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Elbphilharmonie: Eine Vision auf Betonfüßen

Elbphilharmonie: Eine Vision auf Betonfüßen

Elbphilharmonie: Eine Vision auf Betonfüßen

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Elbphilharmonie
 

Eine Vision auf Betonfüßen

Die Elbphilharmonie, Hamburgs teuerstes und ehrgeizigstes Kulturprojekt, feiert am 28. Mai Richtfest. Doch zu feiern gibt es wenig: Die Fertigstellung rückt in weite Ferne und die Kosten explodieren.
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Baustelle der Hamburger Elbphilharmonie: Kulturpolitische Verewigungswerk für Ole von Beust Foto: Pixelio/Sabine Markmann

Die Elbphilharmonie, Hamburgs teuerstes und ehrgeizigstes Kulturprojekt, feiert am 28. Mai Richtfest. Doch zu feiern gibt es nichts: Die Fertigstellung rückt in immer weitere Ferne, die Kosten explodieren, nur die unmittelbare Wirkung auf die Popularität des schwarz-grünen Senats entfaltet sich – jedoch in Form wachsender Ablehnung.

Das drückt die Spendenbereitschaft (bislang immerhin rund 68 Millionen Euro). Fundraising-Dinner sollen es richten, derweil schachern Senat, Hamburgs Projekt-Realisierungsgesellschaft (ReGe), Architekten und Baufirmen weiter.

Die Architekten werfen der Baufirma „akute Ausführungsmängel“ vor. Damit könnte das Projekt nicht nur finanziell sondern auch technisch vor dem Aus stehen. Ein von der SPD-Opposition eingesetzter parlamentarischer Untersuchungsausschuß zu den Kosten wird dagegen womöglich ohne Folgen bleiben – kaum ein Politiker ist offen gegen das Projekt. Und so geht es immer weiter.

„Kehr wieder“

Als der Kaispeicher A 1963 errichtet wurde, avancierte er ungeplant zum Wahrzeichen. Schnörkellos wie seine Zeit, wurde er zum Symbol des kaufmännischen Fleißes und des wiedererstandenen Hamburger Handels nach den gewaltigen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Heute entsteht am zentralen Ort ein Wahrzeichen anderer Art: die Elbphilharmonie.

Die Wahl des Standorts scheint konsequent, denn ohne Hafen wäre Hamburg ohne wirtschaftliches Herz, er gehört somit zur Mitte. Und das Herz wäre ohne die einstige Insel Kehrwieder, später mit dem Hafen organisch zusammengewachsen, ohne Pulsschlag.

Der Platz raunt dem Projekt der ortsfremden Schweizer Architekten Herzog & de Meuron etwas von seiner Geschichte zu: „Kehr wieder“ war nicht nur Wunsch der Daheimgebliebenen an die Seeleute, sondern bedeutete, daß dort eine Kehre war, eine Sackgasse, die zur Umkehr zwingt.

Sucht nach einer Slyline

Die Elbphilharmonie wächst scheinbar unumkehrlich in dieser Nachbarschaft direkt am Wasser ihrer monströsen Höhe von 110 Metern entgegen – gut halb so hoch, wie die Elbe an jener Stelle breit ist –, getrieben von der Sucht, einen Teil von so etwas wie einer Skyline zu prägen.

Der Kaispeicher A wird dabei als eine am abgestorbenen Hafenarm hängengebliebene Larve von den Planern aufgezehrt: Das Konzerthaus frißt sich Stock um Stock hinein, ist inzwischen weit über die Fassade des Alten hinausgequollen.

Ähnliches beklagten die Hamburger schon, als der Vorgängerbau des Kaispeichers A beseitigt wurde. Ebenfalls in roten Ziegeln, doch neugotisch ausgeführt, stand dort der „Kaiserspeicher“, auch er ein Wahrzeichen. Sein prägnanter Turm mit der Zeitball-Anlage galt heimkehrenden Seefahrern neben der Michaeliskirche („Michel“) als weithin sichtbarer Beweis, wahrhaftig wieder in Hamburg zu sein.

Blumige Träume vom Wachstum

Dieses Wahrzeichen überlebte schwer beschädigt die Bombardierung 1943 – den Zeitgeist überlebte es nicht, die Stadt ließ es 1962 sprengen. Damalige Planer folgten nicht der proportionierten alten Form, was die aktuelle Weiterverwertung des dann entstandenen Kaispeichers A erklären mag, sie behielten aber den Zweck bei, Lager für Stückgut zu sein.

