Ausgerechnet in das Herz des grünen Bionadedeutschlands hatte Klaus Kelle eingeladen. Mitten im Prenzlauer Berg begrüßte der Organisator der „4. Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“ rund 350 Vertreter des bürgerlichen Milieus im Ambiente des Stadtbads in der Odenberger Straße.
Ein Publikum, das ideologisch von CDU und Werteunion bis zur AfD, von Libertären bis Reaktionären, von liberalen Bürgerrechtlern bis traditionellen Christen reichte, hatte sich unter den Neorenaissance-Arkaden eines Ortes versammelt, den der Gastreferent Hubertus Knabe später als Beispiel dafür nannte, „wie man aus dem Sozialismus etwas Schönes machen“ kann. Das Treffen war damit auch auf symbolischer Ebene ein Stachel im Fleisch des linken Zeitgeistes.
Knabe prangert versäumte DDR-Aufarbeitung an
Gastgeber Kelle begrüßte die aus ganz Deutschland angereisten Zuhörer zu einem „Weekend for Future“, das darauf abzielte, „nicht mehr auf dem gemütlichen Sofa daheim“ zu bleiben, während linke Ideologen den Umbau der Gesellschaft vorantrieben. Man wolle der Einschränkung der Meinungsfreiheit, dem Rückbau des Rechtsstaates, der illegalen Migration und dem Angriff auf die Zweigeschlechtlichkeit von Mann und Frau nicht weiter zusehen.
Der 60 Jahre alte Journalist und Medienunternehmer rief dazu auf, nach der Veranstaltung nach Hause zu gehen und dafür zu sorgen, daß sich die Dinge ändern. „Ich bin für eine bunte Gesellschaft – aber bunt heißt nicht nur: rot und grün“, so Kelle weiter. Den Auftakt machte der YouTuber Peter Weber. Der als „Rezo60plus“ gehandelte Bauunternehmer sprach über den Bildungs- und Erziehungsmißstand im Land und die Einmischung linker Ideologen wie der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Mit dem Vortrag des Historikers Hubertus Knabe folgte der gefühlte Höhepunkt der Versammlung. Der ehemalige Direktor der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen brillierte mit einer schonungslosen Analyse der versäumten Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Die „Deutschen Irrtümer“ seien nie aufgearbeitet worden, die Eliten in Ost und West hätten keine Selbstkritik geübt.
SED schaffte Vermögen beiseite
Als „Weichenstellung“ für die DDR-Verklärung nannte Knabe das ausgebliebene Verbot der SED. Während die KPdSU in Russland verboten worden sei oder in Tschechien eine Vergangenheit im Sicherheitsdienst eine Karriere im öffentlichen Dienst bis heute ausschließt, sei in Deutschland nicht einmal die Koketterie mit ehemaligen DDR-Symbolen verboten.
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Stattdessen habe die SED ihr Vermögen beiseiteschaffen können, und anschließend das „gesellschaftliche Klima vergiftet“, indem sie sich als Anwalt der Wendeverlierer im Osten aufgespielt habe – obwohl sie es selbst gewesen war, die den Staat DDR an die Wand gefahren hatte. Knabe beklagte, daß es „kein Gespür“ dafür gebe, daß die Ideologie des DDR-Regimes zum Unrecht geführt habe, und nicht etwa die Umstände. „Daß die SED einfach so weitermachen konnte, war eine große Schweinerei.“ Die Zuhörer goutierten das Ende der Rede stehend mit Applaus.
Mit Kristina Schröder (CDU) hatte Kelle eine weitere Spitzenreferentin gewinnen können. Die als „letzte echte Bundesfamilienministerin“ angekündigte Schröder betonte den Unterschied zwischen Familien- und Frauenpolitik: Linke machten Familienpolitik stets zur Frage über das Frauenwohl, dabei sei der Streit über das Betreuungsgeld ein Familienthema gewesen. Der politische Gegner sehe überall Barrieren, die „Frauen davon abhielten, wie Männer zu sein“.
„Tech-Mafia“ Facebook
Sie ärgerte auch der „Sound in der eigenen Partei“, der traditionelle Rollenbilder als unmodern betrachte. Dabei würden Ehen immer seltener geschieden. „Die einzige adäquate Antwort lautet: Wahlfreiheit“, betonte Schröder, die außerdem das Gouvernantenverhalten des Staates in Fragen der Kinderbetreuung stark kritisierte. Eine Rückkehr in die Politik schloß Schröder jedoch aus: „Wer früh anfängt, muß auch früh aufhören.“
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Das Thema Meinungsfreiheit deckte der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel ab, der gewohnt unterhaltsam die absurde Löschpraxis auf Facebook und die Verwerfungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) anprangerte. Genüßlich rekapitulierte er dabei gewonnene Prozeßfälle gegen den Social-Media-Riesen, dessen Verhalten sich kaum noch von einer „Tech-Mafia“ unterscheide.
Den ökonomischen Sachverstand lieferte Markus Krall, der dem Publikum „die Apokalypse in 20 Minuten“ nahebrachte. Den Erkenntnissen der Österreichischen Schule folgend, prophezeite der Volkswirt eine Rückkehr der Finanzkrise ab Ende 2020, gefolgt von einem „Kollaps in mehreren Phasen“, der zu einem Ende des Euro führen würde.
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Beverfoerde warnt vor Kinderrechten im Grundgesetz
Den Abschluß bildete die kämpferische Rede der Familienrechtlerin Hedwig von Beverfoerde. Die Mitorganisatorin der „Demo für alle“ beklagte die „Dauer-Groteske“ in den Medien, die Gender salonfähig mache und offen wie nie die Vernichtung der „biologischen“ Familie fordere. Den neuesten Angriff auf das Familienwohl bildeten die sogenannten „Kinderrechte“, die aber in Wirklichkeit das Ziel hätten, Elternrechte zu brechen: „Wenn Kinderrechte ins Grundgesetz kommen, dann haben wir verloren.“
Dazwischen lockerten Kurzinterviews mit Daniela Hoffmann (Council of Athena), Oliver Maksan (Tagespost), Alexander Mitsch (WerteUnion) und Dieter Stein (JUNGE FREIHEIT) die Redebeiträge auf – und natürlich genügend Pausen, in denen die schwarmintelligente Gegenöffentlichkeit so manche Barrikade zum politischen Gegner abbauen konnte. Den Abschluß bildete ein „Deutschland-Dinner“ mit der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld und dem Journalisten Matthias Matussek.