BRÜSSEL. Fast zehn Jahre lang feierte vor allem die deutsche Politik die Zuwanderung von zumeist muslimischen Migranten als „kulturelle Bereicherung“. Damit ist nun zumindest auf europäischer Ebene Schluß – dort will man eine Migrationswende. Die hohe Zahl der Asylbewerber in manchen Ländern wird als „Belastung“ beschrieben. Darauf haben sich die Innenminister der EU-Staaten bei einem Treffen in Brüssel geeinigt.
Weniger „belastete“ EU-Länder sollen im Rahmen eines Solidaritätsmechanismus 420 Millionen Euro bereitstellen. Deutschland gehört nicht dazu, da die Bundesrepublik als „belastet“ gilt. Auch in diesem Jahr sind bereits wieder mehr als 100.000 Asylmigranten nach Deutschland gekommen.
Die EU-Staaten haben auch beschlossen, den Druck auf abgelehnte Asylbewerber zu erhöhen und Abschiebungen effizienter abzuwickeln. Dafür sollen Ausländer ohne Bleiberecht neue Pflichten und Leistungskürzungen bei mangelnder Kooperation mit den Behörden auferlegt bekommen, wie die Mitgliedsländer nach einer Einigung mitteilten.
Migrationswende beim Asylrecht
Zur Migrationswende gehört auch, daß die Innenminister das Asylrecht mit zwei zentralen Maßnahmen verschärfen. Zum einen wurde das Konzept der sicheren Drittstaaten überarbeitet und zum anderen eine gemeinsame Liste sicherer Herkunftsländer eingeführt. Die Grünen hatten vor allem nordafrikanische Länder als sichere Herkunftsstaaten über ihre Sperrmöglichkeit im Bundesrat bisher immer verhindert. Zuletzt wollten sie sogar Länder von der Liste streichen (die JF berichtete).
Die Änderung geht vor allem auf Dänemark zurück, das seit der Grenzöffnung durch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen rigiden Migrationskurs fährt und das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat. Dessen Integrationsminister Rasmus Stoklund sagte: „Jedes Jahr kommen Zehntausende nach Europa und beantragen Asyl, obwohl sie aus sicheren Ländern kommen.“
Wichtigste Neuerung: EU-Staaten können Asylanträge ablehnen, wenn Schutz bereits in einem sicheren Nicht-EU-Staat besteht. Das gilt nicht nur dann, wenn der Asylbewerber durch das Drittland gereist ist. Eine Verbindung zwischen dem Antragsteller und dem Drittstaat ist nicht mehr zwingend. Das erlaubt den Staaten, Rückführungszentren in Drittstaaten einzurichten. Bedeutet: Migranten können auch in Länder abgeschoben werden, in denen sie noch nie waren.
Während ihrer Klagen können Migranten abgeschoben werden
Die bisher in Deutschland äußerst beliebte Verzögerungstaktik, mit Hilfe eines vom Steuerzahler bezahlten Rechtsanwalts bei einem abgelehnten Asylantrag ein Gericht nach dem anderen anzurufen und so aufgrund der langen Zeit eine Duldung zu erreichen, soll entfallen. Während ihres Einspruchs sollen sie nicht mehr automatisch in der EU bleiben dürfen. Deutschland müßte allerdings davon Gebrauch machen, um die europäische Migrationswende zu nutzen.
Die gemeinsame Liste sicherer Herkunftsländer umfaßt Ägypten, Marokko, Tunesien, Indien, Kosovo, Bangladesch und Kolumbien. Wer aus diesen Ländern kommt, soll beschleunigt abgelehnt werden – entweder direkt an den Grenzen oder in Transitbereichen. Außerdem gelten Migranten aus EU-Beitrittskandidatenländern grundsätzlich als sicher, sofern keine Kriegs- oder gravierenden Menschenrechtsrisiken bestehen.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte nach dem Treffen gegenüber der Bild, Italien und Griechenland würden künftig wieder Asylbewerber aus Deutschland zurücknehmen. Die Regelung solle ab Juni 2026 gelten, wenn der neue Europäische Asyl- und Migrationspakt in Kraft tritt.
Deutschland könnte zurückschicken, wenn es will
Das Durchwinken aus diesen Ländern, wo Migranten erstmals registriert wurden, nach Deutschland wird dadurch nicht enden. Aber Deutschland könnte sie zurückschicken, wenn es das möchte. Auch deutsche Gerichte hatten bisher Rückführungen vor allem nach Griechenland immer wieder verhindert.

Im Gegenzug für die Rücknahme sollen die Länder an den EU-Außengrenzen entlastet werden. Dobrindt zufolge geschieht dies durch einen „starken Außengrenzschutz und effizientere Rückführungen“. (fh)





