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Kritik am Verfassungsschutz: Murswiek: „Die Regierung verstößt andauernd gegen die Verfassung“

Kritik am Verfassungsschutz: Murswiek: „Die Regierung verstößt andauernd gegen die Verfassung“

Kritik am Verfassungsschutz: Murswiek: „Die Regierung verstößt andauernd gegen die Verfassung“

Hier steht Professor Dietrich Murswiek in der Bibliothek des Konservatismus. Thema des Referats: Der Verfassungsschutz als Bedrohung für die Demokratie.
Hier steht Professor Dietrich Murswiek in der Bibliothek des Konservatismus. Thema des Referats: Der Verfassungsschutz als Bedrohung für die Demokratie.
Quelle: FKBF. Hier steht Professor Dietrich Murswiek in der Bibliothek des Konservatismus. Thema des Referats: Der Verfassungsschutz als Bedrohung für die Demokratie.
Kritik am Verfassungsschutz
 

Murswiek: „Die Regierung verstößt andauernd gegen die Verfassung“

Schützt der Verfassungsschutz tatsächlich die Verfassung? Nein, zumindest nicht in seiner jetzigen Form, sagt der Staatsrechtler Dietrich Murswiek. In der Bibliothek des Konservatismus stellt der renommierte Staatsrechtler Lösungsvorschläge in den Raum.
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Dietrich Murswiek wirkt nicht wie ein Mann, der rasche Urteile fällt. Als er an diesem Mittwoch abend in der Bibliothek des Konservatismus in Berlin referiert, ist seine Stimme sanft, seine Bewegungen gemächlich. Ruhig und strukturiert, wie man es von einem Juristen eben erwartet, geht er seine zuvor festgelegten Punkte durch. Was er sagt, ist brisant.

„Streitfall Verfassungsschutz: Verteidiger oder Gefährder der Demokratie?“, lautet der Titel des Vortrags. Murswiek, der an mehreren Kommentaren zum Grundgesetz mitgewirkt und zu verfassungsrechtlichen Fragen publiziert hat, erklärt gleich zu Beginn, daß er sich nicht zum Lager derjenigen zählt, die den Verfassungsschutz (VS) grundlegend als demokratiegefährdend ansehen.

Dabei verfolge der VS, verglichen mit den Inlandsgeheimdiensten anderer westlicher Länder, eigentlich einen „deutschen Sonderweg“. Während das FBI oder der britische MI5 in erster Linie Umstürze und politische Gewalt verhindern sollen, nimmt der deutsche Verfassungsschutz auch inhaltliche Bewertungen von politischen Gruppen oder Parteien vor.

Was aus der deutschen Geschichte heraus erklärbar sein mag, kann in der Praxis allerdings zu Problemen führen. Denn um Inhalte zu bewerten, müsse der Verfassungsschutz Programme und Aussagen von Parteien interpretieren, kritisiert Murswiek. Doch was geschieht, wenn sich der Verfassungsschutz in seiner Interpretation einmal irrt?

Fehlbewertungen bei „tatsächlichen Anhaltspunkten“

„Der Verfassungsschutz nimmt hier Einfluß auf die politische Willensbildung der Bevölkerung“, sagt Murswiek, „doch genau die muss eigentlich frei erfolgen, ohne staatliche Beeinflussung“. Dazu gehöre auch, daß der VS es der Öffentlichkeit mitteile, wenn er eine Partei verdächtigt, verfassungsfeindlich zu sein. „Ein Verdacht ist jedoch noch keine gesicherte Feststellung. Was ist, wenn sich der Verdacht nicht bewahrheitet? Dann hat die Veröffentlichung des Verdachts mehr Schaden angerichtet, als sie Positives bewirken könnte.“ Auch hier sieht Murswiek eine Verletzung demokratischer Grundsätze: „Es ist ein Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien.“

Wechselt der Verfassungsschutz in seiner Bewertung von einer Verdächtigung zur Feststellung eines „gesicherten Extremismus“ geschieht dies anhand sogenannter „tatsächlicher Anhaltspunkte“. Auch hier sieht der Rechtswissenschaftler Probleme. Die bloße Kritik an Institutionen und Repräsentanten des Staates oder der Regierung sei beileibe noch kein Anzeichen einer verfassungsfeindlichen Gesinnung, auch wenn dies immer wieder in Veröffentlichungen der Behörde als Bewertungsmaßstab auftauche.

