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Ausstellung in Berlin: Künstler in Nachkriegsdeutschland: Im Geiste vereint?

Ausstellung in Berlin: Künstler in Nachkriegsdeutschland: Im Geiste vereint?

Ausstellung in Berlin: Künstler in Nachkriegsdeutschland: Im Geiste vereint?

Ein ostberliner Arbeiter spritzt Farbe auf die Berliner Mauer: Die deutsche Teilung hat Künstler auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs entscheidend geprägt.
Ein ostberliner Arbeiter spritzt Farbe auf die Berliner Mauer: Die deutsche Teilung hat Künstler auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs entscheidend geprägt.
Ein ostberliner Arbeiter spritzt Farbe auf die Berliner Mauer: Die deutsche Teilung hat Künstler auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs entscheidend geprägt Foto: picture-alliance / dpa | dpa
Ausstellung in Berlin
 

Künstler in Nachkriegsdeutschland: Im Geiste vereint?

Die Neue Nationalgalerie Berlin zeigt in der Ausstellung „Zerreißprobe“, welche Motive und Stile Künstler in Nachkriegsdeutschland auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs verwendeten. Dabei wird klar: Beide Seiten waren nie frei von politischen Einflüssen. JF-Autorin Regina Bärthel hat es sich genauer angesehen.
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In der Sammlung der Neuen Nationalgalerie Berlin prallen sie aufeinander, die künstlerischen Äußerungen des sozialistischen Realismus und der freien westlichen Welt. Ist dem so? Auch dieser Frage geht die neue Sammlungspräsentation nach. Unter dem Titel „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“ zeigt sie Kunst von 1945 bis zur Jahrtausendwende, aufgeteilt in 14 Themenfelder wie Realismus und Abstraktion, Alltag und Popkultur sowie die Dauerbrenner Feminismus, Ökologie und Identität.

Durch ihre doppelte Sammlungsgeschichte verfügt die Neue Nationalgalerie Berlin über Bestände, an denen die politischen und gesellschaftlichen Spannungen im Nachkriegseuropa abgelesen werden können: Vierzig Jahre lang wurde in den beiden Teilen Berlins jene Kunst angekauft, die zwei unterschiedliche Gesellschaftssysteme jeweils für sammelnswert erachteten. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden so auch zwei unterschiedliche, ja, widerstreitende Vorstellungen davon, was Kunst sein kann oder soll, zusammengeführt.

Ein immenses ästhetisches, aber auch ideologisches Kapital, aus dem das Haus nun schöpfen kann, das aber auch einiges Konfliktpotential birgt: Als 1993 Bestände aus der Alten Nationalgalerie in Ostberlin, dem zentralen Museum für Gegenwartskunst in der DDR, präsentiert wurden, entfachte sich ein regelrechter Bilderstreit um die Aufwertung früherer Staatskünstler und die Nichtbeachtung unabhängiger Positionen aus der DDR. Letztere fehlten selbstredend im Bestand (Ost) – und fehlen großteils auch heute noch.

USA als starker Einfluß auf westlichen Kunstmarkt

Auch die aktuelle Ausstellung zeigt nun Werke aus der Phase der Teilung Deutschlands und des Kalten Krieges: In ihr verschrieb sich die DDR dem Sozialistischen Realismus sowjetischer Prägung mit Bildprogrammen, die den Aufbau des sozialistischen Staates propagierten. Während in der BRD die „Weltsprache Abstraktion“ als Verheißung einer von der Schande des Nationalsozialismus bereinigten Zukunft in Freiheit und Demokratie galt. Damit folgte man ebenfalls einer politischen Strategie: Nicht zuletzt förderten die USA die abstrakte Kunst in Europa auch finanziell – mit dem Ziel, sie eng mit „westlicher Freiheit“ zu verknüpfen. Während der Realismus als Ausdruck sozialistisch-kommunistischer Unterdrückung festgeschrieben werden sollte.

Wunderbar abzulesen ist dies an zwei Werken, die jedoch nicht beieinander hängen: Barnett Newmans „Who’s Afraid of Red, Yellow, and Blue IV“ (1969/70) vermittelt durch seine pulsierenden Primärfarben spirituelle Eindrücke mit fast körperlicher Wirkung und wird gern als monumentales Altarbild der westlichen Nachkriegsmoderne bezeichnet. Allerdings verleitete es 1982, kurz nach seinem umstrittenen Ankauf, einen erbosten Studenten dazu, das Bild zu attackieren – er schlug mit einer Sicherheitsabsperrung darauf ein. Zumindest ging es dabei um die Kunst und nicht um Effekthascherei.

