Die Wellen der Empörung schlagen hoch bei SPD, Grünen und Linkspartei. Seit mehrere Unionspolitiker Bundesinnenministern Nancy Faeser wegen eines Gastbeitrag in einer linksextremen Zeitschrift kritisieren, formiert sich in den sozialen Netzwerken eine rot-rot-grüne Wagenburg um die SPD-Politikern.
Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete die Kritik an Faeser als „absurd und gefährlich“. Es sei gut, daß sich die SPD-Politikerin auch als Bundesinnenministerin klar gegen Rechtsaußen stelle.
Die Kritik an @NancyFaeser ist absurd und gefährlich. @VVN_bda war und ist eine wichtige Stimme gegen das Vergessen, für Erinnerungsarbeit, gegen alte und neue Nazis. Viele Verfolgte des Nazi-Terrors waren dort engagiert und Mitglied, wie die kürzlich verstorbene Esther Bejarano.
— Janine Wissler (@Janine_Wissler) February 5, 2022
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) erklärte seine Solidarität mit Faeser.
Da ist sie wieder, die Kontaktschuld.
Solidarität mit dem Berufsverbote Opfer Herbert Bastian brachte mir 30 Jahre „Begleitung“ durch den Verfassungsschutz ein. Meine Solidarität gilt heute @NancyFaeser
und der @vvn_bda https://t.co/vBM95NFoeS— Bodo Ramelow (@bodoramelow) February 6, 2022
Linken-Bundesvorstandsmitglied Niema Movassat sah in der Angelegenheit einen Beleg dafür, daß „Rechtsextreme und Konservative in der Opposition gemeinsame Sache machen, wenn es gegen Links geht“.
Die de facto Zusammenarbeit zwischen Junger Freiheit, Bild und CDU gegen Nancy #Faeser dürfte erstes deutliches Zeichen dafür sein, dass Rechtsextreme und Konservative in der Opposition gemeinsame Sache machen, wenn es gegen links geht. Für die Demokratie ein schlechtes Zeichen.
— Niema Movassat (@NiemaMovassat) February 5, 2022
JF 🤝 AfD Kompakt 🤝 Bild Zeitung pic.twitter.com/7rLraaQSmc
— Clara Anne Bünger (@C_AB_) February 5, 2022
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli hielt der Union vor, ihr fehle der politische Kompaß.
Ich habe nach den letzten Enthüllungen eigentlich erwartet, dass CDU/CSU sich endlich für Maaßen als Geheimdienstchef entschuldigen. Sich stattdessen über Gastartikel für die von Holocaust-Überlebenden gegründete VVN/BDA zu empören, zeugt von fehlendem Kompass. #Faeser
— Victor Perli (@victorperli) February 6, 2022
Auch Grüne empört
Ähnlich äußerten sich auch die Grünen. Der Bundestagsabgeordnete Jan-Niclas Gesenhues twitterte, wer das Grundgesetz ernst nehme, müsse Antifaschist sein.
Wer unser Grundgesetz ernst nimmt, ist Antifaschist*in. #Faeser
— Jan-Niclas Gesenhues (@JN_Gesenhues) February 6, 2022
Seine Fraktionskollegin Kirstin Kappert fragte sich, warum es immer noch nicht selbstverständlich sei, Antifaschist zu sein.
Die Frage ist doch eher, warum es in unserem Land nicht selbstverständlich ist Antifaschist*in zu sein. Gut, dass unsere Innenministerin es ist. #Faeser
— Kirsten Kappert-Gonther (@KirstenKappert) February 5, 2022
Die Union, die im BMI einen Verfassungsfeind den Verfassungsschutz leiten ließ und ihn nach Kritik zum Staatssekretär und dann zum Sonderbeauftragten machen wollte, regt sich auf, dass die nachfolgende Ministerin für ein antifaschistisches Blatt schreibt. (Alles gesagt) #Faeser
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) February 5, 2022
Der Bundessprecher der Grünen-Jugend, Timon Dzienus, warf der Union vor, nicht aus Morden wie in Hanau gelernt zu haben.
Vor fast genau 2 Jahren wurden in Hanau 9 Menschen aus rassistischen Motiven erschossen.
Heute werfen Union, BILD und Co. Innenministerin #Faeser vor, für ein antifaschistisches Blatt geschrieben zu haben.
Ihr habt wirklich so gar nichts kapiert. Widerlich.
— Timon Dzienus (@Dzienus) February 5, 2022
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne) lobte, Antifaschismus sei eine „stabile Grundhaltung“ für eine Innenministerin.
Antifaschismus ist einfach eine stabile Grundhaltung für eine Innenministerin!#Faeser
— Sven Lehmann (@svenlehmann) February 6, 2022
SPD-Abgeordnete tritt VVN-BdA bei
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Timon Gremmels warf der Union vor, sie solle sich wegen der Kritik an Faeser schämen.
Die Union sollte sich was schämen. Ich bin froh und dankbar, dass eine Frau mit Haltung und klarem Wertekompass unsere Innenministerin ist! #Faeser
— Timon Gremmels, MdB (@Timon_Gremmels) February 5, 2022
Seine Fraktionskollegin Derya Türk-Nachbaur gab auf Twitter bekannt, sie sei wegen des Vorfalls nun in die linksextreme VVN-BdA eingetreten.
Die @vvn_bda wurde 1947 von verfolgten des Naziregimes und Widerstandskämpfer*innen gegründet. Sie hat sich dem Kampf gegen Nazis verschrieben.
Es sagt viel aus über die Menschen, die @NancyFaeser für ihren Gastbeitrag für die VVN angreifen.