Das jetzt im Werden begriffene Wahrzeichen Elbphilharmonie versteht sich weder als bescheidener Zweckbau noch als wilhelminisch verspieltes Seezeichen mit Nutzwert. Die Elbphilharmonie soll ein „weicher Standortfaktor“ sein, dessen „ideeller Wert nicht meßbar ist“ – so die Befürworter der Stiftung Elbphilharmonie. Konkret wird der Speicher Parkhaus, das modisch transparente Glasgebilde darüber soll das Gebiet überstrahlen – ein harter Übergang. >>

Der amorphe Musentempel dient der innerstädtischen Hafencity, die – bereits großflächig dem Kommerz parzelliert – die Chance auf ein lebendiges neues Quartier verspielt hat, als Feigenblatt. Dem aus Steuern finanzierten Projekt der gleichermaßen teuren wie kurzen U-Bahn-Linie 4 stiftet er den Sinn einer Opern-U-Bahn, ist zudem Lieblingsprojekt des Bürgermeisters Ole von Beust (CDU).

Die von bald 2.200 individuell gewölbten und beklebten Glasscheiben ummantelte Vision ist ohne echten politischen Gegenwind und damit scheinbar alternativlos. Ihr Fundament sind neben 650 neuen Betonstreben im Hafenschlick allein Machbarkeitsstudien und blumige Träume vom Wachstum der Umgebung.

Gigantomanie setzt sich im Inneren fort

Viel zu lange konnten sich die Macher der Kritik nicht erwehren, sie hätten angesichts zahlreich vorhandener Bühnen und Konzerthäuser der Stadt kein Konzept. Inzwischen gibt es einen Generalintendanten, einen Spielbetrieb und eine Vermarktung, ganz als stehe die Chimäre schon.

Die lebt als Bauplatz architektonisch vom Trend des „Weiterbauens“ bestehender Architektur, ist zudem Referenz an jüngste Opernbauten in Oslo und Kopenhagen und somit in jeder Hinsicht ein Werk, das auftrumpfend Anschluß sucht.

Im Inneren setzt sich die Gigantomanie fort: Drei Säle, der wichtigste zählt mit 2.150 Plätzen zu den zehn größten Konzertsälen weltweit, bekommen nur das Beste. Ein 18-Tonnen-Schall-Reflektor an der Decke soll Beleuchtung, Lautsprecher und Orgel-Wiedergabe in einem ermöglichen – auf Pannen darf man gespannt sein.

Bauherr und Baufirma sind zerstritten

Davon gab es bisher schon genug. Als der Privatinvestor und Architekt Alexander Gérard 2001 dem kulturell völlig unbedarften, doch politisch aufstrebenden Beust-Senat seine Idee zum aufgepfropften Speicher unterbreitete, griff der zu – eine Empfehlung gegenüber dem traditionell linken Kulturbetrieb.

Ein Jahr später war ein Bau für 50 Millionen Euro in der Hafencity avisiert. Inzwischen ist daraus, teils in 100-Millionen-Euro-Sprüngen, eine Belastung für den Steuerzahler von derzeit mindestens rund 330 Millionen Euro geworden, wöchentlich medial nach oben korrigiert.

Längst geht es nicht mehr um Kleingeld – im April reichte die Stadt Klage gegen die ausführende Baufirma Hochtief ein. Bauherr und Baufirma sind zerstritten. Seit Januar sprechen Politiker wegen Nachforderungen und Terminverzögerungen seitens Hochtief öffentlich von Erpressung.

Finanziell außer Kontrolle geratene Baukunst

Auch die Architekten und anderen Baufirmen wollen mehr. Hochtief schiebt den Architekten die Schuld in die Schuhe: Pläne fehlten, was diese abstreiten. Jetzt packt ein leitender Mitarbeiter des Baukonzerns aus, spricht über die rüden Feilschmethoden auf Kosten der Steuerzahler.

Den Hamburgern ist bei anfangs mäßiger Begeisterung die Lust auf die laut Betreiber mit Kinokarten preislich vergleichbaren Philharmonie-Tickets vergangen. Sie sehen steigenden Kita-Gebühren entgegen, während für die finanziell außer Kontrolle geratene Baukunst ständig neues Geld da ist.

Kein Senat war daher so unbeliebt wie der jetzige. Für ein „Kehr wieder“ scheint es zu spät – zu weit ist der Bau fortgeschritten, zu unbeliebt der Senat. Das kulturpolitische Verewigungswerk für Ole von Beust taugt damit zugleich als Grabstein für Schwarz-Grün.

JF 21/10

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