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Aus der Geschichte gefallen (worden)

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Aus der Geschichte gefallen (worden)

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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

„Deutschland verrecke!!!“, „Eure Eltern hätten euch besser mal in den Wald gespritzt“ oder „Verbieten, Abschlachten“ [sic!] – so kommentierte die Betroffenheitsrepublik zum Jahresausklang ein gewollt provokatives Foto der Münsteraner Jungen Union vor einer Flagge der Bundesrepublik – und einer des örtlichen Vereins Deutscher Studenten. Nachdem im Sommer 2012 bereits ein ähnliches Bild die Gemüter der Bestmenschen erhitzt hatte, dachte man sich in der JU-Spitze offenbar „Jetzt erst recht!“. Die Reaktionen sprachen für sich: Von unflätigsten Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen – auch auf speziell dafür aufgezogenen Facebook-Seiten, die eine „klare Reaktion aller DemokratInnen“ einforden – zeigt sich in den Kommentarspalten einhellig die häßliche Fratze der Neo-Volksgemeinschaft, die gegen alles „Verdächtige“ ihre „Courage“ zu zeigen gelernt hat.

Klugerweise wurde ein groteskes Portfolio der spontanen Entladungen des Demokratenzorns abgesichert; für ein paar zukünftige Strafanzeigen dürfte damit hoffentlich gesorgt sein. Daß Vertreter der Mutterpartei CDU, allen voran der umtriebige und bei Facebook scheinbar wohnhafte Ruprecht Polenz, schnell in die Knie gehen und den aufkeimenden „Skandal“ einhegen wollen (oder dies zumindest der Presse erklären) würden, war absehbar. Ein einziges, großes Kopfschütteln verursacht jedoch allemal, welche Kreise das Affentheater innerhalb weniger Tage zog – von einer ganzen volkspädagogischen Artikelserie des in das Thema fest verbissenen Klaus Baumeister in den Westfälischen Nachrichten bis hin zu einem geradezu lächerlichen Bericht im Sat.1-Ländermagazin.

Nicht zuletzt wegen der Hindenburgplatz-Vorbelastung Münsters wird hier, noch mehr als sonst, der übliche Riesentopf geschichtlichen Halb- bis Nichtwissens aufgesetzt und ordentlich durchgerührt. Schnell ist man wieder bei Hindenburg, und der Nationalsozialismus hat sowieso Fahnen generell für sich gepachtet. Daß ein Gutteil der beteiligten Presseorgane über die „Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft“ letztlich von der SPD bewirtschaftet wird, spricht für sich, erklärt das Geschehen aber nicht in Gänze. Tiefere Ursache für solche Artikel, die letztlich den Nährboden für uneingeschränkte Hetze wie in diesem Fall gegen die Münsteraner JU bereiten, ist neben böser Absicht und klarer politischer Ziele auch und wohl vor allem der Sturz aus der Geschichte, dem die Masse der Deutschen seit Generationen erlegen ist. „Auch die Menschen sind des Zusammenhangs verlustig gegangen und leben als Zufälle, als Eintagsfliegen daher“ – diese Worte stammen nicht von einem Antiglobalisierungstreffen der letzten vier Jahre, sondern aus einer Predigt Pfarrer Hans Milchs vom Oktober 1979. Hat sich die Situation seitdem zum Besseren gewendet? Wohl kaum.

Anbiederung ist kein Weg

Die aktive Herauslösung aus dem jahrhundertealten Geschichtsstrom, die schon in der Grundschule beginnt, kann heute zwar nicht mehr die Kinder gegen ihre Väter aufbringen. Das liegt aber nicht daran, daß sie ihre Radikalität zurückgeschraubt hätte, sondern am Dahinscheiden der Erlebnisgeneration des letzten Krieges. Auch darum, um die lodernde Flamme des Selbsthasses nicht ihres Brennstoffs zu berauben, wird die staatlich und zivilgesellschaftlich reglementierte und organisierte „Entnazifizierung immer wütender betrieben… aber unsere Schuld wird nicht geringer“ (Koch).

So ist es denn auch nicht weiter verwunderlich, daß es inzwischen völlig unmöglich ist, mit geifernden „Kritikern“ noch sinnvoll zu argumentieren. Nach drei Generationen ist die sublime, weniger im Geschichtsbuch (sowie sämtlichen anderen Unterrichtsfächern) als vielmehr in Fernsehen, Zeitschriften und so fort stattfindende geistige Selbstbeschneidung so weit fortgeschritten und verinnerlicht, daß die Kontrahenten – sinnbildlich – nicht einmal mehr dieselbe Sprache sprechen. Differenzierte und kenntnisreiche Auseinandersetzungen, zuletzt (willkürlich ausgewählt) beispielsweise mit Korporationskritikern oder den Vertriebenenverbänden liegen zwar vor, doch erreichen sie die ohnehin Voreingenommenen nicht und würden von diesen wohl auch nicht verstanden.

Es ist eine traurige Erkenntnis, nicht gehört werden zu können. Die Frage ist allerdings, wie man sich von dort aus weiterbewegt. Anbiederung kommt nicht in Frage, und durch Zurückstecken machte man sich nur vor sich selbst lächerlich. So heißt denn wohl die Devise – sollte man sich einmal selbst im Kreuzfeuer wiederfinden –, sich selbst genug zu sein: Das allein ist oftmals schon schwierig genug.

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