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Ludwigshafen: Nächster Brandbrief: Lehrer einer weiterer Migrantenschule rufen um Hilfe

Ludwigshafen: Nächster Brandbrief: Lehrer einer weiterer Migrantenschule rufen um Hilfe

Ludwigshafen: Nächster Brandbrief: Lehrer einer weiterer Migrantenschule rufen um Hilfe

Schüler gehen an einem Schild der Karolina-Burger-Realschule in Ludwigshafen vorbei, daneben stehen Polizisten. Jetzt haben sich die Lehrer der Schule in einem Brandbrief hilfesuchend an die Behörden gewandt
Schüler gehen an einem Schild der Karolina-Burger-Realschule in Ludwigshafen vorbei, daneben stehen Polizisten. Jetzt haben sich die Lehrer der Schule in einem Brandbrief hilfesuchend an die Behörden gewandt
Polizeibeamte bewachen die Karolina-Burger-Realschule in Ludwigshafen, März 2025. Foto: picture alliance / Uwe Anspach/dpa | Uwe Anspach
Ludwigshafen
 

Nächster Brandbrief: Lehrer einer weiterer Migrantenschule rufen um Hilfe

Messerangriff, Todesdrohungen, Reizgas, Feuerwerk im Klassenzimmer: In einem Brief schildern Lehrer einer Migranten-Schule in Ludwigshafen einen Alltag aus Gewalt und Enthemmung – bis zu einem versuchten Mord an einer Lehrerin. Die Briefschreiber fordern Maßnahmen.
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LUDWIGSHAFEN. Das Lehrerkollegium einer Realschule im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen hat sich mit einem Brandbrief an das Bildungsministerium gewandt. Darin berichtet es von Angriffen, Bedrohungen und Gewaltexzessen an der Bildungsanstalt, wie die Bild berichtet, der der Brief vorliegt. Ein Messerangriff gegen eine Lehrerin wird seit Montag vor Gericht verhandelt. Eine 16jährige Schülerin hatte dabei versucht, die Lehrkraft zu ermorden.

Über insgesamt zehn Seiten ziehen sich die Schilderungen der Lehrkräfte der Karolina-Burger-Realschule. Sie erwähnen, wie ein Schüler mit einem Nothammer auf einen anderen eingeschlagen habe, wie Lehrer bedroht, mit Gegenständen beworfen und verletzt würden. „Das Kollegium erlebt eine Aggression und Enthemmtheit, selbst bei jüngeren Schülern, die absolut schockierend ist“, heißt es in dem Schreiben.

Anlaß des Briefes war das versuchte Tötungsdelikt an der Kollegin. Dies könne nicht weiter „banalisiert werden“, wie dies zuvor „von einigen Seiten“ geschehen sei. „Dieses Ereignis brachte für uns als Kollegium der Karolina-Burger-Realschule plus ‘Das Faß zum Überlaufen’. Deshalb fordern wir dringend, daß von Seiten des Dienstherrn nun Beachtung geschenkt wird, um die großen sozialen und sicherheitsrelevanten Probleme an unserer Schule endlich in den Griff bekommen zu können.“

„Ich schieß euch alle ab“

Neben körperlicher Gewalt sei es in der Vergangenheit auch mehrfach zu Sachbeschädigungen gekommen. Der Brief erwähnt das mehrfache Versprühen von Reizgas, das Zünden von Feuerwerk – teilweise in voll besetzten Klassenräumen –, „fußballgroße Löcher in Wänden der Klassenzimmer“, zerstörte Tische, Schränke und Fenster sowie Kot- und Urin-Pfützen im Keller. Im September 2021 hatten Unbekannte ein Feuer auf der Schultoilette entzündet.

Dazu kommen Bedrohungen. „Ich schieß euch alle ab“, soll etwa ein Schüler gedroht haben. Ein anderer wird mit den Worten zitiert: „Haben Sie eigentlich keine Angst, wenn Sie mit dem Rücken zur Klasse stehen, daß sie jemand von hinten absticht?“

Vor allem Schüler mit Migrationshintergrund würden nach Aussage der Briefschreiber weibliche Lehrkräfte verbal angehen. So zitiert das Schreiben Sätze wie „Halt die Fresse, du Schlampe“ oder „Ich fick dich“. In anderen Fällen sei es dazu gekommen, daß Schüler das Gesäß von Lehrerinnen filmten oder von ihnen Fake-Konten auf sozialen Medien erstellten.

Ein geregelter Unterricht ist nicht möglich

In einigen Fällen sollen Eltern das Verhalten ihrer Sprößlinge sogar befeuert haben. Laut dem Brandbrief drohte ein Schüler einer Lehrerin, er werde ihre Autoreifen aufstechen, sollte sie ihm keine bessere Note geben. Der Vater des Kindes habe darauf mit den Worten reagiert: „Das ist ein Scheiß-Auto. Ist doch nicht schlimm, wenn da was passiert!“

Dem SWR berichtete auch eine anonyme Lehrkraft detailliert über die Zustände: „Ich sehe und sah weinende Kollegen. Sie empfinden die Situation zunehmend aussichtslos. Die Kräfte schwinden eklatant.“ Es sei oft unmöglich, tatsächlichen Unterricht zu machen – auch, weil die Schüler ohne jegliche Materialien auftauchten, ohne Bücher, Stifte oder Papier.

