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Demographie: Mehr Mut zu Kindern!

Demographie: Mehr Mut zu Kindern!

Demographie: Mehr Mut zu Kindern!

Familie
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Eltern mit Kindern: Eine Debatte über Familienarbeit ist überfällig Foto: picture alliance / Bildagentur-online / Tetra Images
Demographie
 

Mehr Mut zu Kindern!

Was in Deutschland fehlt, ist ein Diskurs über den Wert der Familienarbeit. Denn wer dauerhaft mehr Nachwuchs will, muß die Ehe und die erste Geburt fördern. Ein Kommentar von Jürgen Liminski.
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Die Zahl der Geburten ist 2015 erneut gestiegen. 738.000 Babys, das sind 23.000 Gründe mehr zur Freude als im Vorjahr und der höchste Stand seit fünfzehn Jahren (2000 waren es 767.000). Einen neuen Trend macht das aber noch nicht aus. Es handelt sich bei den jungen Müttern um die Enkelgeneration der Baby-Boomer, die jetzt in das Jahrzehnt kommen, in denen junge Frauen heute Kinder gebären, mit Anfang Dreißig. Diese Generation ist aber schon um ein Drittel kleiner als ihre Elterngeneration, der Trend ist berechenbar und befristet.

Gestiegen ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten aber auch die Zahl der lebenslang Kinderlosen. Hier ist Deutschland mit fast einem Viertel aller Frauen weltweit einsame Spitze. Das ist nach Herwig Birg, dem renommiertesten Demographen Deutschlands, die Hauptursache der seit einem halben Jahrhundert zu beobachtenden Halbierung der Geburtenzahlen in Deutschland auf 1,4 Lebendgeborene pro Frau (ohne Migrantenanteil dürfte die Quote bei 1,1 liegen).

Und seine Folgerung lautet dementsprechend: „Am häufigsten ist die Zwei-Kind-Familie, die in der Bevölkerung als die ideale Familienform gilt. Wird der Schritt zur Elternschaft durch ein erstes Kind gewagt, ist die Wahrscheinlichkeit für ein zweites Kind und weitere Kinder relativ hoch. Das wirksamste Mittel für eine Steigerung der Geburtenrate bestünde deshalb in der Verringerung der Kinderlosigkeit.“ Genau das wird in Frankreich zum Beispiel getan. Dort gibt es Dutzende von kleineren Maßnahmen für junge Paare, so daß jedes sich seine Situation zurechtpuzzeln kann, ohne den Kinderwunsch zu lange aufzuschieben.

Deutsche haben Angst vor der Elternschaft

Die Angst vor dem Kind oder vor der Verantwortung der Elternschaft ist in Deutschland offenbar größer als anderswo. Liegt es am mangelnden Selbstbewußtsein als Nation, an gebrochenen Identitäten, an fehlenden Sicherheiten? Wahrscheinlich ist es ein Bündel von alldem. Sicher ist die Angst vor Wohlstandsverlust. Dafür spricht, daß hierzulande in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs und sinkender Arbeitslosigkeit Kinderwünsche eher realisiert werden.

Überall ist die wirtschaftliche Sicherheit ein entscheidendes Moment für das generative Verhalten. Allerdings ist zu beobachten, daß Wohlstand auch bremst. Denn die Zahlen verharren auf niedrigem Niveau, um den erreichten Wohlstand nicht zu gefährden.

Der Zusammenhang zwischen Demographie und Wohlstand ist in der Tat in allen Industrieländern zu beobachten. Birg hat dafür den Begriff des demographisch-ökonomischen Paradoxons geprägt: „Je rascher die sozio-ökonomische Entwicklung eines Landes voranschreitet und je höher der Lebensstandard steigt, desto niedriger ist die Geburtenrate, gemessen durch die Zahl der Lebendgeborenen pro Frau.“ Dieses Paradoxon ist offensichtlich transkulturell, denn auch in islamischen Ländern und Familien sinken die Geburtenzahlen, in einigen Staaten mit bisher hoher Geburtenrate sogar dramatisch.

Aggressiver Streit um die Rolle der Mutter

In Deutschland selbst aber dürften noch besondere, vermutlich auch psychologische Faktoren für die Entwicklung seit Mitte der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Rolle spielen. Wie in keinem anderen Industrieland wird hier besonders heftig und verletzend aggressiv um die Rolle der Mutter, um Heim, Herd und Krippen gestritten. Und zum Teil auch offen manipuliert, um der Wirtschaft zu gefallen. Vor einiger Zeit fiel dem Regierungssprecher und versierten Wortjongleur Steffen Seibert die Bemerkung aus dem Mund, man wisse in der Bundesregierung, daß die traditionelle Rollenverteilung „Mann in Vollzeit, Frau in Teilzeit immer weniger dominant“ sei. Aber das Gegenteil ist der Fall.

Ein Vergleich der Mikrozensus-Daten von 1996 und 2012 belegt, daß das sogenannte „modernisierte Ernährermodell“ mit einer teilzeiterwerbstätigen Mutter stark an Verbreitung gewonnen hat, es ist von 30 auf rund 40 Prozent angestiegen. Die traditionelle Ein-Ernährer-Familie ist zurückgegangen, aber noch immer bedeutsam: Mehr als ein Viertel aller Paare mit Kindern folgt diesem Modell.

Bei Paaren mit kleinen Kindern unter drei Jahren ist die Nichterwerbstätigkeit der Mutter sogar noch die Regel. Dem von der Politik favorisierten „egalitären Doppelverdienermodell“ (beide Partner Vollzeit) folgen aber nur noch etwa 14 Prozent der Familien – trotz massiv propagierter Maßnahmen wie Elterngeld und Krippenbetreuung.

Wert der Familienarbeit

Die Wirklichkeit ist einfach: Frauen arbeiten in Teilzeit, weil sie Kinder betreuen, ältere Angehörige pflegen, sich um ihre Familie kümmern wollen. Wie der Mikrozensus zeigt, ist das Fehlen von Vollzeitstellen nur für eine Minderheit (7 Prozent) der Grund ihrer Teilzeiterwerbstätigkeit, die große Mehrheit (75 Prozent) gibt dafür familiäre Gründe an. Familie ist eben, wie schon der große Sozialanthropologe Claude Lévi-Strauss meinte, „ein Kompromiß zwischen Natur und Kultur“.

Was in Deutschland fehlt, ist ein Diskurs über den Wert der Familienarbeit, über das Produkt namens Humanvermögen. In ihm bündeln sich die Voraussetzungen, von denen der Staat lebt und die er selber nicht schaffen kann. Die Familie schafft diese Voraussetzungen – wenn sie Kinder hat. Kinder werden geboren, wenn es Verläßlichkeit gibt – bei den Finanzen, mithin der Arbeit und, wichtiger noch, in den Beziehungen.

Auch das läßt sich aus Statistiken herauslesen: Die meisten Kinder werden in Deutschland in stabilen Ehen geboren. Wer die Geburtenzahlen dauerhaft steigern will, müßte also nicht nur echte Wahlfreiheit ermöglichen, um die Entscheidung zum ersten Kind zu erleichtern, sondern auch die Ehe fördern. Aber an diesem Thema wollen Politiker und Journalisten nicht rühren. Es berührt sie nämlich sehr oft persönlich.

JF 28/16

Eltern mit Kindern: Eine Debatte über Familienarbeit ist überfällig Foto: picture alliance / Bildagentur-online / Tetra Images
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