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Kimmich und der Impfdruck: Und schon wieder gespalten

Kimmich und der Impfdruck: Und schon wieder gespalten

Kimmich und der Impfdruck: Und schon wieder gespalten

Kimmich markiert
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Joshua Kimmich wird mit einem Leserpointer geblendet. Foto: picture alliance/dpa | Federico Gambarini
Kimmich und der Impfdruck
 

Und schon wieder gespalten

Es geht um Gehorsam, nicht um Gesundheit. Die wachsende Kluft in der Gesellschaft ist kein Betriebsunfall, sondern ein Instrument der Herrschaft. Am Fußballprofi Joshua Kimmich soll nur ein Exempel statuiert werden. Ein Kommentar.
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Energiekrise, Stagflation, Migranten-Invasion im Osten, Chinas Griff nach der Weltmacht – alles nur Randthemen im besten Deutschland aller Zeiten. Denn die Schicksalsfrage, die Bundesregierung, Leitmedien, Ethikräte und ganze Kohorten staatlich besoldeter Wissenschaftler seit Tagen umtreibt, ist doch eine ganz andere: Warum bloß hat Joshua Kimmich, Fußball-Nationalspieler und Mittelfeldregisseur bei Rekordmeister Bayern München, sich immer noch nicht gegen das Coronavirus impfen lassen, und wann tut er es endlich?

In einem normalen Land wäre diese Frage eine Privatangelegenheit, die niemanden außer der betroffenen Person selbst zu interessieren hat. Aber wenig ist noch normal im Staate Deutschland nach mehr als anderthalb Jahren Corona-Politik im daueralarmistischen Panik-Modus. Das Land ist radikal verunsichert und tief gespalten, und der Streit um des Fußballers Einstellung zur Spritze ist ein Sinnbild dieser tiefgreifenden gesellschaftlichen Zerrüttung.

Kimmich hat getan, was mündige Bürger tun

Schließlich hat Joshua Kimmich genau das getan, was von einem mündigen Staatsbürger zu erwarten ist: Er hat sich in einer wichtigen Gesundheitsangelegenheit informiert, sich seine Gedanken gemacht, eine Abwägung vorgenommen und eine Entscheidung getroffen; und obwohl diese Entscheidung seine Privatsache ist, hat er sie auf Nachfrage öffentlich begründet und trotz Bedrängung durch inquisitorisches Insistieren stets ruhig und sachlich argumentierend vertreten.

Daß die politischen und medialen Meutenführer darin bereits eine unerträgliche Provokation erblicken, bricht nicht den Stab über den solcherart in die Ecke Gestellten, sondern fällt auf die Machthaber und Diskursherren selbst zurück. Der Fußball-Millionär, der sich seiner privilegierten Position im Vergleich zu gewöhnlichen Arbeitnehmern durchaus bewußt ist, soll stellvertretend für Millionen andere, die dem erpresserischen Druck von oben weit weniger entgegenzusetzen haben, zur Räson gebracht werden. Der Instrumentenkasten reicht von scheinheiligen Appellen zur Rückkehr auf den rechten Weg bis zur kaum verhohlenen Drohung mit Sanktionen und Berufsverbot. Gelernten DDR-Bürgern dürften die Aufrufe, der Fußball-Star solle sich doch seiner gesellschaftlichen Leitfunktion erinnern, seltsam bekannt in den Ohren läuten.

Gesundheitsfragen und Infektionsschutz spielen längst nur noch eine nachgeordnete Rolle in der Impfdebatte. Mit medizinischen Argumenten läßt sich das System der Diskriminierung und Ausgrenzung von nicht geimpften Personen aus dem öffentlichen Leben, das beinahe im Wochentakt mit neuen administrativen und finanziellen Schikanen weiter ausgefeilt wird, kaum begründen. „2G“- und „3G“-Regeln widersprechen der eigenen Logik, wenn offenkundig ist, daß auch „vollständig Geimpfte“ sich nach wie vor anstecken und an Covid-19 erkranken können.

