FRANKFURT AM MAIN. Die Frankfurter Ethnologie-Professorin Susanne Schröter hat in einem Interview umfassend mit dem Wissenschaftsbetrieb in Deutschland abgerechnet. „Wer nicht woke ist, macht keine Karriere“, sagte sie dem Cicero. Anlaß für das Gespräch ist die Auflösung von Schröters Forschungszentrum Globaler Islam zum Monatsende.
Die 67jährige führte weiter aus, sie kenne mehrere Fälle, in denen Doktorarbeiten faktisch gescheitert seien, weil die Ergebnisse nicht ins gewünschte Bild gepaßt hätten. Konkret verweist sie auf die postkoloniale Theorie. Wer sich diese nicht zu eigen mache, habe „kaum Chancen auf eine wissenschaftliche Karriere“. Es gebe heute „überall Scheren im Kopf“. Förderorganisationen würden Konformität mit bestimmten ideologischen Vorgaben verlangen.
Zugleich zählt die Professorin auch ihre Kollegen an. Sie selbst habe „wochenlange Angriffe von Aktivisten, woken Professoren und Studenten“ gegen sich erlebt. Im persönlichen Umgang seien Kollegen nie feindselig gewesen. „Aber wenn Kampagnen losgingen, waren plötzlich auch Kollegen dabei, die mir wenige Tage zuvor noch freundlich im Flur begegnet waren oder mit denen ich vollkommen normale Telefonate geführt hatte.“
Schröter berichtet von Kollegen-Neid
Das von Schröter 2014 gegründete Forschungszentrum Globaler Islam an der Goethe-Universität Frankfurt wird zum Monatsende aufgelöst. Das Zentrum hatte sich mit einer kritischen Perspektive auf den Islam einen bundesweiten Namen gemacht; es gab den wichtigsten Kritikern des Islamismus Raum. Schröter persönlich geriet deswegen immer wieder unter Beschuß von Islamisten und Linken.
Nach ihren Angaben hatte es eigentlich eine Vereinbarung gegeben, das Zentrum über ihre Pensionierung hinaus fortzuführen. Daß diese nun nicht umgesetzt werde, habe politische Gründe. „Im Rahmen unseres Forschungszentrums wurde der Islam in allen seinen Facetten untersucht – von seinen liberalen Spielarten über legalistische Formen des Islamismus bis hin zum extremistischen Islam.“ Das habe nicht allen gefallen.
Darüber hinaus verweist Schröter auf Neid von Kollegen. „Wir hatten volle Säle, Medienberichte in allen wichtigen Zeitungen und Fernsehanstalten, großes Interesse von Politikern und Praktikern. Das ist für wissenschaftliche Einrichtungen ungewöhnlich, und es erzeugt Neid.“ Einige Kollegen hätten ihr gegenüber geklagt, daß sie keine öffentliche Aufmerksamkeit bekämen. „Andere haben offenbar Pläne geschmiedet, um bei geeigneter Situation gegen mich vorzugehen.“
„Kritische Islamforschung kaum noch möglich“
Bei Facebook machte Schröter auch der Politik Vorwürfe. „Letztendlich war niemand bereit, sich für eine kritische Islamforschung, wie wir sie viele Jahre lang vertreten haben, stark zu machen. Da das Thema des Islamismus allerdings von zunehmender Bedeutung sein und unsere Gesellschaft in einer Weise herausfordern wird, die sich bislang nur wenige klar machen, ist diese Bankrotterklärung der Politik umso bedauerlicher.“
Gegenüber dem Cicero zieht Schröter ein ernüchtertes Fazit. „Kritische Islamforschung, insbesondere zu legalistischem Islamismus, ist an deutschen Universitäten kaum noch möglich.“ Neben Münster und Bonn kenne sie kaum Standorte, an denen kritische Stimmen geduldet würden. Auf die Frage, ob sie jungen Menschen heute raten würde, Ethnologie zu studieren, antwortete die Ethnologie-Professorin: „Ehrlich gesagt: im Moment nicht.“
Schröter selbst hat angekündigt, weiter Aufklärungsarbeit zum politischen Islam leisten, weiter forschen und ihre Vortragstätigkeit ausbauen zu wollen. Ihr Ideal sei der Aufbau eines islamkritischen Think Tanks oder einer Dokumentationsstelle. „Der Islamismus ist die größte Gefahr für die liberale Demokratie“, schrieb sie am Sonntag bei Facebook. (ser)