BERLIN. Die Bild-Redakteurin und Bestsellerautorin Judith Sevinç Basad hat dem Axel Springer Verlag schwere Vorwürfe beim Umgang mit dem Thema „Wokeness“ gemacht und gekündigt. „Ich habe das Gefühl, daß ich nicht mehr über die Gefahren berichten kann, die von dieser gesellschaftlichen Bewegung ausgehen“, schrieb die junge Frau am Donnerstag in einem offenen Brief an den Bild-Chef Mathias Döpfner, in dem sie ihre Kündigung bekannt gibt.
Mit großem Bedauern habe ich meine Kündigung bei BILD eingereicht. Die Gründe dafür erkläre ich in einem offenen Brief an Axel-Springer-Chef Mathias Döpfnerhttps://t.co/sGbHSTMuDW
— Judith Sevinc Basad (@JSevincBasad) June 16, 2022
„Keine Thematik hat mich als Journalistin so sehr um den Verstand gebracht, wie der Aktivismus einer kleinen Minderheit, die offiziell behauptet, für Diversität zu stehen, aber eine im Kern radikale Ideologie verfolgt“, begründete sie ihre Entscheidung weiter. Die Bild-Zeitung habe sich bei dem Thema aber gegen sie gewandt.
Bild-Zeitung setzte Basad Pistole auf die Brust
So verhinderte das Blatt laut Basad etwa einen Artikel über die Gefahren einer medikamentösen Behandlung von Transsexualität. Kurz zuvor war ein Appell von fünf Wissenschaftlern zu diesem Thema in der Welt erschienen und hatte einen „Shitstorm“ ausgelöst. „Mir wurde gesagt, daß ich den Wissenschaftler-Aufruf kritisieren sollte, ansonsten würde der Artikel nicht erscheinen. De facto wurde von mir verlangt, daß ich genau das negativ darstelle, für was ich seit Jahren mit vollem Idealismus kämpfe: vor den Gefahren des woken Aktivismus zu warnen“, kritisierte Basad.
Am Folgetag sei der Konzern vollends vor „woken Aktivisten“ eingeknickt. In einem Brief an die Belegschaft sei genderkritischen Wissenschaftlern etwa „Hetze gegen Homosexuelle oder Transsexuelle“ vorgeworfen worden. „Der Verlag, von dem ich immer dachte, daß er sich mit einer klaren Haltung gegen Ideologien wehrt – ausgerechnet dieser Verlag übernahm mit diesem Brief genau die inhaltslose Rhetorik, mit der nicht nur ich, sondern jeder Mensch, der eine differenzierte Kritik der woken Bewegung betreibt, immer wieder als Menschenfeind diffamiert wird“, prangerte die ehemalige Politik-Redakteurin und Autorin des Buches „Schäm dich!“ an. Bild-Chefredakteur Johannes Boie widerspricht den Schilderungen auf Twitter. Er habe die junge Frau ermutigt, den Artikel zu schreiben, der am Ende lediglich nicht gehalten habe, was ihr Vorschlag zunächst versprochen hatte.
Stimmt, Judith, wir sind jetzt links! Döpfner rief eben nochmal an und hat mir das befohlen. Nebenbei: Auf Deinen Artikelvorschlag hatte ich ja „Do it!“ geantwortet – schade, dass der Text nicht hielt, was Dein Vorschlag versprochen hatte.
— Johannes Boie (@johannesboie) June 16, 2022
Döpfner vergleicht Gender-Kritik mit Holocaustleugnung
Laut Basad leugnet Döpfer die Existenz zweier biologischer Geschlechter und mache kritische Stimmen „in bester Manier der Cancel Culture“ mundtot. Der Verlag, der sonst gegen die „die übelsten Diktatoren der Welt“ schieße, lasse sich plötzlich „von der inhaltslosen Propaganda einer woken Minderheit in die Knie zwingen“ und verhöhne dabei noch die eigenen Journalisten als Menschenfeinde, wenn sie sich gegen dieses „bizarre Schauspiel“ wehrten.
Später habe Döpfner noch einmal die Position verteidigt, nicht alles ins Blatt zu bringen, was „den Eindruck von Wissenschaftlichkeit“ vermittle. Als untermauerndes Beispiel nannte er laut Basad Studien von Holocaustleugnern. „Ich weiß nicht genau, in welche Richtung Axel Springer gerade steuert, welche neuen Ideale von ‘Vielfalt und Freiheit’ in der Unternehmenskultur zukünftig etabliert werden sollen.“ (zit)