Nicht viel Gutes übrigens…— Derya Türk-Nachbaur (@derya_tn) February 5, 2022
Etwas verhaltener stellte sich die FDP hinter die Innenministerin der gemeinsamen Koalition. Der stellvertretende FDP-Chef Konstantin Kuhle bescheinigte Faeser einen „klaren Wertekompaß“.
CDU/CSU, wenn der Inlandsnachrichtendienst von einem gefährlichen Verschwörungsideologen geführt wird: 😴😴😴
CDU/CSU, wenn die Bundesinnenministerin sich für ihr Amt interessiert, einen klaren Wertekompass hat und jede Form des politischen Extremismus ablehnt: 🤬🤬🤬
— Konstantin Kuhle (@KonstantinKuhle) February 5, 2022
Journalistische Schützenhilfe
Auch zahlreiche Journalisten sprangen Faeser zur Seite. Der Chefredakteur der Frankfurter Rundschau (FR), Thomas Kasper, etwa kommentierte die Berichterstattung seines Blattes mit den Worten: „Die Online-Redaktion überschreibt ihre nachrichtliche Zusammenfassung mit ‘Rechte Hetzkampagne gegen Nancy Faeser’ – wahrscheinlich ist es das sogar.“
Die Online-Redaktion überschreiben ihre nachrichtliche Zusammenfassung eine "Rechte Hetzkampagne gegen @NancyFaeser – wahrscheinlich ist es das sogar https://t.co/1fjBlRCEhF
— Thomas H. Kaspar (@Bibliothomas) February 5, 2022
Der ehemalige Tagesspiegel-Redakteur Matthias Meisner empörte sich unterdessen auf Twitter über das „Gegeifer“ von JF, Bild-Zeitung und CDU über den Gastbeitrag der Bundesinnenministerin. Die „Brandmauer gegen rechts“ wanke gefährlich, warnte er.
Das Gegeifer von #JungeFreiheit über @BILD bis @CDU über einen Gastbeitrag von @NancyFaeser für das @vvn_bda-Magazin #Antifa lässt die Brandmauer gegen rechts gefährlich wanken. Mein Kommentar für @tazgezwitscher https://t.co/zJOYIM791y
— Matthias Meisner (@MatthiasMeisner) February 6, 2022
Auch die Deutschlandfunk-Journalistin Ann-Kathrin Büüsker widersprach Faeser-Kritikern. „Einfach mal gucken, wie diejenigen, die am 27.01. mit ernster Miene ‘We Remember’-Schildchen in die Kamera gehalten haben, jetzt über die VVN-BdA sprechen. Sehr (!) erhellend“, twitterte sie.
Einfach mal gucken, wie diejenigen, die am 27.01. mit ernster Miene "We Remember"-Schildchen in die Kamera gehalten haben, jetzt über die VVN-BdA sprechen. Sehr(!) erhellend.
— Frau Büüsker (@uedio) February 6, 2022
Der FR-Lokalreporter Hanning Voigts monierte die Kritik an der SPD-Politikerin. „NSU, Walter Lübcke, Hanau, Idar-Oberstein, Veddel, und trotzdem steht für viele Liberale und Konservative der Feind weiter links. Auch 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges bleibt der Antikommunismus deutsche Leitkultur“, mahnte er.
NSU, Walter Lübcke, Hanau, Halle, Idar-Oberstein, Veddel, und trotzdem steht für viele Liberale und Konservative der Feind weiter links. Auch 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges bleibt der Antikommunismus deutsche Leitkultur.
— Hanning Voigts (@hanvoi) February 7, 2022
Unterdessen reißt die Kritik an Faeser aus den Reihen der Union nicht ab. „Jeder Demokrat ist Antifaschist. Aber nicht jeder Antifaschist ist Demokrat. Es gibt sogar Antifaschisten, die Antisemiten sind. Es ist traurig, daß es keinen Konsens unter Demokraten gibt, jede Art von Extremismus abzulehnen“, schrieb der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer am Sonntag abend auf Twitter.
Zuvor hatte er bereits angemerkt, daß bei der VVN-BdA Linksextreme den Ton angeben. „Der Verein wird zurecht im bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt und auch von Verfassungsschutzbehörden anderer Länder (nicht nur Bayern) beobachtet.“ Eine Innenministerin sollte „keinen Beitrag für ein Extremistenblatt verfaßt haben“. Hauer ergänzte: „Traurig, daß das offenbar kein Konsens unter Demokraten ist.“
Jeder Demokrat ist Antifaschist. Aber nicht jeder Antifaschist ist Demokrat. Es gibt sogar Antifaschisten, die Antisemiten sind. Es ist traurig, dass es keinen Konsens unter Demokraten gibt, jede Art von Extremismus abzulehnen. https://t.co/Wkkl8SFwjc
— Matthias Hauer (@MatthiasHauer) February 6, 2022
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), kündigte an, den Fall in den Innenausschuß zu thematisieren. Denn Faeser verweigere bislang jede „Erklärung und Abgrenzung zu einer Organisation, die als linksextremistisch beeinflußt gilt“.
Zuvor hatte der CDU-Innenexperte Christoph de Vries Faesers Rolle als Chefin des Inlandsgeheimdienstes betont. „Wie sollen sich die Mitarbeiter der Verfassungsschutzämter fühlen, deren Auftrag die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, wenn ihre oberste Dienstherrin mit Verfassungsfeinden auf Tuchfühlung geht“, kritisierte er in der Bild-Zeitung.
Der CSU-Abgeordnete Florian Hahn stellte klar: „Egal, ob Frau Faeser im Juli 2021 Bundesinnenministerin oder ‘nur’ SPD-Vorsitzende in Hessen war – man schreibt als Demokrat keine Artikel für ‘die größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus’.“ (krk, ls, fw)