Am 27. Spieltag der laufenden Saison bot der 1. FC Köln über einige wenige Minuten hinweg ein Bild, das in der Fußball-Bundesliga seit längerem unüblich ist: Alle elf Spieler, die sich auf dem Platz in seinem Trikot um Tore und Punkte abmühten, waren im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft. Ansonsten sind die Fans der deutschen Proficlubs anderes gewohnt. Die Akteure auf dem Rasen tragen Namen, deren Aussprache mühsam erlernt werden muß, und sie stammen aus Ländern, die man nur dann kennt, wenn man im Erdkundeunterricht wirklich gut aufgepaßt hat. Die Stadien sind in der Regel nach irgendwelchen unsympathischen Unternehmen benannt, die für diese Werbung tief in die Tasche greifen. In den Arenen hat die Klassengesellschaft in Gestalt exklusiver VIP-Lounges Einzug gehalten. Glitzershows mit Cheerleadern und Pop-Tralala vom Band würgen den Gesang in den Fanblocks und damit das Anheizen der Atmosphäre vor dem Spiel und in der Pause ab. Wer den Fußball vor diesem Hintergrund heute noch als ein „volkstümliches“ Ereignis zelebrieren will, das „die Herzen bewegt“, muß somit in Traumwelten flüchten. Zum Glück ist dabei niemand ganz allein seiner eigenen Phantasie überlassen. Die Leidenschaft konserviert in Zeiten, die eine solche immer weniger rechtfertigen, die unterdessen bereits im fünften Jahrgang monatlich erscheinende Zeitschrift 11 Freunde. Ihr Zugriff auf den Fußball ist ein ganz anderer als der aus den einschlägigen Fachblättern, der Tagespresse oder dem Fernsehen gewohnte. Das Interesse gilt nicht dem aktuellen Ligageschehen, Tabellenständen, Torschützenranglisten und Spielerbenotungen. Man übt sich weder im Fortschreiben einer Chronik noch in Statistik oder betriebswirtschaftlicher Analyse. Fußball wird statt dessen als ein Phänomen inszeniert, das in den Köpfen stattfindet, in jenen von Akteuren, vor allem aber in denen der Zuschauer. Durch diese programmatisch subjektive Brille betrachtet, verwandelt sich der geschäftsmäßig zur Massenunterhaltung betriebene Rasensport in eine Sagen und Mythen beherbergende Landschaft. Unvergeßliche Spiele und Tore, charismatische Balltreter und Trainer, legendäre Vereine, auratische Arenen – 11 Freunde bedient sich aus einem nahezu unerschöpflich erscheinenden Arsenal aus mehreren Jahrzehnten Fußball-Zeitgeschichte mitsamt ihrer Widerspiegelung in den Medien und bringt die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zum Verschwimmen. Das in der Erinnerung vergrabene Tagesgespräch von einst wird lebendig, als hätte es sich erst gestern zugetragen. Die Chronique scandaleuse, die Fußball immer geschrieben hat und heute vielleicht mehr denn je schreibt, wird dabei nicht ausgeklammert, aber zu unschuldigen Anekdoten verklärt. Selbst die Ironie, die nicht allein der Zeitschriftentitel zum Ausdruck zu bringen scheint, festigt die Mythen, statt sie zu demontieren – schließlich weiß ja jeder Fan seit Urgedenken selbst, daß Fußball bloß die schönste Nebensache der Welt ist. Welche Hauptsache aber sollte wirklich wichtiger sein? „11 Freunde“ ( www.11freunde.de ) erscheint mit 10 Ausgaben im Jahr im Kölner Intro-Verlag und kostet 3 Euro.
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