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Der Swinegel ist immer schon da

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Die Kampagnen der letzten Monate gegen namhafte konservative Persönlichkeiten – genannt seien der CDU-Abgeordnete Hohmann, Bundeswehrgeneral Günzel, Professor Besier, der Publizist Ulfkotte und, vorläufig zuletzt, der Politikwissenschaftler Löw – sollten Anlaß zur Erinnerung an einige Erfahrungen der Gesellschaftskommunikation sein. Dazu gehört zunächst die Feststellung, daß es derartige Kampagnen zu allen Zeiten und in allen Ländern gegeben hat. Die Grundzüge der Vorbereitung und der Durchführung derartiger Kampagnen kann man zum Beispiel noch immer mit viel Gewinn zum Verständnis der gegenwärtigen Kampagnen in Ciceros „Reden gegen Verres“ (70 v. Chr.) lesen. Insofern könnte man geneigt sein, diesen Kampagnen keine besondere Bedeutung beizumessen, und sie als eine durchaus übliche, oft genug sogar notwendige Erscheinung der politischen Auseinandersetzung beurteilen; dann nämlich, wenn sie auf eine konkrete Person wegen konkreter Verfehlungen oder von ihr verursachter Mißstände abzielen, wie Ciceros Reden gegen den korrupten Statthalter Verres in Sizilien. „Investigativer Journalismus“ – um einen zeitgemäßen Begriff zu verwenden – ist also keineswegs ein politisch-gesellschaftliches Phänomen der Neuzeit, sondern aller Zeiten. Inzwischen erleben wir – auch das ist nach den jüngsten Erfahrungen der jüngeren Geschichte nicht neu, aber außerordentlich erstaunlich -, daß die Kampagnen nur vordergründig, aber nicht wirklich auf bestimmte Personen abzielen, sondern auf das „System“, das diesen Personen politische Rechte, womöglich sogar Macht und Verantwortung zukommen läßt, die sie nach dem ideologischen Selbstverständnis der Urheber derartiger Kampagnen nicht haben dürften. Sie orientieren sich dabei nicht an dem jeweils geltenden Recht, sondern an dem allen rechtlichen Normen übergeordneten eigenen Recht. Dazu zählt die Abwehr vermeintlich schwerer Gefahren für die Gesellschaft, die von den „Herrschenden“ entweder nicht wahrgenommen oder nicht entschieden genug bekämpft werden. Hätte man zum Beispiel – um an die „Lehren aus der Geschichte“ zu erinnern – die demokratischen Grundrechte der Weimarer Verfassung gegenüber der politischen Rechten (nicht etwa gegenüber allen Feinden des „Systems“, also auch gegenüber den Linken) aufgehoben, „so hätte die Menschheit eine Chance gehabt, Auschwitz und einen Weltkrieg zu vermeiden“ – so jedenfalls Herbert Marcuse, einer der noch immer in Ehren gehaltenen Väter der 68er. Daraus haben er und seine ungezählten Schüler und Sympathisanten den ideologisch konsequenten Schluß gezogen, der inzwischen weithin das öffentliche Meinungsklima bestimmt: „Daß rückschrittlichen Bewegungen die Toleranz entzogen wird, ehe sie aktiv werden können, daß Intoleranz auch gegenüber dem Denken, der Meinung und dem Wort geübt wird. Intoleranz vor allem gegenüber den Konservativen und der politischen Rechten“ (Herbert Marcuse, „Repressive Toleranz“, 1966). Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei bemerkt, daß es sich dabei keineswegs um eine beiläufige Randbemerkung handelt, die sich einer verallgemeinernden Interpretation entzieht. Es handelt sich vielmehr um eine Kernaussage der 68er-Ideologie, die bis heute in dankenswerter Klarheit die ideologischen Leitlinien zum „Kampf gegen Rechts“ markiert und damit das öffentliche Meinungsklima in Deutschland mit einem starken „Nachhaltigkeitsfaktor“ bestimmt. Dabei wird übersehen – teils bewußt, teils unbewußt -, daß der „Kampf gegen Rechts“ letztlich ein inzwischen kaum noch verhüllter Kampf gegen das „System“ ist, eben weil das „System“ insgesamt noch immer nicht entschieden genug „gegen Rechts“ vorgeht. Für die Ideologen der Systemveränderung bestehen zwischen der sogenannten bürgerlichen Demokratie und dem Faschismus zwar quantitative, aber keine wirklich qualitativen Unterschiede. Deshalb behaupten Marcuse und andere, daß „die gesamte nachfaschistische Periode eine Periode eindeutiger und gegenwärtiger Gefahr“ sei. Dies um so mehr, als der „offene Faschismus“ einschlägiger Gruppen und Personen an ihrem Auftreten, ihren Parolen und Erklärungen relativ einfach auszumachen und zu bekämpfen ist. Der sogenannte latente Faschismus, zu dem in der Regel auch die Konservativen und Rechten gezählt werden, jedoch nicht, weil er sich bedeckt hält und deshalb erst durch die besondere Aufmerksamkeit aller möglichen Antifaschisten und sonstigen Hüter der Verfassung „entlarvt“ werden muß. Es geht nicht um Beurteilung, sondern um Verurteilung Es gehört zu den Besonderheiten des zunehmend unter „freiwilliger Selbstkontrolle“ arbeitenden Medienbetriebes in Deutschland, daß er auf diese ganz offenkundig übergeordneten Zusammenhänge der letzten Kampagnen nicht nur nicht eingeht, sondern sie weitgehend verdrängt und damit den Eindruck erweckt, als ob es sich bei