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Interview mit Martin Sellner: Martin Sellner: „Wir werden als Kriminelle dargestellt“

Interview mit Martin Sellner: Martin Sellner: „Wir werden als Kriminelle dargestellt“

Interview mit Martin Sellner: Martin Sellner: „Wir werden als Kriminelle dargestellt“

Martin Sellner
Martin Sellner
Martin Sellner: „Der neue Totalitarismus ist ‘sanft’ und versteckt“ Foto: picture alliance/APA/picturedesk.com
Interview mit Martin Sellner
 

Martin Sellner: „Wir werden als Kriminelle dargestellt“

Seine Idee war ein „Greenpeace von rechts“. Doch seit Jahren wird Martin Sellner mit medialen Lügen, Antifa-Terror, vorgeschobenen Anklageverfahren und nun Deplatforming im Internet überzogen: Wie eine oppositionelle Stimme systematisch mundtot gemacht wird. Ein Interview von Moritz Schwarz.
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Seine Idee war ein „Greenpeace von rechts“. Doch seit Jahren wird Martin Sellner mit medialen Lügen, Antifa-Terror, vorgeschobenen Anklageverfahren und nun Deplatforming im Internet überzogen: Wie eine oppositionelle Stimme systematisch mundtot gemacht wird.

Herr Sellner, sind Sie ein Dissident?

Martin Sellner: Ja.

Wikipedia definiert das als „unbequeme Andersdenkende in Diktaturen, die wagen, laut ihre Meinung zu sagen“.

Sellner: Wir leben nicht in einer Diktatur, doch gibt es Übereinstimmungen etwa mit der DDR, mit deren Akten ich mich auch beschäftigt habe. 

Zum Beispiel? 

Sellner: Wenn Rechtsextremismusexperten sagen, das „Problem“ sei, daß unsere Identitäre Bewegung „noch nicht im strafrechtlichen Bereich“ agiere, man sie also nicht belangen könne, und daher andere Wege gefunden werden müßten, uns kleinzuhalten, dann ist das nicht nur ein Skandal, sondern entspricht auch Formulierungen der Stasi, daß gewisses „unerwünschtes Verhalten“ leider nicht justitiabel sei und daher auf andere Weise unterbunden werden müsse.

Sie meinen die Strategie der „Zersetzung“?

Sellner: Ja, wobei die Methoden in der Bundesrepublik und Österreich definitiv noch nicht so repressiv wie in der DDR sind – doch bewegen wir uns darauf zu!

Sie sprechen diesbezüglich oft von einem „Tiefen Staat“ , das klingt sehr ideologisch. 

Sellner: Damit meine ich den Komplex aus etablierter Politik und Medien, der die demokratischen Bürgerrechte immer mehr aushöhlt. Als wir 2012 die IB gründeten, war das auch eine Art Demokratieprobe. Denn es hieß, Problem rechter Jugendgruppen im vorpolitischen Raum sei ihre antidemokratische und gewaltaffine Ausrichtung – was häufig auch zutraf. Wir stellten fest, daß es auf der rechten Seite des politischen Spektrums kein Angebot für Jugendliche gab, sich auf demokratischer Grundlage aktivistisch, im Stil von Greenpeace, einzubringen. Die IB, mit ihrer klar demokratischen und gewaltfreien Ausrichtung, hätte also ebenso politisch akzeptiert werden müssen wie der linke Aktivismus. Doch diese Gleichbehandlung gab es nie. Statt dessen reagierte die Presse sofort mit maximaler Dämonisierung, die Politik mit maximaler Repression. 

Sellner: „Medien machen Angriffe auf uns zu Angriffen durch uns“ 

Der Verfassungsschutz attestiert der IB allerdings, „gesichert rechtsextrem“ zu sein.

Sellner: Liest man in dessen Bericht nach, finden sich allerdings gar keine Fakten dafür, sondern nur willkürliche Ableitungen wie, wer gegen Multikulti ist, leugne die Gleichheit der Menschen und also die Menschenwürde. Die JF selbst hat 2019 Ex-FDP-Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig mit Passagen zur IB aus dem Bericht konfrontiert. Sein Urteil: „So wie zitiert, ist die Argumentation … nicht akzeptabel.“ Das zeigt, der Verfassungsschutz wird mißbraucht und schützt statt der Verfassung die Regierung vor der Opposition – etwa in Form patriotischen Aktivismus’. Ein Staat aber, in dem eine politische Seite keine Möglichkeit zu demokratischem Aktivismus hat, ist keine funktionale Demokratie.

