Das Berliner Institut Solidarische Moderne (ISM), 2010 unter anderem von der gescheiterten hessischen SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti und Katja Kipping, der damaligen Vize-, heutigen Vorsitzenden der Partei Die Linke als „Programmwerkstatt“ gegründet, verfolgt das Ziel, eine „parteiübergreifende Debatte zwischen unterschiedlichen linken Strömungen“ zu führen, um passende „sozial-ökologische Antworten auf Fragen unserer Zeit“ zu finden.
Die sollen dazu taugen, „Gegenhegemonie“ zur Herrschaft des „turbokapitalistischen und postdemokratischen Neoliberalismus“ aufzubauen. Zwar denkbar schwammig formuliert, geht es im Kern aber wieder einmal um das ewig junge „Prinzip Hoffnung“ auf eine bessere Welt, dem auch eher Konservative wie der Publizist Franz Alt, der im ISM-Kuratorium sitzt, freudig huldigen können.
Wird es jedoch konkret, stellt sich also die Frage nach der politischen Umsetzung des Prinzips Hoffnung, dann zeigt sich hinter den menschenfreundlich klingenden Parolen der vitale linke Wille zum revolutionären Umsturz und die Bereitschaft zum Sprung ins blutige Chaos einer vermeintlich letzten Schlacht. Nur das von Karl Marx auserkorene Werkzeug zur „Zerschlagung des Systems“, das Proletariat, ist nicht mehr im Spiel. An seine Stelle als revolutionäres Subjekt tritt das nach Europa zu lotsende afrikanisch-orientalische Migrantenheer.
„Grenzenlose Niederlassungsfreiheit“
In ihrem programmatisch gemeinten Poesiealbum über „Die Verantwortung des Westens oder Warum sich unsere Gesellschaft neu erfinden muß“ hat Katja Kipping, die „sozialen Universalismus“ und „grenzenlose Niederlassungsfreiheit“ predigende Frontfrau der Open-Border-Linken, skizziert, wie mit Hilfe von Massen kulturfremder Armutsflüchtlinge die national-, rechts- und sozialstaatlichen Strukturen Europas einer „ununterbrochenen Erschütterung“ so lange auszusetzen wären, bis die „herrschende Wirtschaftsordnung“, nun ja, „kippt“ und abgeschafft wird.
Im erfreulichen Klartext, ohne distanzierende Anführungszeichen, sprach der Existenzphilosoph und Menschenrechtsaktivist Thomas Seibert diese linke Kriegserklärung an die Völker Europas jüngst aus. Es gehe, wie der ISM-Vorstandssprecher in der linksalternativen Schweizer Wochenzeitung (7. Juni 2018) droht, um die per Masseneinwanderung zu forcierende „Kanakisierung unserer Gesellschaft“. Wer sie „zurückdrängen will, ist im Zweifel rechts“.
So rechts wie die linke Galionsfigur Sahra Wagenknecht, gegen die der in den 1970ern maoistisch trainierte Seibert ein Pamphlet unterzeichnete, das deren halbwegs realistische Haltung in der Debatte über den illegalen Fremdenzustrom in die deutschen Sozialsysteme als „rassistisch“ denunziert.
Den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen schlagen
Wie die hysterischen Reaktionen des Kipping-Anhangs auf dem jüngsten Leipziger Parteitag im Juni zeigten, empfand der linke Narrensaum keinerlei Bedürfnis, sich von der promovierten Volkswirtin Wagenknecht über sozioökonomische Hintergründe von Massenmigration aufklären und die Willkommensillusionen rauben zu lassen.
Der Bremer Mathematiker und Informatiker Marcus Ermler hat in mehreren scharfsinnigen Beiträgen für Henryk M. Broders „Achse des Guten“ diese verstörende Übereinstimmung zwischen ultralinker Politik und neoliberalem Marktradikalismus thematisiert. Eine Erklärung des Phänomens fällt Ermler schwer. Pauschal auf Dummheit zu verweisen, sei unbefriedigend. Käuflichkeit wäre denkbar, wofür es jedoch allenfalls Indizien, keine Beweise gebe.
So bliebe die Befürchtung übrig, eine historisch ungebildete, extrem theoriefeindliche Mehrheit von Parteiführung und Fußvolk sei tatsächlich wahnsinnig genug, das Personal für den „großen Kladderadatsch“ millionenfach importieren zu wollen. Skrupellose Nihilisten wie der auf „Kanakisierung“ Europas erpichte Seibert rechnen für dieses hochriskante Sozialexperiment, das den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen schlagen soll, gewiß mit Verwerfungen eines Ausmaßes, die die im 16. und 17. Jahrhundert ausgefochtenen Bürgerkriege weit in den Schatten stellen.
Katja Kipping hingegen ist da eher unbedarft. Sie hat Marx und Lenin wohl nie gelesen. Sonst wüßte sie, daß man mit Lumpenproletariern gleich welcher Herkunft keine gerechteren Gesellschaftsordnungen errichten kann. Dann wüßte sie ebenfalls, daß ihre „solidarische Einwanderungsgesellschaft“ mit Migranten aus archaischen Gewaltkulturen garantiert nicht, wie sie träumt, im Wege „friedlicher Umgestaltung“ entstehen wird.
JF 29/18