Ungeimpfte sind der heutige „Goldstein“

Die Bedenkenlosigkeit, mit der staatliche Akteure störende Fakten umschreiben und ausblenden, um die Lesart von der „Pandemie der Ungeimpften“ nicht zu beeinträchtigen, ist atemberaubend. Die Weimarer Stadtverwaltung, die Zahlen zu vollständig geimpften Covid-Patienten in stationärer Behandlung einfach nicht mehr veröffentlichen will, um nicht „Corona-Leugnern und Impfgegnern in die Hände“ zu spielen, ist nur ein Beispiel.

„Ungeimpfte“ sind zum Feindbild und Sündenbock geworden, zum „Goldstein“ in der spätbundesrepublikanischen Variante der Orwell-Dystopie. Ihre Ausgrenzung und gesellschaftliche Marginalisierung erzeugt in den medialen Echokammern stetig schrillere Töne.

Die Hysterie auf Kommando erfüllt einen zweifachen Zweck. Zunächst lenkt sie ab von gravierenden Fehlleistungen der politisch Verantwortlichen, die sich im permanenten Ausnahmezustand eingemauert haben und keinen Ausgang finden, während die Massenimpfung, auf die sie sich frühzeitig als einzig zulässigen Weg aus der Corona-Krise fixiert haben, die Erwartungen und Versprechungen nicht einlösen kann.

Die Krise ist ein Herrschaftsinstrument

Die Impfkampagne selbst ist darüber zum Werkzeug der gesellschaftlichen Formierung geworden. Nicht das medizinische Argument, sondern der Gehorsam gegenüber jeder auch noch so widersinnigen Anordnung ist der Prüfstein. Henryk M. Broder bringt den totalitären Kern dieser Gesinnung auf den Punkt: „Der Wert des menschlichen Lebens wird an der Bereitschaft gemessen, Regierungsanweisungen zu folgen.“

Statt anzuerkennen, daß sowohl die Entscheidung für eine Corona-Schutzimpfung als auch dagegen gute und für jeden einzelnen individuell abzuwägende Gründe haben kann, herrscht manichäisches Hordendenken. Das Ausspielen der Geimpften gegen die Ungeimpften, der „Vernünftigen“ gegen die „Leugner“, der Gehorsamen gegen die Ungehorsamen treibt einen tiefen Keil in die Gesellschaft.

Die wachsende gesellschaftliche Kluft ist kein Betriebsunfall mehr, sie ist Herrschaftsinstrument. Sie stärkt die Macht der Exekutive, die dem Bürger nicht mehr wie der Diener dem Souverän, sondern wie die Obrigkeit dem Untertan gegenübertritt, die bürgerliche Freiheiten nicht länger als unveräußerliche Grundrechte achtet, sondern denen auf der hellen Seite als Belohnung für Wohlverhalten gnadenhalber zuteilt.

Zwei Klassen-Gesellschaft? Ja!

Das Bestreben, die Grundrechtsbeschneidungen durch exekutive „Corona-Maßnahmen“ von der formalen parlamentarischen Kontrolle durch die Feststellung einer „epidemischen Notlage“ gänzlich zu lösen und zur Dauereinrichtung zu machen, ist der nächste Tabubruch. In letzter Konsequenz mündet dieser Weg in eine auf Ausgrenzung markierter Feinde gegründeten Zwei-Klassen-Gesellschaft, wie die neuseeländische Regierungschefin Jacinda Ardern kürzlich in einem grotesken Medienauftritt grinsend und achselzuckend zugab.

Verstörend daran ist weniger, daß Mächtige die Grenzen ihrer Macht überschreiten, sondern vielmehr die willige Bereitschaft großer Teile der Bevölkerung, ihre Freiheit abzugeben und sich eifrig zu unterwerfen. Die Corona-Krise dürfte in die Geschichte eingehen als globales Experiment, wie weit westliche Demokratien bereit sind, einen Politik- und Herrschaftsstil zu übernehmen, den man bislang nur in bürokratischen Diktaturen wie der chinesischen verorten zu können glaubte. Je weiter dieses Experiment der Spaltung voranschreitet, desto steiniger wird der Pfad der Rückkehr zu demokratischer Rechtsstaatlichkeit und republikanischer Freiheit.

JF 44/21

Joshua Kimmich wird mit einem Leserpointer geblendet. Foto: picture alliance/dpa | Federico Gambarini
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