Anschlag auf Auto von Sellners Eltern
Anschlag auf Auto von Sellners Eltern Foto: Martin Sellner

Sagten Sie eben nicht, wir lebten nicht in einer Diktatur?

Sellner: Ja, es gibt freie Wahlen, Parlamente, eine institutionell unabhängige Justiz und damit Demokratie. Doch sind durch den Tiefen Staat ihre Grundlagen – Meinungs-, Demonstrations-, ja sogar Erwerbsfreiheit – so ausgehöhlt, daß Wahlen zwar frei, aber nicht mehr fair, Richter unabhängig von Weisungen, aber von massivem sozialen Druck bedroht sind. Gäbe es freie Meinungsäußerung und Meinungsbildung hätten wir andere Wahlergebnisse. Wir leben in einer Demokratie – aber sie ist dysfunktional.

Sie wollen sagen, wie im Sozialismus steht sie nur auf dem Papier? 

Sellner: Es ist etwas komplizierter. Der neue Totalitarismus ist „sanft“ und versteckt. Er verbirgt sich und ist ein Ergebnis der linken kulturellen Hegemonie. Diese beherrscht alle relevanten metapolitischen Institutionen wie Universitäten und Redaktionen. Jede ideologische Abweichung wird mit sozialer Ausgrenzung, Deplatforming oder gar linkem Terror geahndet. Die Opposition soll durch einen „Abnutzungskrieg“ und eine „Strategie der tausend Nadelstiche“ dazu gebracht werden aufzugeben, damit ein offenes Verbot nicht nötig ist.

Zum Beispiel? 

Sellner: Ein Mittel ist die Legitimierung der politischen Gewalt gegen die Opposition sowie deren gleichzeitige Dämonisierung durch Täter-Opfer-Umkehr. In unserem Fall haben die Medien von Anfang an jeden Angriff auf uns zu einem Angriff durch uns und so die Täter zu „Opfern“ und uns zu „Tätern“ gemacht. Jüngster Fall ist eine Attacke Vermummter während einer IB-Veranstaltung. Auf offener Straße aus einer von der SPÖ-Jugend veranstalteten Gegendemo heraus wurde dabei ein Lautsprecher gestohlen und vor aller Augen in der Demo der SPÖ-Jugend „in Sicherheit“ gebracht. Wir haben ihn lediglich zurückgeholt.

Doch unisono berichtet die Presse empört von einer IB-Attacke auf die SPÖ-Jugend. Auch als die Polizei Überwachungsaufnahmen veröffentlichte, welche die Attacke auf uns bewiesen, gab es keine Richtigstellungen. Bei einem anderen Angriff während einer Demo wurde ein Identitärer lebensbedrohlich am Kopf verletzt. Nicht einmal das hielt die Medien davon ab, die Opfer zu Tätern zu machen. Selbst Festnahmen Linker wurden uns schon untergeschoben. Meldung: „Identitäre demonstrieren gegen Asylmißbrauch. Sechs Personen festgenommen.“ Nur weil ein Journalist nachrecherchierte, mußte der ORF einräumen, daß die Verhafteten nicht zur IB, sondern zur Gegendemonstration gehörten. Für Aufsehen sorgten auch Schlagzeilen wie etwa in der Krone, dem österreichischen Pendant zur Bild: „IB-Chef schießt in U-Bahn um sich.“

„Verhalten der Presse war lebensgefährlich für mich“ 

Klingt wie ein Attentat oder Amoklauf. 

Sellner: Eben, tatsächlich aber wurde ich von einer Gruppe überfallen und mußte mich mittels einer Pfefferspraypistole wehren. Ich war gezwungen, in einem Medienverfahren gerichtlich feststellen zu lassen, daß es ein linksextremer Überfall war – was aber ein Jahr dauerte. Da war die Falschdarstellung aber schon lange riesengroß unters Volk gebracht worden. Der Ausgang dieses Verfahrens wurde dagegen gar nicht registriert.

2019 wurden Sie wegen Terrorismus und 2018 die IB wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Was haben Sie sich zuschulden kommen lassen? 

Sellner: Die Anklage 2018 beruhte auf zwei IB-Transparenten: „Islamisierung tötet“ und „Erdoğan hol deine Türken ham!“ sowie einer Störaktion an der Uni.