Die einfachsten Regeln des Zusammenlebens seien oft nicht bekannt. Zudem könnten viele der Kinder weder rechnen noch lesen oder schreiben. „Sie können die Grundrechenarten nicht und sollen komplexe mathematische Aufgabenstellungen lösen.“ Ein geregelter Unterricht sei aufgrund des Verhaltens vieler Kinder gar nicht möglich. „Man plant so, daß alle unverletzt rauskommen und irgendwie beschäftigt sind.“

Schüler verhindern Aufklärung

Gewalt sei an der Schule Alltag, betonte die Lehrkraft. Als Lehrer müsse man jeden Tag Schlägereien in den Gängen „übersehen“, um rasch ins eigene Klassenzimmer zu kommen – und dann dort das Schlimmste zu verhindern. „Kinder werden auch oft unter Druck gesetzt, Zeugenaussagen nicht zu machen.“

Auch auf andere Weise würden die Schüler die Aufklärung von Taten verhindern. Flögen etwa Böller auf dem Schulhof, würden die Kinder sofort eine Menschenmauer um die anwesende Lehrkraft bilden. „Bis man da ist, sind die Täter unsichtbar.“

Es sei mittlerweile nicht mehr möglich, die Dinge zu kontrollieren. „Wir versuchen, die Kinder und uns zu schützen, aber es geht unter diesen Bedingungen nicht“, bilanzierte die anonyme Quelle. Man habe bereits Dutzende Brandbriefe an die zuständige Aufsichtsbehörde geschrieben – geschehen sei nichts. Gelegentlich sei mal jemand von der Behörde für eine Stunde zur Schule gekommen. „Danach ist alles, wie es vorher war.“

Lehrer klagen über schlechte Deutschkenntnisse der Schüler

Der zuvor erwähnte Messerangriff auf die Lehrerin sei ein „Kipppunkt“ gewesen. Seitdem gehe es vielen Kollegen deutlich schlechter, betonte die Lehrkraft. Es werden fehlende Maßnahmen beklagt – so käme es etwa selten vor, daß Schüler vom Unterricht ausgeschlossen oder aus der Schule geworfen würden. Auch Lehrerkonferenzen oder eine Einladung der Eltern würden für „die krassesten Fälle“ aufgespart. Der bürokratische Aufwand sei schlicht zu aufwendig. „Würden wir für jeden Regelübertritt eine Konferenz machen, wären wir 24/7 in der Schule.“

Auch das Jugendamt sei überfordert. „Eine weibliche Schulsozialarbeiterin kann sich seit Jahren nicht etablieren, die Frauen verlassen spätestens nach einem Jahr die Schule, eher früher“, so die Lehrkraft. „Ich bin desillusioniert.“ Weder das Land noch die Kommune stellten in ausreichendem Maße Geld zur Verfügung. „Die Folgen werden die nachfolgenden Generationen spüren. Und die Folgen werden katastrophal sein – und unbezahlbar.“

In dem Brandbrief wird geschildert, daß von den rund 800 Schülern, die die Bildungsanstalt besuchen, viele sehr schlechte Deutschkenntnisse hätten. Soziale und psychische Auffälligkeiten seien häufig. „In diese Klassen gehe ich immer mit einem mulmigen Gefühl“, erklärte eine Lehrkraft. Eine andere stellte dar, wie niedrig das Bildungsniveau der Schüler teilweise ist: „Sie können die Grundrechenarten nicht. Wir sind im Prinzip eine Förderschule mit einer Klassengröße von 30 Schülern und einer Lehrkraft.“

In Cottbus riefen Eltern um Hilfe

Innerhalb von nur drei Jahren kam es zu rund 100 Feuerwehreinsätzen auf dem Schulgelände – nicht selten, weil Personen mutwillig den Alarm ausgelöst hatten. Insgesamt gingen 118 Strafanzeigen bei der Polizei ein. Die Lehrer würden allerdings nach eigenen Aussagen kaum noch Anzeigen stellen, aus Angst vor Rache. Demnach würde die Schulleitung erwarten, daß Lehrer Anzeigen ausschließlich als Privatpersonen stellten – dabei erhalten die entsprechenden Schüler auch die Wohnadressen der Lehrer.

Der Personalrat der Schule fordert derweil rabiate Maßnahmen: Sicherheitspersonal für das Schulgebäude, Polizeipräsenz und Metalldetektoren an den Eingängen. Zudem soll es Kameras auf den Gängen und auf dem Schulhof geben, eine Klassengröße, die nicht über 20 Schüler geht, zwei Lehrer für Problemklassen, Sozialarbeiter, Unterstützung durch die Schulbehörde und das Bildungsministerium sowie Studientage, an denen Selbstverteidigung und Erste Hilfe gelehrt werden.

Bereits in der vergangenen Woche hatten sich verzweifelte Eltern einer Grundschule im sächsischen Cottbus mit einem Brandbrief an Verantwortungsträger der Stadt gewandt (JF berichtete). Dabei berichteten sie von schwerer körperlicher Gewalt unter den Schülern – bis zur Gehirnerschütterung –, Erpressungen, Drohungen und dem Versprühen von Reizgas. (lb)

Polizeibeamte bewachen die Karolina-Burger-Realschule in Ludwigshafen, März 2025. Foto: picture alliance / Uwe Anspach/dpa | Uwe Anspach
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