derartigen Kampagnen um eine durchaus berechtigte Auseinandersetzung um strittige Positionen und Begriffe in einer pluralistischen Gesellschaft handle. Davon kann allerdings keine Rede sein. Das erklärte Ziel – siehe die Forderung Marcuses – ist, den Konservativen und politischen Rechten alle Möglichkeiten der Selbstdarstellung zu entziehen und sie nicht auf dem Wege einer öffentlichen Auseinandersetzung zu ermöglichen. Es geht nicht um Kommunikation, sondern um Exkommunikation. Es geht nicht um die unterschiedliche politische oder wissenschaftliche Beurteilung konkreter Sachprobleme, sondern um die eindeutige Verurteilung einer Denk- und Handlungsweise, die sich den Absolutheitsansprüchen der eigenen Ideologie nicht unterwirft. Dabei ist sowohl an die christliche Berufung auf das eigene Gewissen zu denken als auch an „den Mut, sich des eigenen Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen“, woran im Kant-Jahr auch erinnert werden darf. Der Soziologe Karl Mannheim, dem Verbindungen zur politischen Rechten bislang noch nicht nachgesagt worden sind, hat in seinen inzwischen wieder lesenswerten Analysen der kulturellen und politischen Krisen der Weimarer Republik das Problem auf den Punkt gebracht: den Ideologen jedweder Couleur komme es nicht auf eine intellektuelle Auseinandersetzung zur Lösung konkreter Probleme an, sondern darauf, daß „man dem politischen Gegner die Möglichkeit des richtigen Denkens nimmt, indem man seine Bewußtseinsstruktur diskreditiert, und zwar in ihrer Ganzheit“ (Ideologie und Utopie, 1929). Zu diesem Zweck sind nach der Devise „Not kennt kein Gebot“ so gut wie alle Mittel erlaubt. Das Opfer kann sich verhalten, wie es will: es liefert grundsätzlich Argumente zur Bestätigung der denunziatorischen Anwürfe. Das Opfer einer derartigen Kampagne wird also wie im Märchen vom Wettlauf des Hasen mit dem Igel hin und her gejagt: es kann diesen Wettlauf niemals gewinnen, weil der Swinegel bekanntlich immer schon im Ziel sitzt und den abgehetzten Hasen stets zu einer neuen Runde herausfordert. Auf diese Weise werden alle (biologischen) Gesetzmäßigkeiten und Erfahrungen ad absurdum geführt. Musterbeispiele für diese Technik der publizistischen Liquidierung politischer Gegner lieferten die Kampagnen der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik, insbesondere gegen Reichspräsident Ebert und den Berliner Polizeivizepräsident Bernhard Weiß. Die politischen Konsequenzen der Verwahrlosung dieser politischen „Auseinandersetzung“ sind bekannt. Dennoch – oder gerade deshalb? – ist der Abgeordnete Hohmann beim Auftakt der gegen ihn gerichteten Kampagne von einem großen Nachrichtenmagazin als „lupenreiner Goebbels“ charakterisiert worden. Man erinnere sich an die hysterischen Reaktionen in deutschen Medien, als ein entsprechender Vergleich im Blick auf Gorbatschow gezogen wurde; hier handelt es sich um eine Gleichsetzung. Wo bleiben also die sonst reflexartig zitierten „Lehren der Geschichte“? Sie werden durchaus berücksichtigt, wenn auch in anderer Absicht. Menschen leben in einer ständigen Isolationsfurcht Zu den Lehren der Geschichte gehört die Erkenntnis, daß ein politisches System am wirkungsvollsten nicht durch einen Angriff auf seine Institutionen (Parlamente, Regierungen usw.) destabilisiert werden kann, sondern auf einzelne Menschen oder kleinere Gruppen, die dieses System verteidigen. Menschen leben vor allem in Umbruchzeiten in einer ständigen Isolationsfurcht, d.h. in der Sorge vor einer Verdrängung in eine gesellschaftliche Quarantäne. Angriffe auf Institutionen wecken Abwehrreaktionen der Betroffenen und des Staates; Angriffe auf einzelne Menschen nicht, zumal dann nicht, wenn die breite Mehrheit zu diesen Angriffen schweigt – nicht nur wegen der Isolationsfurcht, sondern einfach deshalb, weil sie den eigentlichen Zweck dieser Kampagnen nicht zu durchschauen vermag. Wo, wann und von wem ist zum Beispiel den Opfern derartiger Kampagnen die Gelegenheit zu einer ausführlichen Stellungnahme gegeben worden? Jeder kann sich selber die Frage beantworten, in welcher der ungezählten Magazinsendungen, Talkshows oder Porträtsendungen einem Opfer dieser Kampagnen die Möglichkeit einer Selbstdarstellung geboten worden ist, wie es in der Auseinandersetzung mit der politischen Linken – den Linksextremismus eingeschlossen – gang und gäbe ist. Es dürfte schwer sein, sich auch nur an einen fünfminütigen Auftritt zu erinnern, vielleicht in einem Nachtprogramm. Die Verantwortlichen in den Medien, Parteien und Institutionen müssen sich fragen lassen, ob sie sich die politische Tagesordnung und die Debatten der 68er-Ideologen weiterhin so vorschreiben lassen wollen wie bisher, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ganz im Sinne Ciceros: Quousque tandem – wie lange noch? Foto: Volksmärchen „Der Hase und der Igel“: Das Opfer kann sich verhalten, wie es will, es hat keine Chance

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