Einer von etlichen Mordaufrufen
Einer von etlichen Mordaufrufen Foto: Martin Sellner

Das reicht in Österreich, um eine „kriminelle Vereinigung“ zu sein?

Sellner: Natürlich nicht, was auch von Beginn an klar war. Ebenso bei der Terror-Anklage, erhoben, weil der mir völlig unbekannte spätere Attentäter von Christchurch 1.500 Euro gespendet hatte. Wohlgemerkt ein Jahr vor der Tat! Wofür er damals ein Standarddankschreiben mit dem Standardsatz erhielt, komme er nach Wien, könne man zusammen ein Bier trinken, was nie passierte. Dennoch überschlug sich die Presse: „Terrorspur führt nach Wien!“, „Auf ein Bier mit dem Terroristen!“, sein und mein Foto groß nebeneinander – damals war das lebensbedrohlich! Denn der Killer war unerreichbar in Haft. Es war nicht undenkbar, daß wütende Angehörige sich mit einem Mord an mir, dem vermeintlich „Mitverantwortlichen“, rächen würden. Dabei haben wir sogar eine Mahnwache für die Opfer von Christchurch gemacht, was die Medien aber natürlich nie erwähnten. Mittlerweile stellte das Gericht fest, daß niemals begründeter Terrorverdacht gegen mich bestand, und daher auch die Polizeirazzien gegen mich illegal waren. Freispruch gab es auch im anderen Prozeß, inklusive Feststellung des Richters, daß die IB eine legale Bewegung ist, die weder kriminellen Zielen dient, noch eine Verhetzung begangen hat. 

Warum die Anklagen, wenn absehbar war, daß Sie gewinnen? 

Sellner: Weil man uns so monatelang in den Medien als gefährliche Kriminelle und Terroristen darstellen konnte, was – im Gegensatz zu den kurz vermeldeten Freisprüchen – hängenbleibt. Weil uns jeder Prozeß wahnsinnig viel Geld und Zeit kostet, die wir dann nicht in politische Arbeit stecken können. Weil, um „Beweise“ zu sichern – die natürlich aber nie gefunden wurden –, unsere Computer und Telefone beschlagnahmt werden können. Wir bekamen sie Jahre später zurück. Aber man kann natürlich nicht so lange warten, muß also alles neu kaufen – was kostet! Doch sind auf den beschlagnahmten Geräten ja alle Daten: Stellen Sie sich vor, man nimmt Ihnen plötzlich sämtliche privaten, politischen und geschäftlichen Daten! 

Sie unterstellen also, die Verfahren dienten nicht der Rechtsfindung, sondern waren Mißbrauch, um Sie zu bekämpfen?

Sellner: So scheint es mir. Die Anklage „kriminelle Vereinigung“ war sogar so absurd, daß sie selbst von linken Politikern und Medien für abwegig erklärt wurde. 

Also quasi eine Art „Racial Profiling“ im großen Stil: Kontrolle nicht aus Verdachtsgründen, sondern weil die Nase nicht paßt.

Sellner: Genau so ist es. Wie gesagt, es ist ein „Abnutzungskrieg“, nur daß die Mittel des Staatsanwalts unbegrenzt sind. Dem ist egal, wenn er verliert. Die Kosten trägt der Steuerzahler. Uns aber kann ein langer Prozeß leicht ruinieren. 

Fazit: Das demokratische Versprechen, Verfassungstreue gegen politische Partizipation, ist ein leeres Versprechen? 

Sellner: So ist es. 

Angesichts linker Gruppen, die ihre Erfolglosigkeit gern als Argument nutzen, dadurch „gezwungen“ zu sein, Gewalt anzuwenden, drängt sich die Frage auf, warum Sie sich weiter verfassungstreu verhalten? 

Sellner: Weil das unser Anspruch und unser Prinzip ist. Und wir können sie zwar nicht zwingen, die Wahrheit über uns zu sagen, aber dazu bringen, immer absurder zu lügen! Da allerdings kommt das aktuelle Deplatforming ins Spiel. 

Sie meinen, die Löschung Ihrer Youtube-Kanäle im Sommer? 

