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Studienzentrum Weikersheim, Burg Lichtenberg

Anne Will: Flucht vor der Realität

Anne Will: Flucht vor der Realität

Anne Will: Flucht vor der Realität

Die Talkrunde von Anne Will am 02.12.2015 Foto: ard
Die Talkrunde von Anne Will am 02.12.2015 Foto: ard
Die Talkrunde von Anne Will am 02.12.2015 Foto: ard
Anne Will
 

Flucht vor der Realität

Wer in einer Gesprächsrunde im Ersten gegen die Asylkrise anredet, kommt mit Sachargumenten nicht weit. Bei „Anne Will“ trafen am Mittwoch fünf Diskussionsteilnehmer aufeinander, die den Beweis erbrachten, wie stark gespalten die Gesellschaft ist.
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Wer in einer Gesprächsrunde im Ersten gegen die Asylkrise anredet, kommt mit Sachargumenten nicht weit. Das mußte Armin Paul Hampel, Landesvorsitzender der AfD Niedersachsen, gestern Abend erfahren. Gelang es Frauke Petry zwei Tage zuvor noch, die Plasberg-Runde zu dominieren und Präsenz auszustrahlen, kämpfte Hampel bei „Anne Will“ gegen eine faktenresistente Berlinerin an.

Diana Henniges gründete 2013 die Bürgerinitiative „Moabit hilft“. Engagierte sich die 38-Jährige zunächst ehrenamtlich für Migranten, steht die Historikerin nun bei der Caritas in Lohn und Brot. Das, glaubt sie, mache sie zur authentischsten Expertin. Entsprechend trat sie mit Zwischenrufen Erscheinung, vor allem wenn AfD-Mann Hampel das Wort ergriff.

Ghettoisierung und andere Probleme

Was war das Thema der gestrigen Sendung? Natürlich „Flüchtlinge“: „Bürgerproteste gegen die Flüchtlingspolitik – Werden sie ernst genug genommen?“ Dafür lud die Redaktion zusätzlich Jan Greve, den Mitbegründer der „Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek – Nein! Zur Politik Ja zur Hilfe!“, Ulf Küch, den Chef der Braunschweiger Kriminalpolizei und den Berliner SPD-Vorsitzenden Jan Stöß ein.

Greve moniert, daß die deutsche Politik völlig unvorbereitet mit der Masseneinwanderung konfrontiert worden sei. In Hamburg will er mit seiner Initiative ein Mega-Asylheim mit 3.000 Plätzen verhindern. Direkt neben der geplanten Unterkunft befinden sich weitere Unterkünfte mit insgesamt 1.400 Unterbringungsmöglichkeiten. In welchen Dimensionen diese Zahlen liegen, machte der 42-Jährige deutlich, als er klarstellte, daß die CDU noch Anfang des Jahres 250 Asylbewerber als zu viel für Neugraben-Fischbek befand. Nun sollen es fast achtzehnmal so viele sein. Tritt dies tatsächlich ein, seien Ghettoisierung und andere Probleme vorprogrammiert, meint der IT-Spezialist.

Integration gelingt nur in kleinen Schritten

Der Berliner SPD-Vorsitzende konnte diesen Frontalangriff auf die Politik nicht einfach so hinnehmen und warf ein, Greve könne nicht sagen, Asylunterkünfte ja, nur nicht vor meiner Haustür. Der Einwurf prallt am Hamburger ab. Er ist kein Krawallo oder Rechtsextremer. Seine Bürgerinitiative schlug vor, 1.500 Asylbewerber aufzunehmen. Kleinteilige Planung, Schritt für Schritt, nur so könne Integration gelingen.

Wie sehr die Politik nach Angela Merkels Schleusenöffnung überfordert wurde, macht auch der Chef der Braunschweiger Kriminalpolizei Ulf Küch deutlich. Er leitet die bundesweit erste Sonderkommission, die sich ausschließlich mit Kriminalität unter Asylbewerbern beschäftigt. In einem Stadtteil in Braunschweig sei die Kriminalität explodiert, nachdem in einer ehemaligen Kaserne anstatt der geplanten 400 bis 700 Menschen plötzlich 4.000 Asylbewerber beherbergt wurden. Um den Mißbrauch von Straftaten durch Migranten der Politik und einer Zuspitzung der Lage vorzubeugen, beschäftigen sich 14 Beamte in der Sonderkommission mit Straftaten von Asylsuchenden. Die fand heraus, daß kriminelle Banden die Asylkrise ausgenutzt hätten, um krumme Dinger zu drehen.

Küch wies allerdings darauf hin, daß die Kriminellenquote unter den 30.000 Asylbewerbern, die die Landesaufnahmestelle in Braunschweig durchliefen, zwischen einem und 1,5 Prozent liegt. Hampel entgegnete, daß der Bevölkerung egal sei, wieviel Prozent es denn nun sind, sie seien vielmehr über den Anstieg der Kriminalität verärgert.

Die Asylbewerber sollen in „Großstandorte“

Stimmung kam im Studio auf, als Will den Berliner SPD-Politiker vorführte und fragte, ob die Politik etwas versäumt habe. Stöß antwortete mit ernster Miene: „Die Sorgen der Menschen ernst nehmen, heißt auch, daß man die Wahrheit sagt.“ Das Publikum brach in Gelächter aus. Jeden Monat kämen 15.000 Asylbewerber in Berlin an. Es bliebe nichts anderes übrig als „Großstandorte“ anzubieten. Ein Einspieler zeigte die dramatische Lage an der Berliner Erstaufnahmestelle Lageso. Stöß sei „nicht glücklich“ darüber, doch man arbeite daran. „Das sieht aber niemand“, konterte die überraschend aggressive Moderatorin. Wieder Gelächter.

Gegen Ende der Sendung unternahm Hampel noch einen letzten Versuch, Fakten einzubringen. Er sprach von einem „kontinuierlichem Rechtsbruch“ der Regierung in Bezug auf Artikel 16a des Grundgesetzes, der das Asylrecht regelt. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, heißt es dort. „Irgendwie paßt das nicht so recht zu dem, worüber wir hier gerade sprechen“ unterbrach Anne Will ihren Gast, der davor warnte, die Politik könne Rechtsbrüche nun auch in anderen Bereichen folgen lassen.

Forderung: Wir brauchen mehr Beamte

Das eigentliche Thema der Sendung geriet immer mehr ins Abseits. Stattdessen waren sich bis auf Jan Stöß am Ende alle einig: Die Politik habe versagt. Drastische Unterschiede in den Lösungsvorschlägen zeigten, wie sehr das Thema die Gesellschaft spaltet, was auch am Applaus der Zuschauer im Studio deutlich hörbar war. Henniges erhielt Klatscher dafür, daß sie die Flüchtlings- in eine Verwaltungskrise umtaufte und dem Problem mit einer massiven Aufstockung der Beamten Herr zu werden glaubt. Der Hamburger Gast warnte vor Massenunterkünften und schwört auf kleinteilige Integration.

Selbst Hüch, mit seinen Attacken gegen Hampel zum Publikumsliebling werden wollte, warnte: „Wenn wir jetzt nichts machen, stehen wir bald vor einem polizeilichen Problem.“ Der bittere Nachgeschmack des Abendtalks ist jedoch: Recht und Gesetz sind in der Asylkatastrophe längst ausgehebelt und keinen aus der Runde außer Hampel scheint’s zu stören.

Die Talkrunde von Anne Will am 02.12.2015 Foto: ard
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