Fußballstadien in den Farben des Regenbogens in ganz Deutschland, Tausende Regenbogenflaggen, die verteilt werden. Firmen, Politiker, Einrichtungen und Polizeibehörden die sich demonstrativ in den Farben der Homosexuellen-Bewegung präsentieren: Am Tag des EM-Spiels Deutschland gegen Ungarn in München scheint die Begeisterung für die LGBTQ-Bewegung sowie die Empörung über ein Gesetz in Ungarn, das deren Anhänger angeblich diskriminiert, keine Grenzen mehr zu kennen.
„Laßt uns den Regenbogen durchs Land tragen“, twitterte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Stephanie Stauss vom Bayerischen Rundfunk griff die Parole in ihrem Kommentar für die Tagesthemen am Dienstag abend dankbar auf: „Das Münchner Stadion darf nicht in Regenbogenfarben erstrahlen. Gut, daß das jetzt andere machen, wie Frankfurt, Berlin oder auch Augsburg. Macht die Lichter an, überall!“ forderte sie. Zahlreiche Medien wie Süddeutsche Zeitung und Welt ließen sich das nicht zweimal sagen und druckten ihre Titel-Seiten in Regenbogenoptik oder färbten ihre letzte Seite wie die Bild in bunt.
„Lehrmeister Europas“
Doch bei aller Begeisterung gibt es auch Stimmen, die vor der zunehmenden politischen Aufladung der Partie warnen. Zu ihnen zählt der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Hoffmann. Der JF sagte er: „Wir sollten einfach mal aufhören, uns immer zum Lehrmeister Europas aufzuschwingen. Ich finde Orbans Politik auch nicht gut. Allerdings glaube ich, daß die Botschafterfunktion des Fußballs eher beschädigt wird, wenn sich am Ende ein ganzes Land an den Pranger gestellt fühlt.“
Orban sei nicht gleich Ungarn. „Ich hätte es begrüßt, wenn die Uefa vorab entschieden hätte, während der EM grundsätzlich alle Stadien in den Regenbogen-Farben anzustrahlen – das wäre ein starkes Signal gegen Homophobie gewesen. Daß das aber gezielt als Zeichen anläßlich des Spiels Deutschland gegen Ungarn gemacht werden soll, halte ich für kontraproduktiv. Diese Art von Symbolpolitik lehne ich ab, auch weil das neue Gräben zieht.“
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft, Gerhard Papke. Er frage sich, warum ein solches Zeichen nicht Beispiel auch beim EM-Spiel gegen Frankreich gesetzt worden sei. Dann hätte es auch eine andere Debatte gegeben, sagte er dem Tagesspiegel. So aber sei die Stoßrichtung klar gegen Ungarn gewesen.
DFB als Flaggenverteiler
„Das Ganze war eben nicht geplant als allgemeine Aktion für Diversität und Liberalität, sondern als politische Demonstration gegen Ungarn.“ Mit einer regenbogenfarbenen Allianz-Arena hätte man Ungarn vor der Weltöffentlichkeit entwürdigt und bloßgestellt. „Ein Land, dem wir Deutschen so viel zu verdanken haben. Ist das jetzt die neue Form deutscher Gastfreundschaft?“.
Als Protest gegen Ungarn aber auch gegen die Weigerung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) will der Dachverband des Christopher Street Day (CSD) Deutschland am Mittwoch vor dem Stadion in München 10.000 Regenbogenflaggen an die Fans verteilen. Unterstützt wird er dabei auch vom Deutschen Fußball-Bund (DFB). Dessen Vize-Präsident Rainer Koch sagte am Dienstag, er bedauere es sehr, daß die Arena nicht in Regenbogenfarben erstrahlen dürfe. Die deutsche Sicht sei jedoch anders als die Perspektive der Uefa.
— UEFA (@UEFA) June 23, 2021
„Aus unserer nationalen deutschen Sicht ist unsere Haltung klar: die Entscheidung des ungarischen Parlaments entspricht in keiner Weise unseren Überzeugungen und unserer Haltung, sie ist aus unserer Sicht ein absolutes ‘No-Go’.“ Umso wichtiger sei es, jetzt sehr klar zu machen, daß Deutschland sichtbare Zeichen setzen wolle. „Dazu ist morgen beim Spiel gegen Ungarn für alle Zuschauer die erste Gelegenheit. Und das können wir alle gemeinsam beeinflussen. Deswegen unterstützen wir auch den CSD Deutschland bei der Organisation der Verteilung von 10.000 Regenbogenfahnen am Stadion.“
Ungarn setzt auf Rot-Weiß-Grün
Dem bunten Treiben in Deutschland will man in Ungarn unterdessen nicht tatenlos zusehen. Laut Bors-Online beschloß Gábor Kubatov, Präsident des Fußballvereins Ferencváros und stellvertretender Fidesz-Chef, am Dienstag, die Groupama Aréna in Budapest mit den rot-weiß-grünen Farben der ungarischen Nationalflagge zu hüllen.
Er bat auch andere Klubvorsitzende, sich seiner Initiative anzuschließen. Tamás Deutch, Präsident des Sportverbands MTK und Abgeordneter des Fidesz, erklärte, er werde sich Kubatov anschließen. Die Karpatenbrigade, eine der größten ungarischen Fangruppen, teilte auf ihrer Facebook-Seite mit, sie rechne am Mittwoch in München mit Provokationen. Deshalb rieten sie allen Anhängern, sich an die deutschen Regeln zu halten, um Geldstrafen zu vermeiden.
Besorgt zeigte sich auch der Chefredakteur und Herausgeber der Budapester Zeitung, Jan Mainka. Mit falschen Informationen würde bewußt Stimmung gegen Ungarn gemacht, sagte er der JF. „Im Zuge der aufgeheizten Stimmung werden in den sozialen Medien inzwischen Anschuldigungen über Ungarn behauptet, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Zum Beispiel, daß es massive Gewaltausbrüche von Rechtsextremen und Polizeikräften gegen LGBTQI-Anhänger gebe.“