TÜBINGEN. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hat sich für seine Aussage entschuldigt, man würde Menschen vor dem Corona-Virus retten, die ohnehin bald tot wären. „Niemals würde ich älteren oder kranken Menschen das Recht zu leben absprechen“, sagte Palmer am Dienstag abend der Nachrichtenagentur dpa. Falls er sich „da mißverständlich oder forsch ausgedrückt“ habe, tue ihm das leid.
Noch wenige Stunden zuvor hatte der Oberbürgermeister gegenüber der FAZ eine Entschuldigung abgelehnt: „Ich weiß nicht, wie ich mich für Fakten entschuldigen könnte“, sagte er.
Palmer hatte am Dienstag morgen im SAT.1-Frühstückfernsehen eine Lockerung der Corona-Maßnahmen gefordert. Er befürchte eine weltweite Zerstörung der Wirtschaft durch den Lockdown. Man müsse den Fokus auf die Kinder setzen, deren Zukunft durch den Ausnahmezustand bedroht sei.
Kritik von Parteikollegen
„Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären“, untermauerte Palmer seine Ansicht zu den staatlichen Einschränkungen wegen der Corona-Krise.
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) bezeichnete die Aussage seines Parteikollegen als „sozialdarwinistisch“. Ein Staat, der so handle, wie von Palmer gefordert sei inhuman.
Die Position von Boris Palmer, es sei falsch, Menschen zu retten, die eh bald sterben, halte ich für sozialdarwinistisch. Ein Staat, der sagt, Menschen über 80 mit Vorerkrankungen werden zur Vermeidung negativer wirtschaftlicher Folgen nicht gerettet, ist inhuman.
— Fritz Kuhn (@FritzKuhn1) April 28, 2020
Auch aus den Reihen der baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktion wurde Palmers Position kritisiert. Deren Vorsitzender Winfried Mack teilte mit: „Für uns Christdemokraten ist eine solche Politik völlig inakzeptabel. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt – und zwar jeder Mensch.“ (zit)