noch abwarten müssen. Bisher ist er, das kann man schon sagen, ein großartiger Wahlkämpfer.

Bei näherem Hinsehen ist es, trotz 364 von 650 Sitzen, ein satter Sieg im Nebel. Denn es stellen sich jetzt Fragen, die den Glanz des Sieges dämpfen: Wann und wie kommt der Brexit? Was passiert mit Schottland, vielleicht auch mit Wales? Wie geht es weiter mit der britischen Sozialdemokratie? Und dann eine Frage am Rand für das deutsche Raumschiff: Wie wollen sich die deutschen Journalisten, insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten, von diesem Schock erholen?

Zunächst die Medienfrage. In den drei, vier Tagen vor der Wahl war Erleichterung bei den Klebers und Co zu spüren. Die Labour Partei holte in den Umfragen auf, fast war sie schon auf imaginärer Augenhöhe. Aber Umfragen können auch blinde Flecken offenbaren, wie das Ergebnis zeigte. Der Wunsch nach einem Sieg von Labour war wieder mal der Vater vieler Kommentare. Die Enttäuschung über die Wirklichkeit dürfte heute und in den nächsten Tagen an den Gesichtern abzulesen sein. Das betreute Denken hat einen Rückschlag erlitten.

Die Internationale verhallt in leeren Sälen

Das umso mehr, als die Sozialdemokratie in Europa mit dieser britischen Niederlage sich weiter im Nebel der Geschichte verliert. Jeremy Corbyn wird zurücktreten und den Sündenbock geben (müssen). Seine Partei zahlt den Preis des Lavierens zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Zukunft verheißt die Sozialdemokratie jedenfalls nicht mehr. Die Internationale verhallt in leeren Sälen.

Nur da, wo Sozialdemokraten die Migranten nicht als das neue Proletariat sehen, das es immer und überall – auch gegen die eigene Bevölkerung – zu unterstützen gilt, da zeitigt sie noch Erfolge, siehe Dänemark und generell Skandinavien. Das hat man in Brüssel noch nicht begriffen.

Und der Brexit? Trotz der komfortablen Mehrheit im Unterhaus wird es für den strahlenden Sieger kein Sonntagsspaziergang. In einem Jahr ein Freihandelsabkommen mit der EU auszuhandeln ist schon recht sportlich, zumal man in Brüssel jetzt wieder beleidigt die Nase rümpft über die britischen Wähler.

Und was passiert zwischen Ende Januar – dem Datum des offiziellen Austritts – und dem Abschluß des Freihandelsabkommens? Muß zur Vermeidung von Chaos nicht doch das Ende der Verhandlungen abgewartet, mithin der Austritt weiter verschoben werden? Das letzte Kapitel im Brexit-Buch könnte doch dicker werden als es das Wahlergebnis vermuten läßt.

Schrulligkeit mancher Nationen machen den Reichtum Europas aus

Schließlich viertens: Der große Boris Johnson könnte auch unvermutet ein großer Pyrrhus werden. Die Schotten werden einen Austritt aus der EU nicht so ohne weiteres hinnehmen und es auf ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands anlegen. Auch in Wales gewinnen die Befürworter der Unabhängigkeit an Boden, aber für ein Referendum reicht es noch lange nicht.

Anders die Schotten. Sie haben schon vor der Wahl mit dem Referendum gedroht und das wird auch kommen. Ergebnis offen. Boris Johnson könnte für Großbritannien am 12. Dezember 2019 einen Pyrrhus-Sieg eingefahren haben.

Wie immer es weitergeht: Die Mehrheit der Briten hat von Brüssel die Nase voll, aber irgendwie müssen sie mit dem Kontinent zurechtkommen. Der deutsche Frühromantiker Novalis hatte wohl recht, als er sagte: „Die Briten sind jeder für sich eine Insel“. Warum sollen sie nicht so bleiben dürfen?

Die Schrulligkeit und Eigenheiten mancher Nationen machen den Reichtum Europas aus. Sie sind auf jeden Fall sympathischer als das normierende Einheitsdenken in gut dotierten Amtsstuben und Redaktionen.

Boris Johnson: Mehrere offene Fragen Foto: picture alliance / empics
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