Nach den Demonstrationen in Chemnitz schlagen die politischen und medialen Wellen hoch. Viele zeichnen ein Bild von Sachsen als Hort des Rechtsextremismus. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Krauß widerspricht und stellt klar: Der Vorwurf, ein riesiger Lynchmob habe stundenlang Ausländer gejagt, ist falsch. Weder in Chemnitz noch anderswo in Sachsen gebe es rechtsfreie Räume.
Herr Krauß, hat Sachsen ein Rechtsextremismusproblem?
Alexander Krauß: Es gibt in Sachsen ohne Frage Rechtsextremisten. Wir haben auch ein Problem mit Rechtsextremismus, mit Linksextremismus übrigens ebenfalls. Was aber nicht geht, ist so zu tun, als sei jeder Sachse rechts oder gar rechtsextrem. Die Bilder der Demonstrationen in Chemnitz, egal ob von Linken oder Rechten, entsprechen nicht dem Bild unseres Freistaats.
Zu der Demonstration für das Todesopfer kamen laut Polizei immerhin 6.000 Teilnehmer.
Krauß: Unter denen auch Hooligans und Rechtsextremisten waren. Auf diese haben sich dann die Medien besonders fokussiert. Bei der von der Linkspartei angemeldeten Demonstration gab es auch Gewalt und Teilnehmer, die sich vermummt haben. Das wurde dann aber nicht so breit berichtet. Letztlich sollte uns allerdings nachdenklich machen, warum so viele Bürger, die ganz bestimmt keine Rechtsextremisten sind, sich einer solchen Demonstration anschließen. Denen muß man auch sagen: Mit diesen Leuten demonstriert man nicht und denen läuft man auch nicht hinterher.
„Wir haben eine gespaltene Gesellschaft“
Warum haben solche Proteste gerade in Sachsen so starken Zulauf?
Krauß: Wir haben sicherlich durch die Flüchtlingspolitik eine gespaltene Gesellschaft, und das nicht nur in Sachsen. Warum solche Demonstrationen gerade bei uns so viele Teilnehmer anziehen, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall spielt das Thema Ausländer bei uns eine größere Rolle als im Westen, schon allein weil fremd aussehende Menschen hier stärker auffallen und damit auch die negativen Seiten der Asylkrise wie zum Beispiel die Kriminalität. Das alles emotionalisiert die Menschen sehr. Ich frage mich allerdings auch, ob die Wellen genauso hoch geschlagen hätten, wenn in Chemnitz ein Deutscher einen Deutschen erstochen hätte.
Überall ist jetzt von den Protesten die Rede, das Opfer, ein junger Familienvater, gerät dabei in den Hintergrund.
Krauß: Das ist richtig. Eine angemessene Trauerveranstaltung ist kaum noch möglich, weil die Demonstrationen und die Berichte darüber alles überschatten. Wer ehrlich und aufrichtig seine Trauer zeigen will, hat nun fast keine Möglichkeit mehr dazu. Auch weil einige die schreckliche Tat instrumentalisieren und mißbrauchen.
Bundeskanzlerin Merkel hat die Proteste von Chemnitz verurteilt, aber keine Worte für das Opfer und seine Angehörigen gefunden. Ist das nicht ein Mißverhältnis?
Krauß: Die politische Dimension hatten nun mal die Demonstrationen. Ich bin mir aber sicher, daß der Tod des Opfers sowie dessen Angehörige die Kanzlerin nicht unberührt lassen. So etwas läßt schließlich niemanden kalt. Möglicherweise hätte sie dies aber auch öffentlich zeigen können.
„Es gab keinen riesigen Lynchmob“
Ministerpräsident Kretschmer sagt, Sachsen hat die Lage im Griff und Sachsen handelt. Ist das so, oder herrscht nicht vielmehr der Eindruck, er reagiert nur?
Krauß: Natürlich hat Sachsen die Lage im Griff! Jetzt, und auch davor. Es waren 600 Polizisten im Einsatz. Das waren rückwirkend gesehen möglicherweise zu wenige, dennoch hat die Polizei die Situation unter Kontrolle gehalten und eine mögliche Eskalation unterbunden. Es hat am Sonntag Fälle gegeben, bei denen es zu Übergriffen auf Migranten und ausländisch aussehende Personen kam. Das ist auf das schärfste zu verurteilen. Es ist aber auch nicht so, daß ein riesiger Lynchmob über Stunden hinweg in ganz Chemnitz Jagd auf Ausländer gemacht hätte. Das gab es nicht.
Seehofer bietet Sachsen Unterstützung durch die Bundespolizei an.
Krauß: Es ist in Ordnung, daß er das anbietet, aber hierfür besteht keine Notwendigkeit. Wie gesagt: Sachsen hat die Lage im Griff. Es gibt in Chemnitz keine rechtsfreien Räume und auch nicht anderswo im Freistaat.
Konsequent abschieben“
„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt meinte auf Twitter, die Bundespolizei müsse nach Chemnitz, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen.
Krauß: Das ist völliger Quatsch! Dafür gibt es keinen Anlaß. Die sächsische Polizei kann die Sicherheit gewährleisten und tut dies auch. Natürlich kann die Polizei nicht jede Straftat verhindern. Aber wenn es zu Straftaten kommt, werden diese auch verfolgt und von der sächsischen Justiz geahndet.
Einer der beiden mutmaßlichen Täter war wegen Drogendelikten und Körperverletzung vorbestraft. Wie kann es sein, daß sich kriminelle Asylbewerber in Deutschland ungestört bewegen und letztlich sogar einen Mord begehen können?
Krauß: Das zeigt, daß wir beim Thema Abschiebungen noch stärker dranbleiben und diese durchsetzen müssen. Hierzu braucht es mehr Druck auf die Herkunftsländer, damit diese bei Rückführungen kooperieren. Da dürfen wir nicht nachlassen, sonst entsteht bei den Bürgern genau die Art der Unzufriedenheit, die dann der Nährboden für solche Demonstrationen ist, wie wir sie in Chemnitz gesehen haben.
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Alexander Krauß ist seit 2017 direktgewählter Bundestagsabgeordneter der CDU für den Erzgebirgskreis. Davor war er Mitglied des Sächsischen Landtags.