BERLIN. Die Entscheidung der AfD-Bundesprogrammkommission, die Forderung nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht aus dem Entwurf für das kommende Bundestagswahlprogramm zu streichen, ist auf Kritik gestoßen. „Eine besonnene Außenpolitik, die auf Deeskalation in Europa setzt, und fähige Streitkräfte, die Deutschland jederzeit verteidigen können: Das ist kein Widerspruch, sondern der Zweiklang, der äußere Sicherheit ergibt“, sagte der AfD-Verteidigungspolitiker Jan Nolte der JUNGEN FREIHEIT.
Nolte will auf dem kommenden Bundesparteitag am 11. Januar in Riesa einen Änderungsantrag vorlegen, um die Forderung – die auch im Grundsatzprogramm der Partei steht – wieder ins Wahlprogramm zu hieven. „Die Wehrpflicht ist eine Kernforderung der AfD und Voraussetzung sowohl für die personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr als auch für ihre Verwurzelung in der Gesellschaft“, heißt es in dem Papier, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. „Eine Wehrpflicht dient der langfristigen Deckung des Personalbedarfs der Bundeswehr und wirkt sich zunächst vor allem auf die Aufwuchsfähigkeit durch die Reserve aus.“
„Wer den Frieden will muß eben für den Krieg gerüstet sein“
Man dürfe auch nicht einzelne Forderungen der AfD aus dem Kontext ihrer weiteren politischen Positionen reißen, heißt es in dem Antrag weiter. „Sollte die AfD in politischer Verantwortung und damit in der Lage sein, ihr Wehrpflichtkonzept umzusetzen, so würde sie auch auf anderen Gebieten ihre Forderungen umsetzen. Dazu gehört eine Deeskalationspolitik, die in der Ukraine auf Diplomatie statt auf Waffenlieferungen setzt und die ganz sicher keinen Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Rußland oder der Ukraine vorsieht.“ Wem es darum gehe, im Falle eines Krieges auf Wehrpflichtige zurückgreifen zu können, der müsse dafür „auch gar nichts an der geltenden Rechtslage ändern”, da „im Spannungs- und Verteidigungsfall die Wehrpflicht wieder umgesetzt“ werde. Dies geht Paragraph 2 Wehrpflichtgesetz hervor.
Der AfD-Verteidigungspolitiker Hannes Gnauck zeigte sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT davon überzeugt, daß der Bundesparteitag dem Antrag Noltes zustimmen werde. „Das ist auch das richtige und zuständige Gremium dafür.“ Er hielte es für falsch, nur auf Grundlage des Ukraine-Krieges von einem Kernpunkt der Partei abzuweichen. „Gerade die Sicherheitspolitik, die Wehrpflicht und die Forderung nach einem Aus von Auslandseinsetzen“ hätten ihn zu seinem Beitritt in die AfD motiviert. „Wer den Frieden will muß eben für den Krieg gerüstet sein.“
Unterstützung für Noltes Antrag
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Gerald Otten, der für seine Fraktion – wie auch Nolte und Gnauck – im Verteidigungsausschuß des Bundestages sitzt, sagte, er „bedauere die Entscheidung, und halte es für einen Fehler, keine Aussage zur Wiedereinsetzung der Wehrpflicht in den Programmentwurf aufzunehmen“.
Als Sprecher des verantwortlichen Parteigremiums – dem Bundesfachausschuß Außen- und Sicherheitspolitik – habe er sich „in der Bundesprogrammkommission entschieden dafür eingesetzt, die Forderung aus unserem Grundsatzprogramm nach Wiedereinsetzung der Wehrpflicht auch in das Bundestagswahlprogramm 2025 mit aufzunehmen“. Den Antrag Noltes unterstütze er auf jeden Fall.
Auch der Vorsitzende des Verteidgungsarbeitskreises der AfD im Bundestag, Rüdiger Lucassen, will an der Wehrpflicht festhalten. „Die Wehrpflicht ist im Grundsatzprogramm der AfD fest verankert. Wegen des kommenden Wahlkampfes bin ich seit Wochen mit hunderten Mitgliedern in ständigem Austausch. Kein einziger äußerte den Wunsch nach einem Ausstieg der AfD aus der Wehrpflicht“, sagte er NTV.
Ukraine kaum ein Thema für AfD-Wähler
Parteichef Tino Chrupalla hatte nach JF-Informationen gegen eine Aufnahme der Wehrpflicht ins aktuelle Wahlprogramm gesprochen. Hintergrund sind Befürchtungen eines Teils der Ostverbände, dies könnte bei der anstehenden Wahl Stimmen kosten. Allerdings hatten die vergangenen Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gezeigt, daß der Ukraine-Konflikt für AfD-Wähler so gut wie keine Rolle spielt. In Thüringen etwa bezeichneten nur drei Prozent der AfD-Wähler das Thema als entscheidend. Klar vorne lagen die Themen Migration (36 Prozent) und Innere Sicherheit (35 Prozent).
Eingebracht hatte den Antrag zur Streichung der Wehrpflicht der Bundestagsabgeordnete Marc Jongen. Der außenpolitische Sprecher der AfD im Bundestag, Matthias Moosdorf zeigte sich dagegen erfreut über der Entscheidung. „Während des Ukraine-Kriegs wäre die Forderung nach der Wehrpflicht nicht sinnvoll“, sagte er der Welt. Allerdings wurde der Politiker, der wegen einer Honorarprofessur an einer Moskauer Universität innerparteilich in der Kritik steht, von den Fachpolitikern aus seinem Amt abgewählt. Die Fraktion muß diesen Beschluß allerdings noch bestätigen. (ho)