DÜSSELDORF. Die Justiz in Nordrhein-Westfalen hat die Prüfung auf eine Wiederaufnahme früherer Verfahren gegen den Messermörer von Brokstedt in die Wege geleitet. Das geht aus einem vertraulichen Papier des Düsseldorfer Innenministeriums vor, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Zwischen September 2015 und Januar 2021 war 24 mal gegen den staatenlosen Palästinenser ermittelt worden, der Ende Januar zwei Jugendliche bei einer Messerattacke in einem Regionalzug ermordete.
Der 33 Jahre alte Ibrahim A., der 2015 als Deutschland gekommen war, lebte in der Vergangenheit unter anderem im nordrhein-westfälischen Euskirchen. Mindestens 16 Taten beging er dort mutmaßlich. Seit er in der Bundesrepublik ist, soll er sich des Kindesmißbrauchs, Betrugs, Diebstahls, Drogenmißbrauchs, Schwarzfahrens, Hausfriedensbruchs sowie der sexuellen Belästigung, Sachbeschädigung und Vergewaltigung Widerstandsunfähiger schuldig gemacht haben.
Brokstedt-Verdächtiger verglich sich mit Anis Amri
Zum Prozeß kam es meist gar nicht. In dem Dokument heißt es, die Verfahren seien oftmals wegen Geringfügigkeit oder einem fehlenden hinreichenden Tatverdacht eingestellt worden. Anklage erhob die Staatsanwaltschaft im Falle einer mutmaßlichen Unterschlagung von Fahrrädern im Wert von 700 Euro. Als sie den Verdächtigen Ibrahim A. nicht auffinden konnten, schlossen sie die Akte jedoch.
Öffentlich wurde das Behördenversagen im Fall des Migranten erst mit seiner mutmaßlichen Tat in Brokstedt. Der Anschlag kam offenbar nicht überraschend. Noch während er in Haft saß, verglich sich Ibrahim A. gegenüber Gefängnismitarbeitern mit dem islamistisch motivierten Attentäter vom Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri. Die unverblümte Drohung wurde sogar aktenkundig. Demnach hat der Palästinenser gesagt: „Es gibt nicht nur einen Anis Amri, es gibt mehrere, ich bin auch einer.“ Dennoch wurde er fünf Monate später aus der Haft entlassen. Sechs Tage nach seiner Freilassung kam es zum Messerangriff in Brokstedt. (zit)