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Nach den Landtagswahlen: AfD als Volkspartei? Der lange Weg zur Regierungsverantwortung

Nach den Landtagswahlen: AfD als Volkspartei? Der lange Weg zur Regierungsverantwortung

Nach den Landtagswahlen: AfD als Volkspartei? Der lange Weg zur Regierungsverantwortung

Die AfD räumt bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ordentlich ab – regieren wird sie trotzdem in keinem der beiden Länder. Doch klar ist auch: Bei diesen Ergebnissen, kann man die Partei längst eine Volkspartei nennen. Zuschauer wenken Deutschlandflaggen bei einer AfD-Wahlveranstaltung: In Thüringen und Sachsen verzeichnete die Partei große Erfolge Foto: picture alliance/dpa | Michael Reichel /// Montage: JF
Die AfD räumt bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ordentlich ab – regieren wird sie trotzdem in keinem der beiden Länder. Doch klar ist auch: Bei diesen Ergebnissen, kann man die Partei längst eine Volkspartei nennen. Zuschauer wenken Deutschlandflaggen bei einer AfD-Wahlveranstaltung: In Thüringen und Sachsen verzeichnete die Partei große Erfolge Foto: picture alliance/dpa | Michael Reichel /// Montage: JF
Zuschauer wenken Deutschlandflaggen bei einer AfD-Wahlveranstaltung: In Thüringen und Sachsen verzeichnete die Partei große Erfolge Foto: picture alliance/dpa | Michael Reichel /// Montage: JF
Nach den Landtagswahlen
 

AfD als Volkspartei? Der lange Weg zur Regierungsverantwortung

Die AfD räumt bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ordentlich ab – regieren wird sie trotzdem in keinem der beiden Länder. Doch klar ist auch: Bei diesen Ergebnissen kann man die Partei längst eine Volkspartei nennen. Ein Kommentar von Christian Vollradt.
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Die blaue Schockwelle läßt der Republik den Atem stocken. Vom Beben in Dresden und vor allem in Erfurt wackeln auch in Berlin und andernorts die Wände. Ohne die Beigabe „zum ersten Mal wird kaum ein Kommentar, kaum eine Analyse dieser beiden Landtagswahlen am heutigen Sonntag auskommen.

Zum ersten Mal hat eine Partei die meisten (Thüringen) oder fast meisten (Sachsen) Stimmen bekommen, die der Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistisch“ klassifiziert. Zum ersten Mal hat es mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine Partei in gleich zwei Flächenländern geschafft, nur etwas mehr als ein halbes Jahr nach der Gründung ins Parlament einzuziehen – um dann auch noch gleich Zünglein an der Waage für eine Regierungsmehrheit sein zu können.

Vor allem aber: Wann wurde je eine auf Bundesebene regierende Koalition so derbe in gleich zwei Ländern abgestraft? In Thüringen verfehlen Grüne und FDP den Einzug, die SPD bleibt (wie in Sachsen auch) einstellig. Die Liberalen sind kaum noch meßbar. Für den Kanzler wäre es spätestens jetzt an der Zeit, die Vertrauensfrage zu stellen, um Neuwahlen zu ermöglichen. Der letze Sozialdemokrat vor ihm hatte es in vergleichbarer Situation getan.

Es folgt das ewige Dilemma

In Dresden wird „Kenia“, in Erfurt die rot-rot-grüne Minderheitsregierung der Vergangenheit angehören. Bodo Ramelows Hoffnung könnte allein darin bestehen, daß die Koalitionsverhandlungen seiner möglichen Nachfolger zäh verlaufen. Denn laut Verfassung bleibt er geschäftsführend so lange im Amt, bis eine neue Mehrheit steht.

Seine Linke, die mit ihm erstmals und wahrscheinlich auch zum einzigen Mal einen Ministerpräsidenten stellte, ist in Thüringen immerhin noch zweistellig, wenn auch mehr als halbiert. In Sachsen sieht es für die einstige Ost-Identitäts-Partei noch trüber aus. Den Rang haben ihr die Renegaten vom BSW schon jetzt abgelaufen.

