Wenn ein Außerirdischer die Erde besuchte und man ihn fragte, was die wichtigsten Kultstätten der Erdlinge seien, er gäbe wohl zur Antwort: die Fußballstadien. Nirgendwo sind mit solcher Regelmäßigkeit so viele Menschen in einem dermaßen erregten Zustand versammelt wie in diesen modernen Amphitheatern. Wer dort hineinschaut, müßte also durch ein Vergrößerungsglas auf die Gesellschaft blicken.
Es ist nicht lange her, da war das Fußballstadion ein Ort von männlichem Kampf und diskriminierendem Triumph, umgeben von sich gegenseitig niederbrüllenden Fanblöcken. Auf dem Platz imitieren schließlich Männer das archaische Jagdrudel und kämpfen gegen ein anderes Rudel, während die Ränge den Ort der parteinehmenden Enthemmung und der Triebabfuhr bilden. Das Stadion gehörte zu den raren Klausuren, wo der von Verhaltensvorschriften und Tabus umstellte moderne Mensch noch die Freiheit genoß, sich danebenzubenehmen, zu fluchen, zu höhnen und dem Gegner unzivilisierte Beleidigungen zuzubrüllen.
In den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren hat sich das grundlegend geändert. Das Fußballpublikum sank hernieder zum pädagogischen Betreuungsobjekt. Wie der „Tatort“, die „Tagesschau“ oder die abendliche Talkrunde ist die populärste aller Sportarten inzwischen Teil eines sozialen Erziehungsprogramms: „Antirassismus“-Kampagnen, Kampf „gegen Rechts“, Vielfaltsbekenntnisse von Nationalspielern, Umbenennung der Nationalmannschaft, „deeskalierende“ Kinder an der Seite der Spieler vor dem Match, und so fort. Auch der penetrante Versuch, den Frauenfußball als gleichwertig zu etablieren, gehört hierzu.
Keiner leistet sich mehr eine womöglich falsche Meinung
Entsprechend domestiziert und wesensvereinheitlicht wirken die Spieler. Keiner leistet sich mehr eine womöglich falsche Meinung. Vorbildliche Kickerstatements klingen wie jenes von Alexander Nübel, neuer Kapitän von Schalke 04, der die Äußerungen seines Vereinspräsidenten über die hohe afrikanische Reproduktionsfreudigkeit mit den Worten kommentierte: „Daß man das, was Herr Tönnies gesagt hat, nicht sagen, und auch nicht einmal denken darf, ist in meinen Augen unstrittig.“
Der Fußball steht hier nur als Pars pro toto. Die volkspädagogische moralische Erpressung dringt mit jedem Jahr weiter bis in die letzten Winkel der Gesellschaft. Bibliotheken werden gesäubert, Lehrpläne bis in die Mathe-Textaufgaben geschlechtergerecht und kultursensibel umgeschrieben, ständig steht irgendein Prominenter wegen eines falschen Wortes am Pranger, oder ein Unternehmen wird wegen einer angeblich sexistischen, rassistischen, am traditionellen Familienbild orientierten Werbung boykottiert.
Die Sprache wird „geschlechtergerecht“ verunziert. Auf korrekten Werbeplakaten lachen uns in permanenter Quotenübererfüllung Afrikaner*innen und Oriental*innen an; in Kino und TV verfolgen derweil Frauen Verbrecher (= Männer), kämpfen in historischen Kostümen mit Schwertern gegen böse Männer oder machen Erfindungen, die dann böse Männer als ihre eigenen ausgeben.
Tugendterror der Weltklimakirche
Das ist aber alles Pillepalle neben dem Tugendterror, mit dem die grüne Weltklimakirche ihr neues Reich absteckt. Der gewünschte Bürger der Zukunft ernährt sich vegetarisch, fliegt nicht, wohnt auf wärmeisoliertem und artgerecht minimiertem Raum, benutzt öffentliche Verkehrsmittel, zahlt gern direkte und indirekte Steuern, hat möglichst wenige Kinder und ist so tolerant, daß er die Erwähnung der Herkunft eines Vergewaltigers für schlimmer hält als die Vergewaltigung selbst (sofern es kein Weißer ist).
Eine Zivilisation wird verrückt gemacht. Wir erleben die Geburt einer neuen Weltreligion, mit Prophetin, Geistlichkeit, Moralkodex, Bußprozessionen, Absolutionsangeboten und ordensartigen Ablegern. Ganz vorn mit dabei sind protestantische Funktionäre, denn die suchen längst nach innerweltlicher Erlösung. Daß die grünen Pfaffen die größten Vielflieger sind, beweist eine gewisse kirchengeschichtliche Konstanz.
Auffällig ist freilich, daß nur der westliche weiße männliche Teil der Menschheit erzogen werden muß. Die Bevölkerungsexplosion und die Frauenfeindlichkeit in Afrika bleiben so unbeplärrt wie das alljährliche Tiergemetzel zum muslimischen Opferfest oder der Rassismus, Sexismus und Antisemitismus vieler Migranten, besonders an den Schulen, den Petrischalen der Zukunft. Es gibt dafür einen simplen Grund: Wo nichts zu holen ist, wird auch nicht moralisiert. Moralisches Fracking läuft so, daß unter hohem Druck Schuldgefühle in die Gesellschaften gepreßt werden, aus denen sich Geld herausspülen läßt.
Kulturmarxismus ist die Scharia der grünen Religion
Diese Moralkampagnen bedienen nicht nur ein religiöses Bedürfnis vieler Menschen im Westen, sie fungieren zugleich als Begleitpropaganda zum Umbau der Gesellschaft. Gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung erklärte Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und langjähriger IPCC-Mitarbeiter im November 2010 (es ist nicht so, daß wir nicht gewarnt worden wären): „Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um.“
Damit wäre die Dimension umrissen. Das Irritierende an diesem Prozeß ist, daß er ohne ein erkennbares Steuerungszentrum abläuft und sich dezentral in fast allen Soziotopen ausbreitet. Darin ähnelt er einem anderen global ausgreifenden missionarischen Glauben. Der Kulturmarxismus ist gewissermaßen die Scharia der grünen Religion. Es ist folgerichtig, daß der Rechtspopulismus konträr zu den beiden religiösen Totalitarismen steht. Die interessante Frage lautet: Wie werden beide künftig zueinander stehen?