Seit 2010 verwendet die Bundeswehr in Afghanistan die unbemannten und unbewaffneten Aufklärungsflugzeuge des Typs „Heron 1“. Jetzt wird nicht nur in der Bundeswehr über die Beschaffung von Kampfdrohnen diskutiert, die als Luftunterstützung für deutsche Soldaten im Gefecht eingesetzt werden können. Die Debatte scheint sich vordergründig nur um ethische Fragen zu drehen.
Bei Frank Rieger vom „Chaos Computer Club“ ist vom ersten Schritt hin zu autonom kämpfenden Flugrobotern die Rede. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Vorsitzender der katholischen Organisation „Justitia et Pax“, befürchtet sogar die Absenkung der „Schwelle zur Gewaltanwendung“. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) teilt diese Bedenken nicht, schließlich macht eine bewaffnete Drohne genau das, was ein bewaffnetes Flugzeug auch tun würde:
Nur Linkspartei lehnt Kampfdrohnen ab
Sie bekämpft Ziele erst dann, wenn ein Soldat den entsprechenden Knopf drückt. Sie kann aber länger, kostengünstiger und risikoärmer eingesetzt werden als Kampfflugzeuge, weil der Pilot nicht mehr im Cockpit, sondern an einer Fernsteuerung sitzt. Zudem ist es fraglich, ob ein Kampfpilot, der gestreßt ist und sein Ziel auch nur am Bildschirm sieht, eine höhere „Schwelle zur Gewaltanwendung“ hat als ein Computerbediener.
Das ist aber nur eine Scheindebatte. Der politische Widerstand richtet sich gar nicht gegen die Beschaffung an sich. Nur die Linkspartei lehnt den Kauf von Kampfdrohnen kategorisch ab, selbst die Grünen können sich nicht zu einem klaren Nein durchringen: Deren verteidigungspolitische Sprecher, Omid Nouripour und Agnieszka Brugger, verlangen lediglich eine „ausreichende Debatte“ und möchten erklärt haben, wofür die Kampfdrohnen eingesetzt werden sollen. Es geht vielmehr um den Zeitpunkt der Beschaffung und – hier ist der Knackpunkt – um den Hersteller. So befürworten die Verteidigungsexperten Ernst-Reinhard Beck (CDU) und Rainer Arnold (SPD) die Beschaffung solcher Fluggeräte, allerdings nur von europäischen Waffenbauern.
Militärische Zweckmäßigkeit gegen Industrieüberlegungen
2009 entschied sich der Staatssekretär für Haushalts- und Rüstungsangelegenheiten, Rüdiger Wolf, gegen den Kauf einer bewaffneten Drohne. Stattdessen mietete das Verteidigungsministerium drei Stück der von Israel Aerospace Industries (IAI) produzierten „Heron 1“. Mit einer Flughöhe von maximal 9.000 Metern kann sie bis zu 24 Stunden in der Luft bleiben. Damit ist sie für die derzeitigen Feinde der Bundeswehr faktisch unangreifbar und kann sehr große Gebiete überwachen.
Die Beschaffung gerade dieses Typs war schon 2009 umstritten. Genau wie heute hatte die Bundeswehr den Kauf bewaffneter Drohnen gefordert, nämlich die praxiserprobte „Predator“ der amerikanischen Firma General Atomics. Nur dieses Gerät soll die militärischen Vorgaben komplett erfüllt haben. Trotzdem wurde die „Heron 1“ gemietet. Und das nicht bei den Israelis selbst, sondern bei der sogenannten „Defence-Sparte“ der in Düsseldorf ansässigen Rheinmetall AG, die auch die Wartung und Instandsetzung im Einsatzland übernommen hat. Damit war also ein deutscher Waffenbauer im Spiel – was bei der „Predator“ nicht der Fall gewesen wäre.
Mit diesem Vorgehen hätten unzufriedene Militärs nach Angaben des Handelsblatts damals schon geargwöhnt, daß hier nicht etwa militärisch zweckmäßige, sondern industriepolitische Überlegungen für die Entscheidung ausschlaggebend gewesen seien. Ende 2012 hat die Rheinmetall AG diesen Vertrag dann an das neu gegründete Unternehmen „Rheinmetall Airborne Systems“ (RAS) übertragen und 51 Prozent der Neugründung an „Cassidian“ verkauft – ein Unternehmen, das zu Europas zweitgrößtem Rüstungskonzern „European Aeronautic Defence and Space Company“ (EADS) gehört. Mitte Juli hat RAS bekanntgegeben, daß der Auftrag mit der „Heron 1“ zunächst einmal bis Oktober 2014 verlängert wird. IAI bleibt also „Unterauftragnehmer“, deutsche und europäische Waffenbauer sind weiterhin im Geschäft.
Europäer können wohl erst 2020 liefern
Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, hat nun aber erneut von der Politik die Beschaffung einer bewaffneten Drohne ab 2014 gefordert und wiederum die „Predator“ ins Spiel gebracht, ein Produkt, mit dem Rheinmetall und EADS derzeit noch nicht konkurrieren können. Sie werden wohl nicht vor 2020 eine eigene einsatzfähige Kampfdrohne im Programm haben. Der Chef des Bundeswehrverbands, Oberst Ulrich Kirsch, äußerte sich in Müllners Sinne: „Wir können nicht warten, bis die europäischen Partner eine eigene Drohne entwickelt haben“, sagte er der Passauer Neuen Presse. Kirsch begründet die Forderung mit dem Schutz deutscher Soldaten.
Die relevanten Konfliktlinien dieser politischen Auseinandersetzung verlaufen also nicht zwischen Friedensbewegten und Militärs, wie man bei der Debatte um fliegende Kampfroboter und „Schwellen der Gewalt“ vielleicht meinen könnte. In einer etwas groben Darstellung sind zwei Streitparteien auszumachen: Auf der einen Seite stehen die, die sofort eine militärisch zweckmäßige Lösung verlangen, weil sie „vom Einsatz her denken“ und das beste Material für unsere Soldaten verlangen. Auf der anderen Seite stehen die, die im Sinne der europäischen Rüstungsindustrie handeln und damit wahrscheinlich nicht nur Arbeitsplätze, Forschung und Geld im Sinn haben, sondern auch das Machtpotential, welches sich aus der Weiterentwicklung der Waffenbauer im eigenen Land ergibt.
In acht bis zehn Jahren sollte sich dieser Konflikt erledigt haben, wenn die Europäer eigene Kampfdrohnen bauen. Bis dahin stellt sich die Frage, ob deutsche Soldaten durch das Fehlen einer solchen Waffe unnötig gefährdet werden oder nicht. Und falls dies der Fall ist, inwiefern rüstungspolitische Gründe mit der Sicherheit der Soldaten abgewogen werden können. Das wäre zwar keine ethische Frage, wie „Justitia et Pax“ sie gestellt hat, eine ethische Frage wäre es aber doch.
JF 42/12