Frau Breedt, Ihre Partei, die Vryheidsfront Plus, erzielte 2019 in Südafrika mit 2,4 Prozent und zehn Sitzen ihr bislang bestes Wahlergebnis auf nationaler Ebene. Seitdem ist sie auch in allen südafrikanischen Provinzversammlungen außer in KwaZulu-Natal vertreten. Wie ist es, als Opposition im Parlament zu arbeiten?
Tammy Breedt: Es ist manchmal aufregend, manchmal frustrierend, manchmal anstrengend, aber es lohnt sich immer, die Menschen in Südafrika zu vertreten. Als Opposition darf man nie den Blick für das große Ganze verlieren, für das man kämpft. Man muß immer das Beste für seine Wähler im Sinn haben und ständig dafür kämpfen, daß das Richtige sich durchsetzt. Als erstes weibliches Mitglied des Parlaments für die Vryheidsfront Plus ist es ziemlich entmutigend, da man ständig hinterfragt wird. Man muß immer einen Schritt besser sein als die männlichen Kollegen, um zu beweisen, daß man aufgrund von Verdiensten dort ist. Es ist jedoch ermutigend, zu wissen, daß wir Geschichte schreiben.
Was sind Ihre politischen Ziele?
Breedt: Als Partei ist unser Ziel die Selbstbestimmung für alle Minderheiten in Südafrika. Ich persönlich würde gerne weiterhin als Abgeordnete für die Partei tätig sein und später Parteisprecherin oder sogar Parteivorsitzende werden.
Wie unterscheidet sich die Vryheidsfront Plus von der liberalen Democratic Alliance (DA), die lange Zeit von Helen Zille geführt wurde und die zweitstärkste Kraft im Parlament ist?
Breedt: Die DA ist eine liberale, progressive politische Partei, während die FF Plus eine christliche, konservative politische Partei ist. Die DA glaubt zum Beispiel an das Quotensystem, gleiche Ergebnisse und die wirtschaftliche Stärkung der Schwarzen; die FF Plus glaubt, daß Verdienste der treibende Faktor für Beschäftigung und Chancengleichheit sind, und ist entschieden gegen die wirtschaftliche Stärkung der Schwarzen, da sie nur der politischen Elite zugute kommt. Sowohl die DA als auch die FF Plus sind der Meinung, daß die Privatisierung staatlicher Einrichtungen die Lösung ist. Wir haben eine gute Arbeitsbeziehung zur DA und sind Koalitionspartner in einer Reihe von Gemeinden in ganz Südafrika. Wir können unsere Differenzen beiseite schieben und zusammenarbeiten, um den ANC als die Regierungspartei abzuwählen.
Südafrika befindet sich am Rand des Abgrunds
Wie beurteilen Sie angesichts brutaler Übergriffe auf Farmer, einer hohen Mord- und Kriminalitätsrate, ständiger Stromausfälle und einer umstrittenen Landreform die Situation Südafrikas?
Breedt: Südafrika befindet sich am Rand des Abgrunds. Doch anstatt zu regieren sucht die Regierung Sündenböcke. Die Probleme des heutigen Südafrika werden nur als Ergebnis der Apartheid gesehen. Wir haben 29 Jahre ANC-Herrschaft erlebt. Was das Land jetzt durchmacht, ist nicht auf die Apartheid zurückzuführen, sondern auf das Mißmanagement des ANC. Wir müssen anfangen, echte Lösungen für unsere Probleme zu finden. Die Korruption muß direkt angegangen werden. Der ANC wird eine Reihe unpopulärer Entscheidungen in bezug auf seine Kader und seine Politik treffen müssen, um langfristig das Wohl Südafrikas sichern zu können.
Die „Financal Times“ vergleicht die prekäre Lage des einst renommierten südafrikanischen Energieunternehmens Eskom mit dem aktuellen Zustand des Landes: „Die korrupte, versagende Eskom ist ein Bild Südafrikas in Miniaturformat.“ Stimmen Sie dem zu?
Breedt: Ja. Alles, was derzeit bei Eskom passiert, ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was im übrigen Südafrika passiert – die Korruption grassiert, Mißwirtschaft ist an der Tagesordnung, niemand wird für irgend etwas zur Verantwortung gezogen.
Hat die Polizei die Situation noch im Griff?
Breedt: Nein, die Polizei hat die Lage nicht unter Kontrolle. Wir haben zu wenig Polizeibeamte, um wirklich etwas bewirken zu können. Wenn dann noch korrupte Beamte hinzukommen, ist das Scheitern vorprogrammiert.
Die Economic Freedom Front ist noch radikaler als der ANC
Im nächsten Jahr stehen in Südafrika Parlamentswahlen an, und eine Studie über die Wählerabsichten hat ergeben, daß 2024 zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten die Chance besteht, daß Mandelas Afrikanischer Nationalkongreß (ANC) weniger als 50 Prozent der Stimmen erhält und eine Koalitionsregierung aushandeln muß. Welche Partnerschaft käme in Frage? Eine Koalition mit der DA oder doch eher mit den Economic Freedom Fighters (EFF) von Julius Malema?
Breedt: Die ideale Koalition wäre eine Koalition der Oppositionsparteien. Der ANC hat sich in letzter Zeit positiv in Richtung der DA geäußert. Auch die DA hat sich für eine Koalition zwischen ihr und dem ANC ausgesprochen. Eine Koalition mit der EFF wäre für die südafrikanische Wirtschaft schädlich, und zum jetzigen Zeitpunkt sieht es so aus, als ob auch der ANC dies erkannt hat.
Was sind Malemas Ziele? Wo liegen die Unterschiede zum ANC?
Breedt: Julius Malemas Ziel ist es, so viel wie möglich in Südafrika zu verstaatlichen. Er hat marxistische/sozialistische Ansichten und glaubt, daß die Regierung das gesamte Land besitzen und es dann gleichmäßig an alle verteilen sollte. Die Economic Freedom Fighters sind viel radikaler als der ANC, haben aber ähnliche marxistische Ansichten, wenn es um die Wirtschaftspolitik geht.
Da der internationale Tourismus in Südafrika nach der Aufhebung der Covid-19-Beschränkungen deutlich zugenommen hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß Touristen erneut Opfer von Straftaten im Land werden, warnt das Auswärtige Amt deutsche Touristen. Was ist Ihr Rat?
Breedt: Touristen müssen immer auf ihre Umgebung achten. Sie sollten nachts keine dunklen und verlassenen Gebiete aufsuchen. Nehmen Sie keine Gegenstände von Fremden an und seien Sie wachsam. Bleiben Sie an touristischen Orten und wagen Sie sich nicht ohne Führer in ländliche Gegenden. Ansonsten genießen Sie Südafrika wegen seiner Menschen und Landschaften.
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