Zur gleichen Zeit entstand Willi Sittes Gemälde „Leuna 1969“: Nicht minder großformatig zeigt es das moderne Chemiekombinat, aus dem sämtliche Spuren des Feudalkapitalismus hinweggefegt wurden zum Glücke des Arbeiters. Eine propagandistische Überhöhung des politischen Systems (Sitte gilt immerhin als „Staatskünstler“ der DDR), doch wird ihm von den Kuratoren ein Ausbrechen aus dem Sozialistischen Realismus hin zu seinem Ausstellungsnachbarn Andy Warhol bescheinigt. Dennoch: „Trotz seiner Pop-Ästhetik oder gerade deshalb ist Sittes Gemälde Leuna 1969 ein Propagandabild.“ Eine Einschätzung, die man auch heute noch auf zahlreiche künstlerische und gesellschaftliche Äußerungen anwenden sollte – nicht nur aus dem Osten stammende.

Das Bild „Leuna 1969“ vom als „DDR-Staatskünstler“ geltenden Willi Sitte: Kritiker sehen ästhetische Nähe zu Andy Warhol.
Das Bild „Leuna 1969“ vom als „DDR-Staatskünstler“ geltenden Willi Sitte: Kritiker sehen ästhetische Nähe zu Andy Warhol Foto: Willi Sitte: Leuna 1969, 1967-1969, Öl und Tempera auf Hartfaser, 275 x 490 cm © Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Klaus Göken / VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Künstler auf beiden Seiten der Mauer mit ähnlichen Themen

Oder sind die systemkritischen Plakate von Klaus Staeck keine Propaganda, sondern „reine“ Kunst? Die Übergänge sind bisweilen fließend. In jedem Fall bemüht sich die Ausstellung, eine weitaus größere Nähe zwischen Künstlern aus Ost und West aufzuzeigen, als der „Kampf der Systeme“ vermuten ließe. So findet sich mit Horst Bartnig ein östlicher Vertreter der Konkreten Kunst, während Wolfgang Mattheuer – ganz wie im Westen – die industrielle Zerstörung der Natur beklagt.

Die geplante Dichotomie zwischen Abstraktion und Figuration löste sich mit der Erweiterung des Kunstbegriffes ohnehin immer weiter auf. Die traditionellen Techniken von Malerei und Plastik veränderten sich stark; neue künstlerische Ausdrucksformen wie Performance-, Video- oder Konzeptkunst machten eine solche Trennung obsolet: Lucio Fontana erweiterte die Malerei durch Schnitte in die Leinwand hin zum Raum, Arman und Carol Rama verwendeten Alltagsgegenstände für ihre Objektbilder, Tinguely baute bewegliche Maschinen aus Altmetall.

Nicht zuletzt ebneten sie damit den Weg ins Performative und Prozeßhafte, das neben Gestischer und Farbfeldmalerei einen großen Teil der Ausstellung bestimmt. Immerhin ist die Performance „Zerreißprobe“ des Wiener Aktionisten Günter Brus ihr Namenspate: 1970 spannte er sich zwischen Drahtseile, um auf die extremen Spannungen in Gesellschaft und Politik hinzuweisen. Körpereinsatz findet sich auch in feministischer Kunst, angefangen bei Yoko Onos leiser, dabei vielschichtigen Performance „Cut Piece“ von 1964.

Auch die „freie Welt“ hat Vorgaben

Marina Abramović oder Ewa Partum wiederum nutzten Nacktheit als systemkritische Geste – eine Strategie, die, wenn auch etwas abgenutzt, noch heute gern bei „Protestaktionen“ von Künstlerinnen angewendet wird. Cornelia Schleimes Schwarz-Weiß-Fotos – entstanden vor ihrem Weggang aus der DDR – hingegen zeigen das gefesselte Individuum und gehen damit über das Thema „Feminismus“ hinaus. Mit Stolz verweisen die Kuratoren übrigens darauf, daß ein Viertel der gezeigten Werke von Frauen stammt. So hat eben auch die „freie Welt“ ihre Vorgaben.

Denn dies zeigt die Ausstellung durchaus auch: Kunst, bzw. ihre Rezeption und Bewertung, ist nie frei von ideologischen Vorgaben und soziopolitischen Wertesystemen. Vorgaben und Werte, die hüben wie drüben Ankauf und Präsentation, mithin die Aufnahme in den kulturellen Kanon steuerten – und das auch heute noch tun. Auch darüber wacht womöglich Duane Hansons wächserner „Polizist“ hinter der Glastür zur Direktion.

Ein ostberliner Arbeiter spritzt Farbe auf die Berliner Mauer: Die deutsche Teilung hat Künstler auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs entscheidend geprägt Foto: picture-alliance / dpa | dpa
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