BERLIN. Der Wechsel von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als Staatssekretär ins Bundesinnenministerium hat nicht nur in den Oppositionsreihen heftige Kritik ausgelöst. Auch in der SPD sind zahlreiche Politiker verärgert. „Der Geduldsfaden mit dieser Großen Koalition wird in der SPD extrem dünn“, sagte Vizeparteichef Ralf Stegner. Maaßens Beförderung sei eine „gravierende Fehlentscheidung, die der Politik insgesamt auf die Füße fallen wird“.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte im ZDF-„heute-journal“ die Versetzung durch Innenminister Horst Seehofer (CSU): „Da muß man auch nicht drum herumreden, das ist eine sehr bemerkenswerte Entscheidung, die Herr Seehofer getroffen hat.“ Immerhin sei klar geworden, daß Maaßen auch das Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel(CDU) verloren habe. „Ein SPD-Bundesinnenminister hätte Herrn Maaßen nicht in sein Ministerium geholt.“
Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel fand harte Worte für den auch von seiner Partei mitgetragenen Kompromiß. „Wenn Illoyalität und Unfähigkeit im Amt jetzt mit Karrieresprüngen belohnt werden, dann hat Horst Seehofer die Chance, noch UN-Generalsekretär zu werden“, teilte Gabriel mit. „Das ist doch irre.“
#Maaßen wird für sein Versagen im Amt befördert. Wenn Illoyalität und Unfähigkeit im Amt der neue Maßstab für Karriere sind, dann hat Horst #Seehofer gute Chancen bis zum UNO Generalsekretär aufzusteigen.
— Sigmar Gabriel (@sigmargabriel) September 18, 2018
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der Rheinischen Post, die Autorität der Kanzlerin habe durch die Konflikte mit der CSU-Spitze „erheblichen Schaden genommen“. Maaßens Beförderung werfe „ein schlechtes Licht auf die Haltung von Horst Seehofer und die Durchsetzungskraft von Angela Merkel“. Bestimmte Dinge dürfe sich eine Kanzlerin nicht bieten lassen.
Grüne kritisieren SPD
Auch mehrere Grünen-Politiker kritisierten die Entscheidung. „Das ist eine unfaßbare Mauschelei.“ Wer „illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD“ belohne, anstatt es zu ahnden, habe jedes Gespür für Anstand verloren – „und die SPD macht alles mit“, sagte die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt.
Ihr Parteikollege Konstantin von Notz ergänzte in der Welt, die Ablösung Maaßens als Verfassungsschutzchef biete einen möglichen „strukturellen Neuanfang“. Seehofers Verhalten wertete er als „finales Eingeständnis der eigenen politischen Wankelmütigkeit und der anhaltenden, völligen Orientierungslosigkeit in zentralen innenpolitischen Fragen“. Parteichef Robert Habeck schrieb auf Twitter, die Entscheidung zerstöre mehr als sie heile. Sie sei „sein persönliches Ende dieser Regierung“.
Auch von FDP-Chef Christian Lindner kam Kritik. „Die Beförderung von Herrn Maaßen ist eine formelhafte Scheinlösung. Entweder man vertraut ihm oder nicht“, monierte Lindner. „Das Theater offenbart am Ende nur, daß die Koalition keine Linie und keine Konsequenz hat. Am Ende gibt es nur Verlierer inklusive der Menschen, die diese Farce in jedem Fall nur mit Kopfschütteln verfolgen können.“
Der Fraktionschef der Linkspartei, Dietmar Bartsch, bezeichnete die Beförderung als „Farce“ und kommentierte: „Illoyalität lohnt sich“. Das Bundesinnenministerium dürfe keine Resterampe für „politisch unhaltbare Beamte“ sein. Linksparteichefin Katja Kipping lobte dagegen gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland die SPD: „Auch wenn das Ergebnis am Ende etwas halbherzig ist, zeigt die Ablösung Maaßens von der Spitze des Bundesverfassungsschutzes, daß es sich lohnt, wenn die SPD mal entschieden auftritt.“
Entscheidung #Maaßen zum Staatssekretär in die #BuReg zu befördern ist einvernehmlich von #Union und #SPD getroffen worden. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller Demokraten in diesem Land, dass eine derart zwielichtige Figur wie #Maaßen für sein Fehlverhalten auch noch belohnt wird
— Sahra Wagenknecht (@SWagenknecht) September 19, 2018
Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sieht das anders. „Es ist ein Schlag ins Gesicht aller Demokraten in diesem Land, daß eine derart zwielichtige Figur wie Maaßenfür sein Fehlverhalten auch noch belohnt wird“, kritisierte sie auf Twitter.
AfD sieht Maaßen als Opfer der Kanzlerin
Die AfD sieht Maaßen als Opfer der Kanzlerin. „Jeder, der Merkels rechtswidrige Einwanderungspolitik kritisiert, wird von der etablierten Politik gnadenlos durch die Mangel gedreht. Nun hat es, mitten im bayerischen Wahlkampf und über den Kopf des CSU-Innenministers Horst Seehofer hinweg, Verfassungsschutz-Präsident Maaßen getroffen“, schrieb die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bereits am Montag auf Facebook und ergänzte am Mittwoch: „Die Menschen wollen endlich Problemlösungen, statt Scheindebatten, Fakevideos in den Nachrichten, Postengeschiebe oder gar ein von Merkel offensichtlich angestrebtes schwarz-grünes Bayern!“
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AfD-Parteichef Jörg Meuthen sagte, wenn die CSU noch „einen Funken Würde und Selbstachtung hat“, müsse Seehofer jetzt zurücktreten. Die CSU solle die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufkündigen, anstatt Merkel weiter auf ihrem „Marsch nach ganz links“ zu folgen.
Am Dienstag hatten sich Merkel, Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles darauf geeinigt, daß Maaßen den Posten als Verfassungsschutzchef räumt und auf den höher besoldeten Posten als Staatssekretär ins Innenministerium wechselt. Wie am Mittwoch bekannt wurde, wird dafür keine neue Stelle geschaffen. Statt dessen wird Bau-Staatssekretär Gunther Adler, ein SPD-Mann, in den Ruhestand versetzt. Maaßen soll laut Bild-Zeitung für Innere Sicherheit und Cyberkriminalität zuständig sein. (ls)