Die in Artikel 5 des Grundgesetzes verankerte Freiheit von Forschung und Lehre war schon immer in Gefahr. Am 18. November 1970 kamen über 1.500 Wissenschaftler und Vertreter anderer Berufsgruppen in Bad Godesberg zusammen, um den „Bund Freiheit der Wissenschaft“ (BFW) zu gründen. Die Versammelten einte das Erschrecken über die theoretische Radikalität und praktizierte Intoleranz der Achtundsechziger.
Der BFW versuchte, den Kernbestand der Universität zu verteidigen, nämlich die Lehr- und Forschungsfreiheit. Viele zogen Parallelen zur Lage der Hochschulen um 1933. Im Jahr 2015 löste sich der BFW auf. Von einer erfüllten Mission kann aber kaum die Rede sein.
Nicht umsonst gründeten sich in den Jahren 2020 und 2021 Bündnisse wie Heterodox oder das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“, um diese gerade heutzutage zu verteidigen. Ein Blick auf die Netzseiten bringt schier Unglaubliches der vergangenen Jahre zutage: Bereits ein Satz wie „Das Kopftuch ist ein Zeichen für Unterdrückung“ wird für „menschenverachtend“, „diskriminierend“ und „menschenfeindlich“ erklärt (Forschungsstelle für Interkulturelle Studien der Universität zu Köln), non-konforme Vorträge zum Klimawandel werden abgesagt (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) oder es werden Unterschriftenlisten organisiert, die zum Ziel haben, kritische Beiträge zur Praxis des Genderns demnächst nicht mehr zu drucken (Zeitschrift Publizistik).
Nazi-Vergleiche
Damit nicht genug: Unwillkommene Äußerungen zur Corona-Impfstrategie der Regierung und gegen Abtreibung enden mit Forderungen des AStA und der Vereinigung „Kritische Mediziner*innen“, man möge einem Hochschullehrer die Professur entziehen (Universität Münster); eine Einladung von Thilo Sarrazin zum Thema „Meinungsfreiheit“ an die Hochschule Siegen führt zu einer Morddrohung gegen den Einladenden und selbst vergleichsweise harmlose Vorträge, bei denen Kritisches zu erwarten ist, resultieren in einer Ausladung des Vortragenden – so geschehen auf der philcologne bei der Vortragsankündigung „Retten Veganer die Welt?“
Nichtsdestotrotz gibt es sie noch, die Wissenschaftler mit Rückgrat. Jene, die ohne Rücksicht auf den Zeitgeist Ergebnisse publizieren, die jenseits des Mainstreams liegen. Gleichwohl empfiehlt es sich, bei „unpassenden“ Resultaten entweder kurz vor dem Rentenalter zu sein oder aber eine geringe Karriereorientierung aufzuweisen, denn Diffamierungen (etwa als „Nazi“, „Rechtsextremist“, „Rassist“, „Islamfeind“, „Menschenfeind“, „Antisemit“, aber auch als „Linksfaschist“ oder „Terrorist“) breiten sich in Zeiten von Social Media schneller aus als das Coronavirus.
Brisantes Thema
Es ist nur schwer vorzustellen, wie heikel es für einen Wissenschaftler ist, sich eingedenk dieser Ausgangslage an ein Thema zu wagen, das als hochbrisant gelten darf – nämlich der Erforschung der Intelligenz von Migranten. Glaubt man den Intelligenzforschern Stern und Neubauer, ist dieses Thema gesellschaftspolitisch hochrelevant:
„Es kann nun auf Basis hunderter Studien an Stichproben, die in sechsstellige Bereiche gehen, eindeutig geschlossen werden, dass Intelligenz von großer Bedeutung ist für Erfolge in Schule, Ausbildung und Beruf und damit ein sehr valider Maßstab für die Leistungsfähigkeit des Einzelnen“ (Psychologische Rundschau, 2016).
Schon Heiner Rindermann (TU Chemnitz) durfte nach seinen Publikationen zu einem geringeren Durchschnitts-IQ bei bestimmten Einwanderergruppen erfahren, daß er durch das Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Universität Mainz in einer Presseerklärung in die Nähe des Nazi-Arztes Josef Mengele gerückt wurde. Die Diffamierungen erreichten einen traurigen Höhepunkt, nachdem sich Sarrazin in seinen Büchern unter anderem auf die Forschungen von Rindermann bezog.
In seinem neuesten Werk „Der Staat an seinen Grenzen“ bezieht sich Sarrazin auf einen weiteren Forscher einer ostdeutschen Hochschule, nämlich Bruno Klauk von der Hochschule Harz. Seine in der Zeitschrift Wirtschaftspsychologie 4/19 veröffentlichte Studie an über 500 Migranten erregte einen großen Aufschrei in der Fachwelt. Sein Ergebnis: Der IQ von Migranten liegt mit etwa 90 nur leicht über dem Niveau von in Deutschland getesteten Hauptschülern.
Gecanceltes Forschungsthema
Thomas Rigotti von der Uni Mainz, seines Zeichens Sprecher der Fachgruppe Arbeits- Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, forderte von den Herausgebern, „diesen Beitrag zurückzuziehen“. Erfreulicherweise geschah dies nicht: Die Thematik wurde in einer Art Sonderheft (Wirtschaftspsychologie 2/20) aufgearbeitet. Der bekannte Statistik-Papst Walter Krämer (TU Dortmund) attestierte Klauk ein methodisch sauberes Vorgehen.
Was Klauk aber an seiner Hochschule recht wenig genutzt hat: Gegen ihn wurde wegen angeblicher „Verletzung wissenschaftsethischer Grundsätze“ ein hochschulinternes Verfahren eingeleitet, das ihn den Beamtenstatus hätte kosten können. Das Verfahren scheiterte bereits in der Vorprüfung. Allerdings wurde Klauk ein Opfer von Intransparenz und Cancel Culture. Er wurde nicht darüber informiert, wie sich die Kommission zusammensetzte, die über seine „Moritaten“ gerichtet hatte. Das Abschlußgutachten der Kommission wurde ihm nur in Auszügen zur Verfügung gestellt.
Berichte über seine Forschung durch das Referat Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule? Fehlanzeige! Da ist es nicht verwunderlich, wenn Klauk nicht weiterforschen darf: Ein für das Wintersemester 2021/22 geplantes Forschungsfreisemester wurde ihm unter Hinweis auf angeblich nicht erfüllte formale Voraussetzungen nicht genehmigt. Sein geplantes, aber bisweilen gecanceltes Forschungsthema: Erhebung von – in der Wissenschaft sonst besonders wertvollen – Längsschnittdaten zur Intelligenz bei den bereits getesteten Migranten und ein Vergleich der IQ-Werte mit Personen, die schon länger hier leben.