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Marc Jongen, ESN Fraktion

Tatort „Der rote Schatten“: Räuberpistolen in der ARD

Tatort „Der rote Schatten“: Räuberpistolen in der ARD

Tatort „Der rote Schatten“: Räuberpistolen in der ARD

Tatort
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Tatort-Logo Foto: picture alliance
Tatort „Der rote Schatten“
 

Räuberpistolen in der ARD

Man hat gesagt, daß die „Großen Erzählungen“ tot sind. Aber die kleinen konnten überleben. Zum Beispiel die linken Geschichtsmythen, die Teil unserer Alltagswelt geworden sind und mit größter Selbstverständlichkeit als Stoff für die Unterhaltungsindustrie dienen. Wie etwa im jüngsten RAF-Tatort „Der rote Schatten“.
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Man hat gesagt, daß die „Großen Erzählungen“ tot sind. Aber die kleinen konnten überleben. Zum Beispiel die linken Geschichtsmythen, die Teil unserer Alltagswelt geworden sind und mit größter Selbstverständlichkeit als Stoff für die Unterhaltungsindustrie dienen. Wie etwa im jüngsten Tatort „Der rote Schatten“.

Da bekommt der Zuschauer von Hauptkommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) ganz nebenbei und unwidersprochen die übliche Selbstrechtfertigung der Altachtundsechziger vorgetragen: Man war jung und natürlich gegen die „alten Nazis“ und natürlich empört über den Hunger in Afrika und wollte natürlich eine bessere Welt und fand Gudrun Ensslin schön, die unvermutet in der Küche der WG auftauchte, in die man aus dem spießigen Elternhaus geflüchtet war.

Staatsmord-Annahme soll am plausibelsten wirken

Wie es sich für das Genre gehört, geht es aber auch um Kriminalfälle: die Anschläge der „Vierten Generation“ der Roten Armee Fraktion (RAF) und die Ermordung einer Frau durch ihren Geliebten. Der entpuppt sich als Aussteiger der RAF und Kronzeuge, den der Staatsschutz oder Verfassungsschutz oder wer auch immer bei seinen Missetaten deckt.

Das Motiv dafür – legt Regisseur und Drehbuchautor Dominik Graf nahe –, ist die Kenntnis über die tatsächlichen Hintergründe der „Nacht von Stammheim“ vor vierzig Jahren, die mit dem Tod der inhaftierten Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe endete.

Der Film nimmt sich mehr als zehn Minuten Zeit, um drei verschiedene Varianten der damaligen Ereignisse durchzuspielen: Selbsttötung, von den Behörden gewollter oder billigend in Kauf genommener Suizid oder Ermordung im Auftrag des Staates. Die Art und Weise, wie die letzte Möglichkeit in Szene gesetzt wird, zeigt sehr deutlich, worauf die Macher dieses „Tatorts“ hinauswollten: Durch Pseudo-Dokumentaraufnahmen suggeriert man dem Zuschauer, daß die Annahme des Staatsmordes am plausibelsten sei.

Deutungsmuster der Sympathisantenszene

Selbstverständlich beruft sich Graf, wenn er so vorgeht, auf seine künstlerische Freiheit. Aber hier handelt es sich eben nicht um irgendein, sondern um ein zentrales Ereignis der Nachkriegsgeschichte, das in dieser Weise zu deuten kaum absichtslos erfolgt. Die Wirkung ist entsprechend: Spiegel Online befand schon, daß im Tatort „fiktional die schwarzen Löcher beim Stammheim-Thema … schlüssig“ gefüllt worden seien.

Das heißt dann allerdings den größten Teil der seriösen Literatur zur Geschichte des Terrorismus in der Bundesrepublik beiseiteräumen und zu jener Propaganda zurückkehren, von der man eigentlich geglaubt hatte, daß sie mit Sartre, den K-Gruppen und den „Folterkomitees“ dem Vergessen überantwortet seien.

Stattdessen muß man feststellen, daß die Deutungsmuster der Sympathisantenszene offenbar weiterleben oder man glauben darf, das Thema lasse sich einfach schwarz-romantisch ausmalen, mit tragischen Helden und traurigen Frauen und gescheiterten Idealisten auf der einen Seite, kaltherzig-perfiden Organen und Gesinnungsschnüfflern und Berufsverbietern auf der anderen.

Da paßt es, daß den Verräter und Frauenmörder das verdiente Schicksal doch noch ereilt und das letzte Gefecht der RAF wie ein shootout in den Italo-Western der Siebziger wirkt: zeitlupenlangsam fällt die Heroine, bis zuletzt feuernd, das Ganze untermalt von klagenden Tönen. Was man davon zu halten hat, ist mit wenigen Worten gesagt: „RAF-Propaganda“ (Stefan Aust).

Tatort-Logo Foto: picture alliance
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