Die CDU konnte halb-erfolgreich mit „rechten“ Themen und Aussagen punkten. Und mit dem Narrativ, das einzige „Bollwerk“ gegen die Blauen zu sein. Was folgt, ist das ewige Dilemma. Den Regierungschef kann sie beide Male stellen, ja. Aber sie bleibt auf Koalitionspartner angewiesen, die links von ihr stehen. Wähler-Enttäuschungen und -Frust sind also wieder einmal vorprogrammiert.

AfD-Wähler im Osten zwischen Freude und Frust

Der AfD kann das Etikett, eine reine Protestpartei zu sein, getrost abgekratzt werden. Wer nahezu ein Drittel der Wähler repräsentiert, ist mehr. Früher nannte man so etwas Volkspartei. Was sollte an der Bezeichnung nun falsch sein?

Aber: Nach all dem Jubel, nach all der Euphorie, die mit dem Gongschlag um 18 Uhr bei der AfD ausgebrochen ist, als der blaue Balken in die Höhe schnellte, dürfte die Frage „Und nun?“ den Strategen der Partei noch Kopfzerbrechen bereiten. Um zu regieren, reicht es nicht, stärkste (oder zweitstärkste) Kraft zu werden. Mehrheiten werden im Parlament gebildet – von den dort vertretenen Fraktionen. Und für so undemokratisch, unsinnig oder unnütz man die „Brandmauer“ der anderen auch halten mag, noch sind sie nun mal da.

Denn es steht keineswegs fest, wie die AfD-Wähler, vor allem im Osten der Republik, künftig stimmen werden, wenn sie weiter wahrnehmen müssen: Mein Kreuz ändert vielleicht die politische Stimmungslage, aber trägt nicht dazu bei, die AfD mit an einen Kabinettstisch zu befördern. Werden sie dann bei der Stange bleiben? Nach dem Motto, jetzt erst recht; solange, bis keine Mehrheit mehr gegen die AfD möglich ist … Oder wird die Unterstützung schwinden, weil es frustrierend ist „und ja eh nichts bringt“?

Eine bessere Politik wäre sinnvoll

Verlorene Siege sind nicht nur ein militärisches, sondern auch ein politisches Phänomen. Denn das Bündnis Sahra Wagenknecht, das deutlich weniger Stimmen bekommen hat als die AfD, könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit – noch kein Jahr nach seiner Gründung und nach dem ersten Wahlantritt auf Landesebene – bereits in zwei Bundesländern mitregieren. Weniger ist eben manchmal mehr.

Über diesem Wahlabend jedoch steht zunächst einmal die Erkenntnis, daß starke Mobilisierung und eine hohe Wahlbeteiligung die in den vorherigen Umfragen ermittelten Werte nicht grundlegend geändert, sondern die ablesbare Tendenz zum Denkzettel bestätigt haben.

Da ertönt dann in der ganzen Republik die fassungslose Frage: Wie sind sie nur möglich, solche Ergebnisse? Und entsetzt wird der Kopf geschüttelt – über die wieder einmal unbotmäßigen „Ossis“. Eine mögliche Erklärung gefällig? Bitte sehr, gern: Der Ausgang dieses sächsischen und thüringischen Urnengangs wurde nicht nur in Schkeuditz und Meißen, nicht nur in Suhl und Mühlhausen entschieden, sondern auch in Solingen und Mannheim. Ja, eine schlechte Politik mit fatalen Folgen strafen die Wähler in einer Demokratie mit schlechten Wahlergebnissen ab. Da nützt es auch nichts, vor „einfachen Antworten“ oder vor „Populisten“ zu warnen. Nützen würde nur: eine bessere Politik zu machen.

Zuschauer wenken Deutschlandflaggen bei einer AfD-Wahlveranstaltung: In Thüringen und Sachsen verzeichnete die Partei große Erfolge Foto: picture alliance/dpa | Michael Reichel /// Montage: JF
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