Anzeige
Anzeige

Bundespräsidentenwahl: Wenig Hoffnung auf Rotwein und Zigarre

Bundespräsidentenwahl: Wenig Hoffnung auf Rotwein und Zigarre

Bundespräsidentenwahl: Wenig Hoffnung auf Rotwein und Zigarre

Bundespräsidenten
Bundespräsidenten
Porträts der Bundespräsidenten im Haus der Geschichte: Sinnstiftend, staatstragend, deutsch Foto: picture alliance / dpa
Bundespräsidentenwahl
 

Wenig Hoffnung auf Rotwein und Zigarre

Das deutsche Staatsoberhaupt muß traditionell Sinnstiftung geben und Orientierungshilfe leisten. Es wäre doch gelacht, einen Präsidenten als Repräsentanten deutscher griesgrämiger Lebensart nicht rasch zu finden. Ein Beitrag von Eberhard Straub.
Anzeige

Deutsche mögen keine Unterschreibungsmaschinen als Staatsoberhaupt. „Das Präsidium des Deutschen Bundesrates“, das der preußische König als deutscher Kaiser seit 1871 ausübte, gewährte ihm wenige Möglichkeiten, in die Politik des Reiches einzugreifen.

Seinem bedeutungslosen Amt verschaffte Wilhelm II. eine gar nicht vorgesehene Bedeutung, indem er dauernd reiste und ununterbrochen redete. Er übte sich in Sinnstiftung und leistete Orientierungshilfe. Die Deutschen hörten ihm gerne zu und dankten ihm, daß er den Überblick mitten im stürmisch bewegten Leben nicht verlor.

Mitbürger fühlen sich durch Bildung geschmeichelt

Der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, wuchs während des Wilhelminismus auf. Resigniert fügte er sich ab 1949 in die präsidiale Ohnmacht. Er war viel unterwegs, wie der Kaiser. Denn, auferstehend aus Ruinen, gab es überall in Westdeutschland Dome, Museen oder Universitäten einzuweihen. Das konnte nicht ohne Reden vor sich gehen.

Theodor Heuss redete gern, er hatte viel gelesen und konnte mühelos wie einst der Kaiser Geschichte und Gegenwart assoziativ verbinden. Seine Mitbürger fühlten sich geschmeichelt, als kenntnisreiche Bildungsbürger angesprochen zu werden. Sie waren später beim geselligen Beisammensein ungemein erleichtert, daß der Professor Heuss bei Rotwein und Zigarren sein Behagen mit ihnen teilte, ohne auf die Uhr zu schauen.

Woher wir kommen, wohin wir gehen und so weiter

Seitdem müssen Bundespräsidenten bei unzähligen Gelegenheiten daran erinnern, woher wir kommen und wohin wir gehen im Bewußtsein unserer Verantwortung für Europa und die Vielfalt in der deutschen und der europäischen Wertegemeinschaft, die unseren wahren Reichtum ausmacht. Schweigt ein Präsident zuweilen, rührt sich bald Unruhe unter den Steuermännern in den Medien: Wo bleibt die große Rede des Präsidenten, mit der er geistig-moralische Überzeugungskraft bestätigt, seine Autorität festigt und Deutsche mahnt, nicht den Kopf hängen zu lassen, sondern von sich viel zu fordern.

Nur Walter Scheel hielt sich nicht an solche Erwartungen. Hoch auf dem gelben Wagen rief er vergnügt den lebensängstlichen Deutschen zu: Freut euch des Lebens, solang noch das Lämplein glüht. Damit konnte er keine neue Tradition stiften.

Im Geltungsbereich des Grundgesetzes gibt es nichts zu lachen

Die Deutschen werden wie gewohnt in den nächsten Monaten mit allerlei künstlichen Aufregungen den nachdenklichen, unfrohen Nichtraucher ermitteln, der beim Essen und Trinken an die Gesundheit denkt und sämtliche Redensarten beherrscht, gerade jetzt und heute nicht darin nachzulassen, harte Bretter zu bohren, um die richtigen Antworten auf die unsere Gestaltungskraft herausfordernden Fragen zu formulieren.

Im Geltungsbereich des Grundgesetzes gibt es nichts zu lachen. Es wäre gelacht, einen solchen Präsidenten oder gar eine solche Präsidentin als Repräsentanten deutscher griesgrämiger Lebensart nicht rasch zu finden.

JF 24/16

Porträts der Bundespräsidenten im Haus der Geschichte: Sinnstiftend, staatstragend, deutsch Foto: picture alliance / dpa
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag