Sie habe zum ersten Mal das Gefühl, daß „Leute wirklich versuchen werden, uns zu töten“. Kein Wunder, ist in dem Aufruf, der Frankreich entsetzt, doch die Rede davon, die Schädel Marguerite Sterns und Dora Moutots „zu zertrümmern“. Doch wer will der Feministin und ihrer Koautorin ans Leben? Neonazis? Islamisten?
Die Erklärung, die jungen Frauen ermorden zu wollen, stammt von der anonymen Netzseite „Paris Luttes Info“ und ist unterzeichnet von „einer bewaffneten Bande von Transen“. Wie ernst die Ankündigung zu nehmen ist, ist die Frage. Stern jedenfalls zeigt sich gegenüber der Presse verängstigt, hatten doch erst jüngst Linksextreme versucht, eine Signierstunde zu stören, wobei die Polizei 55 Personen festnahm und neben Farbe und Eiern Schlagstöcke, Messer und Sprengstoff sicherstellte.
Die Vorkommnisse fügen sich ein in eine Serie von Angriffen, eingeworfene Fenster, Brandstiftung, in deren Folge mehrfach Veranstalter Vorträge Sterns absagten. Stein des Anstoßes ist ihr im April erschienenes Buch „Transmania. Eine Untersuchung der Auswüchse der Transgenderideologie“, das bislang allerdings nicht auf deutsch vorliegt.
Marguerite Stern: Lange „links-progressive Emanze“
Erneut wird damit eine bekannte Feministin Opfer von Extremismus und Gewaltbereitschaft in den eigenen Reihen. Acht Jahre lang war die 1990 in Clermont-Ferrand in der ländlichen Auvergne geborene Stern eine typische „links-progressive Emanze“. Die Tochter einer Laborantin und eines Maklers widmete sich nach abgebrochenem Studium der Bildhauerei in Paris und der Architektur in Brüssel ganz dem Feminismus. Mit 22 schloß sie sich der „Femen“-Bewegung an, deren Markenzeichen ist, mit entblößten Brüsten echte oder angebliche Frauenrechtsverletzungen anzuklagen. Als erste Femen-Aktivistin traute sich Stern dies auch in arabischen Ländern, was ihr in Tunesien mehrere Monate Haft eintrug.
Zurück in Frankreich bekämpfte sie die konservative „Demo für alle“-Bewegung, die ab 2013 die Ausweitung der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare verhindern wollte, und kümmerte sich um illegale Migranten. 2019 machte sie mit ihrer Aktion „Protestcollagen gegen Frauenmorde“ von sich reden, die quer durch Frankreich Nachahmer fand.
Ein Teleskopschlagstock zum Zertrümmern der Köpfe
Doch mit einer „feministischen Hausbesetzung“ 2020, bei der „Transfrauen“ unerwünscht waren, wurde Stern Teil des Schismas im Feminismus – der überwiegend pro Trans ist, wogegen Vertreter der Zweigeschlechtlichkeit wie Alice Schwarzer oder Joanne K. Rowling opponieren. Es ist offenbar die Konfrontation mit Männern, die sich zu Frauen ernennen, die Stern ihre Weiblichkeit in neuem Licht erscheinen läßt. Sie löste sich von der Idee, Emanzipation sei, es Männern gleichzutun. Statt Feministin ist sie nun im Sinne der Natur eine „Femelle“, ein Weibchen, ja ein Vollweib, das gebären kann.
In diesem Verständnis flirtet sie inzwischen offen mit dem Le Pen-nahen radikalen Männlichkeitsprediger Julien Rochedy und besuchte mit „Transmania“ Marion Maréchal in deren rechter Kaderschmiede in Lyon. Es ist unübersehbar, daß sich Stern direkt am Schmerzpunkt des Feminismus bewegt. „Paris Luttes Info“ hat das begriffen und bekennt sich daher zu „Gewalt und Stärke“ als Mittel der Wahl, zum Einsatz eines „Teleskopschlagstocks (als) Schritt in die richtige Richtung … zum Zertrümmern der Köpfe“.