Sellner: Ich bin inzwischen von 23 Plattformen gelöscht, darunter alle entscheidenden, wie Facebook, Twitter, Instagram, TikTok – allein mit Youtube habe ich 215.000 Abos und 38 Millionen Views verloren. Zudem Patreon, Paypal, Stripe und andere – was gezielt gemacht wird, weil im Internet Unterstützung und Spenden fast gänzlich über diese Plattformen laufen. Zurück zur Politik: Grundlage der Strategie „Wir können sie nicht zwingen, die Wahrheit zu sagen, aber immer absurder zu lügen“ war es, Medien und Politik per Social Media unsere Version der Dinge entgegenzustellen und so ihre Lügen öffentlich zu entlarven. Und um das zu verhindern, greift man nun zum Deplatforming.

Anonyme Verleumdung in Nachbarschaft
Anonyme Verleumdung in Nachbarschaft Foto: Martin Sellner

Das heißt, Sie sind seitdem als oppositionelle Stimme quasi tot? 

Sellner: Vorerst ja.

Aber Sie sind doch auf Telegram und Bitchute ausgewichen. Ist das kein Ersatz?

Sellner: Das sind zwar wichtige, doch nur Nischenplattformen, über die man die breite Öffentlichkeit nicht erreichen kann. Denn „jeder“ ist bei Youtube und Co. – das sind globale Monopole! Telegram und Co. können da nicht mithalten. Auf sie beschränkt zu sein, ist wie Redefreiheit in einem zugemauerten Keller.  

Was ist der Ausweg? 

Sellner: Derzeit nur der Rechtsweg.

In erster Instanz haben Sie soeben verloren. 

Sellner: Deswegen gehen wir in die zweite Instanz. Wenn wir auch die verlieren, geht es bis in die letzte. 

Sind Ihre Argumente so schwach? 

Sellner: Im Gegenteil, aber es ist klar, daß auch die Richter unter sozialem Druck stehen. Der „Kampf gegen Haß im Netz“ ist die rechtspolitische Maxime. Anders ist der kafkaeske Richterspruch in erster Instanz nicht zu erklären. 

Was wird Ihnen genau vorgeworfen?

Sellner: Keine Ahnung – da Youtube seinen „Haßrede“-Vorwurf ja niemals konkret begründet. Wir haben auch deshalb geklagt, um das zu erfahren, denn dem Gericht muß Youtube Auskunft geben. Vorgebracht wurden Passagen aus fünf meiner Videos: etwa äußere ich darin, daß in Schweden mit der Zuwanderung auch eine Zunahme der Vergewaltigungen einhergehe, kritisiere Multikulti oder spreche vom Großen Austausch.

„Urteil: Multikulti-Kritik ist keine Meinungsfreiheit“  

Was verstehen Sie unter dem Begriff?

Sellner: Einen langwierigen, großräumigen sozialen und demographischen Prozeß, der aus Geburtenschwund und Ersetzungseinwanderung resultiert. Der ist meiner Ansicht nach nicht zentral geplant und gesteuert, sondern das, teils unbewußte, Zusammenspiel zahlloser unterschiedlicher Akteure in Politik, Medien und Gesellschaft.

Also keine Verschwörungstheorie? 

Sellner: Die Verschwörungstheorie, wir betrachteten das wie eine Verschwörungstheorie, erzählen nur die Medien.

Warum haben Sie dann verloren?

Sellner: Laut Landesgericht ist der Große Austausch eine „nicht evidenzbasierte Theorie “ und kann als „Haßrede“ gelten. Zu Multikulti verwies das Gericht auf ein Präzidenzurteil von 2014, laut dem angeblich „ethnische Vielfalt Quelle der Bereicherung … keine Bedrohung ist“. Womit meine Kritik daran nicht mehr von der Meinungsfreiheit geschützt und Grund zur Löschung sei. 

Wie ist Ihre Chance in dritter Instanz? 

Sellner: Vor Gericht und auf hoher See ist man immer in Gottes Hand. Beides kenne ich nun. Wir bauen darauf, daß Youtube offensichtlich ein Monopol darstellt und es ein Verstoß gegen die Grundrechte ist, einzelne lebenslang von diesen entscheidenden Plattformen zu verbannen. Diese Frage wird aber am Ende der Oberste Gerichtshof klären. 

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Martin Sellner ist Sprecher der Identitären Bewegung in Österreich. Geboren 1989 in Wien, studiert er dort die Rechte und Philosophie.

JF 44/20

Martin Sellner: „Der neue Totalitarismus ist ‘sanft’ und versteckt“ Foto: picture alliance/APA/picturedesk.com
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