Von den etwa 1.350 Mitgliedern der Bremer evangelischen St.-Martini-Gemeinde kommen durchschnittlich 300 zum Gottesdienst. Am vergangenen Sonntag waren es mehr als 500. Mit starkem Beifall bedachten sie die Solidaritätserklärung des Gemeindevorstandes für ihren von Politikern, Medien und Amtskollegen als „Haßprediger“ und „geistigen Brandstifter“ geschmähten Pastor Olaf Latzel.
Der temperamentvolle Geistliche, Jahrgang 1967, hatte drei Wochen zuvor mit einer Wortgewalt a la Luther gegen Religionsvermischung gepredigt, gegen Buddha-Statuen auf den Kommoden („Götzendienst“), gegen Talismänner und Voodoo-Schlüsselanhänger. „Das muß weg.“ Christen müßten das erste Gebot ernst nehmen: „Es gibt nur einen wahren Gott.“ Und dann folgte der Satz: „Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben.“
Von Haß keine Spur
Zur Frage, ob Christen mitmachen müßten, wenn Muslime sie einladen „zu ihrem Zuckerfest und all diesem Blödsinn“, sagte Latzel: „Nein, da müssen wir ganz sauber bleiben.“ Gemeinsames Beten gehe gar nicht: „Das ist Sünde, davon müssen wir uns reinigen.“
Mit dieser Rhetorik brachte er eine Lawine ins Rollen. Die Bremer Evangelische Kirche ging auf Distanz zu Latzel, selbst aus dem evangelikalen Lager kamen kritische Stimmen, die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie wegen Volksverhetzung ermitteln soll.
Dabei ist den Gegnern des „Pegida-Pastors“ (taz) in ihrer selektiven Wahrnehmung offenbar entgangen, daß Latzel dazu aufgerufen hat, Moslems „in Liebe und Barmherzigkeit“ zu begegnen: „Und wenn die verfolgt werden, dann haben wir uns vor sie zu stellen.“ Das sei Christenpflicht. Von Haß keine Spur.
Kirchliche Korrektheit
Zumal der Pastor alle um Entschuldigung gebeten hat, die sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt sehen – auch Katholiken, denen er wegen der Reliquienverehrung („Dreck“) Vorwürfe machte. Aber vielleicht ging es dem Gros der Kritiker eher darum, über eine mediale Kampagne einen Mann mundtot zu machen, der nicht ins Schema kirchlicher Korrektheit paßt.
Olaf Latzel hat sich nach Theologiestudium in Marburg als evangelikaler Pfarrer im westfälischen Siegen einen Namen gemacht, die von ihm geleitete Gemeinde stellte 2003 einen Weltrekord auf: Bibellesen in 241 Stunden und sieben Minuten.
Gemeinde steht hinter Latzel
2007 trat er die Nachfolge von Jens Motschmann in Bremen an. Latzel lehnt die Frauenordination ab, ebenso die Segnung homosexueller Partnerschaften, Gender-Mainstreaming ist für ihn pure Ideologie. Mit solchen Positionen macht man sich in der EKD keine Freunde.
Seine Gemeinde steht aber geschlossen hinter ihm, sie hat tausende Zuschriften aus dem In- und Ausland erhalten, bis auf wenige Ausnahmen positiv. An die Geistlichen, die sich gegen Latzels Predigt stellten, richtete der Vorstand von St. Martini die Frage, ob sie sich der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 noch verbunden fühlten und in ihrer Lehre und ihrem Leben allein dem Dreieinigen Gott die Ehre gäben – eine nur zu berechtigte Frage.