BERLIN. Die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem, hat scharfe Kritik am deutschen Selbstbestimmungsgesetz geübt. „Das Gesetz zur geschlechtlichen Selbstbestimmung scheint die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in all ihrer Vielfalt nicht ausreichend zu berücksichtigen, insbesondere die derjenigen, die männlicher Gewalt ausgesetzt sind oder Opfer männlicher Gewalt geworden sind“, zitiert die Welt aus einem 17seitigen Brief an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Datiert ist die Warnung demnach auf den 13. Juni.
Alsalem sei „besorgt“ darüber, daß Deutschland durch das Gesetz, das zum 1. November in Kraft treten soll, den Menschenrechtsverpflichtungen nicht gerecht werde. Die Staaten seien verpflichtet, „Diskriminierung und Gewalt aufgrund des Geschlechts“ zu verhindern. Dabei müßten auch „Besonderheiten, die sich aus biologischen Unterschieden ergeben“, berücksichtigt werden. Alsalem forderte eine Stellungnahme binnen 60 Tagen.
UN: Selbstbestimmungsgesetz gefährdet Frauen, Kinder und Meinungsfreiheit
Die UN-Sonderberichterstatterin mahnte vor Mißbrauch durch „Sexualstraftäter und andere Gewalttäter“. Transgeschlechtliche Personen seien grundsätzlich keine Gefahr. Durch das neue Selbstbestimmungsgesetz erhielten Männer „Zugang zu Räumen, die nur für ein Geschlecht bestimmt sind oder aus Sicherheitsgründen Frauen vorbehalten“ seien.
Weiter ging sie auf die Problematik rund um das Hausrecht ein. Es gebe bereits mehrere Berichte aus Deutschland, bei denen sich Männer Zugang zu Frauenräumen verschafft hätten. Dies könne vor allem bei Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, erneute Traumata auslösen. Ein weiterer Kritikpunkt war der Abbau gesetzlicher Vorschriften zur therapeutischen Behandlung vor Operationen. Besonders bei Kindern und Jugendlichen sei „sicherzustellen“, daß über alle Risiken aufgeklärt wurde. Die derzeitige Fassung berge „erhebliche Risiken für den Kinderschutz“.
Außenministerium antwortet schmallippig
Auch die Erweiterung des Bußgeldkataloges um Offenbarungsdelikte von transgeschlechtlichen Personen prangerte Alsalem an. Dies könne „schwerwiegende Auswirkungen auf die Rechte von Frauen und Mädchen“ sowie Eingriffe in die Meinungs- und Redefreiheit, aber auch Gedanken- und Religionsfreiheit bedeuten.
Bundesaußenministerin Baerbock hat sich nicht persönlich zu der Generalabrechnung mit dem von ihrer Partei langersehnten Selbstbestimmungsgesetz geäußert. Stattdessen antwortete die Ständige Vertretung des Auswärtigen Amtes bei der UN knapp: Die Bundesrepublik Deutschland weist den Vorwurf zurück, sie werde einer Reihe menschenrechtlicher Verpflichtungen nicht gerecht“. Das Gesetz basiere „auf menschenrechtlichen Standards“. (sv)