Die Organisation English Heritage, die die staatlichen Denkmäler Großbritanniens verwaltet, hat die Informationen zur Statue des britischen Luftwaffengenerals Sir Arthur Harris (1892-1984) in London erweitert. „Bomber Harris mit Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht“, meldete die konservative Zeitung Daily Telegraph am Wochenende.
Tatsächlich enthält der längere Online-Text über das Leben und Wirken Harris‘ nun erstmals das Wort „Kriegsverbrechen“. Zunächst kommt ein längerer Abschnitt, der die Flächenbombardements und Opferzahlen von Hamburg und Dresden erwähnt (die mit 40.000 und 25.000 angegeben werden). Mehrfach wird Harris Überzeugung beschrieben, daß damit der Krieg abgekürzt werden konnte. Danach wird die Kontroverse nach der Aufstellung der Statue 1992 kurz geschildert. Damals wurde die Statue kurzzeitig mit roter Farbe beschmiert.
„Die eine Seite ist der Ansicht, daß die Bombardierung deutscher Städte mit einer großen Zahl von zivilen Opfern ein Kriegsverbrechen war. Die andere Seite sieht dies als legitime Antwort auf den ‘totalen Krieg‘, den die Nazis initiiert hatten, und ihre Angriffe auf zivile Städte in Europa, einschließlich vieler in Britannien“, schreibt English Heritage.
„Bomber Harris“ setzte auf Flächenbombardements
Nach den ersten deutschen Luftangriffen auf London 1940 entwickelte Harris den Plan konzentrierter Bombenangriffe, um den Abwehrwillen der deutschen Zivilbevölkerung zu brechen. Harris träumte von einer Feuerwalze. Sofort nach seiner Ernennung zum Chef des Royal Air Force (RAF) Bomber Command im Februar 1942 setzte er auf die Strategie des Flächenbombardements. Am 30. Mai 1942 fiel das Kodewort „Millenium“, und Köln erlebte den ersten Tausend-Bomber-Angriff. Zufrieden mit der Wirkung, wählte Harris als nächstes großes Ziel Hamburg (Operation Gomorra). Dabei kamen schätzungsweise 34.000 Menschen ums Leben.
Harris war für seine brachialen Methoden bekannt und nicht unumstritten – innerhalb der RAF wurde er auch als „Butcher Harris“ (Schlächter Harris) bezeichnet. Rund 55.000 seiner Männer fielen bei Einsätzen. Nach dem Krieg zog er sich nach Südafrika zurück. Er erhielt keine Peerwürde wie andere führende Weltkriegsgeneräle, sondern sehr viel später nur einen Baron-Titel.
Großbritannien kämpft mit seinem kolonialen Erbe
Nach Kriegsende definierten die alliierten Sieger in Artikel 6 des Statuts des Nürnberger Gerichts ein Kriegsverbrechen als „mutwillige Zerstörung von Städten, Märkten und Dörfern oder jede durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigte Verwüstung“. Harris hat stets die militärische Notwendigkeit seiner Taten betont. Kritiker verweisen immer wieder auf die Todesopfer der Bombardierung Dresdens im Februar 1945, als der Krieg längst entschieden war.
In Großbritannien tobt mittlerweile ein Kampf um die Deutungshoheit über die Geschichte des Landes mit seiner kolonialen Vergangenheit. Im vergangenen Jahr hatte die Gruppe „Topple the Racists“ eine Liste von umstrittenen Denkmälern von Personen angefertigt, denen sie Rassismus, Sklavenhandel- oder Kolonialverbindungen vorwirft. Auf der Liste der „kolonialen Kriegshetzer“ steht auch Harris.
Allerdings wurde er dort nur aufgeführt für die Bombardierung von Dörfern in Mesopotamien (heutiger Irak) und in Rhodesien (heutiges Zimbabwe) in den 1920er Jahren. Dresden erwähnten die Antirassismus-Kämpfer nicht. (JS)