ROM. Nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Mario Draghi und den ausgerufenen Neuwahlen ist die EU in größter Sorge um Italien. Die drittgrößte Volkswirtschaft des Staatenbundes könnte in nicht einmal zwei Monaten von einem Rechtsbündnis regiert werden. Denn in den Umfragen liegen mit 23 Prozent die „Brüder Italiens“ vorn, die Fratelli d’Italia. Angeführt wird sie von einer Frau: Giorgia Meloni.
Diese sind tatsächlich die rechteste Partei des Landes – in der politischen Ausrichtung gefolgt von der Lega Matteo Salvinis und der Forza Italia Silvio Berlusconis. Die drei Parteien zusammen könnten nach den Wahlen am 25. September eine neue Regierung bilden. Von der rechtesten seit Benito Mussolini ist die Rede. Das Regime des Duce führte Italien von 1922 bis 1943.
Meloni sagte einmal, sie habe ein entspanntes Verhältnis zum Faschismus. Die Politikerin wäre nicht nur die erste Ministerpräsidentin des Landes, sie wäre laut Beobachtern „die rechteste seit dem faschistischen Diktator Benito Mussolini“. Das schreibt die Welt. Und die New York Times warnt bereits vor der „düsteren“ Zukunft Italiens, sollte die 45jährige das wichtigste Amt des Landes bekommen.
Nähe zum Faschismus
Die Spitzenkandidatin war unter Berlusconi 2008 jüngste Ministerin. Dann ging sie eigene Wege und gründete mit den Fratelli d’Italia ihre Partei. Im Logo brennt die gleiche Flamme in den Nationalfarben Grün-Weiß-Rot wie in dem der faschistischen Nachfolgepartei MSI. Fragen zum Faschismus wehrt sie aktuell ab. Sie wolle nicht immer über die gleichen alten Themen sprechen, sagt sie. Damit hat sie Erfolg.
Melonis Aufstieg ist beispiellos. Bei den vergangenen Wahlen vor vier Jahren erhielt sie nur rund vier Prozent. Nun könnte ihre Partei den Stimmenanteil versechsfachen. Gegen die praktische Allparteienkoalition Draghis, der auch Salvinis Lega angehörte, fuhr sie von Anfang einen scharfen Oppositionskurs. Dieser zahlt sich nun aus. Salvini, dem der Pakt mit dem Mainstream vorgehalten wird, wurde von Meloni abgehängt. Seine Lega liegt nur noch bei 14,7 Prozent.
Brüssel in heller Aufregung
Weil Meloni die EU in ihrer jetzigen Form ablehnt und wie einst Charles de Gaulle ein Europa der Vaterländer bevorzugt, herrscht in Brüssel helle Aufregung. Zumal die Brüder Italiens enge Kontakte zu Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán und Polens grauer rechtskonservativer Eminenz Jaroslaw Kaczynski pflegen. Das EU-kritische Lager würde mit Melonis Wahl enormen Rückenwind bekommen. Denn Italien ist nicht nur drittgrößte Volkswirtschaft, sondern auch Gründungsmitglied der Europäischen Union.
Würde das Land vom Brüssel-treuen Draghi zu den EU-Kritikern wechseln, wäre dies eine weitere Katastrophe für den Staatenbund nach dem Austritt Großbritanniens. (fh)