Ähnliches gelte für Ideen und Aussagen, die an und für sich den Boden des Grundgesetzes verlassen. Alleine lasse sich daraus keine Verfassungsfeindlichkeit ablesen: „Die Regierung verstößt andauernd gegen die Verfassung, wie es in unzähligen Gerichtsurteilen festgehalten wurde. Dennoch würde der Verfassungsschutz niemals auf die Idee kommen, die Regierungsparteien zu beobachten.“ Nur wiederholte und bewußte Vorstöße gegen Verfassungsgrundsätze könnten auch als „tatsächliche Anhaltspunkte“ gewertet werden, sagt Murswiek.

Der Verfassungsschutz ist nicht neutral

Während seiner Ausführungen regt sich immer wieder Unruhe im unter den knapp 70 Gästen. So nüchtern Murswiek seine Befunde vor den Hörern ausbreitet, so sehr treffen diese dort offenbar einen emotionalen Nerv, der sich in Kopfschütteln, verhaltenem Lachen oder ungläubigem Schnauben äußert.

Als der Professor schließlich erklärt, der Verfassungsschutz sei keine neutrale Organisation, sondern weisungsgebunden an die Vorgaben des Bundes- oder der Landesinnenministerien, geht durch die hinteren Reihen ein empörtes Raunen.

Knackpunkt Volksbegriff

Am Ende seines Vortrags kommt Murswiek zum Königsargument der Argumentation des VS gegen die AfD, dem Knackpunkt der erwiesenen Verfassungsfeindlichkeit der NPD im Verbotsverfahren 2001 bis 2003: dem Volksbegriff. Seit jenem Verfahren sehe der Inlandsgeheimdienst den „ethnischen Volksbegriff“ als Anhaltspunkt für Verfassungsfeindlichkeit.

Dabei unterliege er einem Fehlurteil. Denn das Grundgesetz unterscheide zwischen dem Deutschen Volk als Staatsvolk, welches sich rein über die Staatsbürgerschaft definiere und dem Deutschen als Volkstum, hinsichtlich gemeinsamer Abstammung, Sprache und Kultur. Verfassungsfeindlich sei lediglich die Auffassung, daß nur Deutscher Staatsbürger sein dürfe, der auch dem Deutschen Volk angehöre.

Murswiek fordert Reformen

Was also tun? Murswiek schlägt vor: Neben einer fachkundigeren Beurteilung des Volksbegriffes müsse der Staat dem VS Grenzen setzen. „Der Verfassungsschutz sollte bloße Verdächtigungen nicht veröffentlichen, sondern nur intern verwenden dürfen.“ Auch bei der schlußendlichen Einstufung einer Organisation als „gesichert verfassungsfeindlich“ soll es Hürden geben. „Eine Organisation sollte nicht gegen ihre Einstufung klagen müssen. Sondern der Verfassungsschutz sollte, nach ausreichender Sammlung und Verwertung tatsächlicher Anhaltspunkte, eine Organisation als verfassungsfeindlich anklagen und diese Bewertung von einem Gericht bestätigen lassen müssen.“ Im Publikum wird genickt. Zumindest hier scheint er einen Nerv getroffen zu haben.

Quelle: FKBF. Hier steht Professor Dietrich Murswiek in der Bibliothek des Konservatismus. Thema des Referats: Der Verfassungsschutz als Bedrohung für die Demokratie.
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