Der Comic „Tim und Struppi“ ist ein Fall für die Justiz geworden. Eine der Bildergeschichten um den Reporter Tim, der rund um die Welt eilt und selbige ein bißchen besser macht, und seinen Foxterrier Struppi, hat den Zorn eines in Belgien lebenden schwarzen Buchhalters erregt. Er will das achtzig Jahre alte Album „Tim im Kongo“ verbieten lassen. Auch in der überarbeiteten Version sei es „rassistisch“ und verfestige Vorurteile gegenüber Kongolesen. Die Schwarzen würden präsentiert, als seien sie dumm.
In den USA darf der Band nur noch an Erwachsene ausgeliehen werden, die Stadtbibliothek von Brooklyn in New York hat ihn bereits aus dem Regal genommen. Dafür gibt es in Amerika eine politisch korrekte Version.
Da kommt was zu auf Tim, Struppi und all die anderen: auf die exaltierte Sängerin Castafiore, den zerstreuten Professor Bienlein, den bärbeißigen Käpitän Haddock. Auch Feministinnen, Kinder-, Tier- und Klimaschützer, Behindertenverbände und Gleichstellungsbeauftragte dürfen sich durch sie herausgefordert fühlen. Und dann gibt es noch Abdallah, den kleinen „Satansbraten“ (Käpitän Haddock), der mit seinen Streichen alle zur Raserei bringt: Versammelt diese Figur nicht sämtliche Vorurteile, die heute die Muslime in Europa so schmerzhaft treffen?
Doch immer mit der Ruhe. Im Album „Der Schmuck der Castafiore“ werden Zigeuner verdächtigt, die Brillanten der Sängerin gestohlen zu haben, ehe eine Elster als Diebin überführt wird. Der belgische Zeichner Georges Remi Hergé (1907–1983) zitierte und spielte mit den Klischees und Bildern seiner Zeit, ironisierte die einen, ließ andere stehen und teilte wohl auch manche. Das gibt den Geschichten ihre unpädagogische Leichtigkeit. Jedem Leser, der bei Trost ist, fällt die Historisierung der Klischees leicht. Es gibt sogar Leute, die mit „Tim und Struppi“ einschließlich „Tim in Kongo“ aufgewachsen und nichtsdestotrotz zu linksliberalen Gutmenschen geworden sind.
Es ist eine widerspruchsvolle Welt, in die der schwarze Buchhalter sich begeben hat – aber doch wohl freiwillig und wissentlich? Statt hier den post- oder antikolonialen Rächer zu spielen, sollte er sich die Deutschen als Vorbild nehmen, die in Filmen und Büchern als Monster figurieren und trotzdem jede Aufregung vermeiden. Auch das gehörte zu den ärgerlichen, aber aushaltbaren Irrtümern jener merkwürdigen Zeit um das Jahr 2009 – so wird es in achtzig Jahren hoffentlich einmal heißen.