Seine Kochkünste elektrisieren YouTube und Twitter: Seit der Berliner AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann den Kochlöffel in seiner Marzahner Küche schwingt, diskutiert die halbe Republik. Die JF hat mit ihm gesprochen. Über Hausmannskost, Kochen als Passion, Maggi und Knorr – und Tim Mälzer.
Herr Lindemann, Sie erhalten derzeit viel Hohn und Spott wegen Ihrer Kochshow, war das eingeplant?
Gunnar Lindemann: Der Hohn und der Spott halten sich in Grenzen; die positiven Reaktionen auf „Maître Gunnar“ überwiegen.
Ihnen wird vorgeworfen, Sie würden sich in Ihrer Plattenbauküche lediglich als einfacher Bürger inszenieren.
Lindemann: Ich bin ein „einfacher“ Bürger, ich wohne in meinem Wahlkreis und nehme tagtäglich aktiv am Leben meiner Mitbürger teil. „Maître Gunnar“ ist mein Alter-Ego, er zeigt uns allen, wie man schnell und relativ unkompliziert schmackhafte Gerichte zubereiten kann.
Seit meiner frühesten Jugend bin ich beseelt von einer Passion zum Kochen. Bereits als Knabe im zarten Alter von fünf Jahren experimentierte ich in meinem Heimatort Wuppertal ausgiebig mit Fertigklößen und Kartoffelpüree-Varianten.
„Ich habe schon immer gekocht und Bilder meiner Werke gepostet“
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Es sind in erster Line linke Nutzer in den sozialen Medien, die sich über Ihre Kücheneinrichtung und das – sagen wir mal: eher einfache – Essen lustig machen.
Lindemann: Meine Kochkunst ist unpolitisch, sogar Paul Bocuse, Roger Vergé oder Alain Ducasse hatten Kritiker. Ich empfinde es als eine Auszeichnung, wenn Menschen gleich welcher politischen oder weltanschaulichen Couleur sich mit meinen Kochtipps auseinandersetzen.
Ihre Kochshow ist doch nicht erst gemeint.
Lindemann: Doch, sehr. Ungeheuer sehr! Es zeigt, glaube ich, auch meine romantische Seite.
Aber mit Kochen im engeren Sinne hat das Aufwärmen von Konserven-Essen ja eigentlich weniger zu tun.
Lindemann: Das ist Ihre subjektive Einschätzung, ich persönlich habe in den ersten zwei Folgen erstmal mit Konserven-Nahrung angefangen, um die Menschen homöopathisch an meine Cuisine heranzuführen.
Wie kam es zu dem Projekt?
Lindemann: Maître Gunnar war immer in mir; ich habe schon immer gekocht und Bilder meiner Werke gepostet. Die Liebe und Zuneigung meiner Fans erleichterten mir den letzten Schritt des Outings als Maître Gunnar.
„Die Menschen brauchen wieder Hoffnung“
Die erste Folge hat bereits knapp 125.000 Aufrufe. Folge 2 lief ebenfalls recht stark an. Die Zuschauerkommentare überschlagen sich mit Lob. Hat Sie der Erfolg überrascht?
Lindemann: Ja. Und es zeigt, wie bitter notwendig die einfache, leicht verständlich Küche ist. Die Menschen brauchen wieder Hoffnung.
Sie werden in der Show als „Küchenrebell“ und Maître der „neuen Marzahner Küchenschule“ bezeichnet, Ihr Ernst?
Lindemann: Ja, selbstverständlich.
Worin unterscheiden sich „Marzahner Kohlrouladen“ von gewöhnlichen Kohlrouladen?
Lindemann: Sollte Sie meine Kochkunst überfordern, und Sie deswegen nicht erkennen können, WARUM meine Variation so weltbewegend ist, biete ich Ihnen gern Einzelstunden zum Nachkochen und Lernen an. Ihre Kochschürze müßten Sie schon mitbringen.
Kräuter der Provence als Surplus, wie sind Sie auf dieses gewagte lukullische Experiment gekommen?
Lindemann: An einem kühlen Januarmorgen im Jahre 1995 erschien mir Samuel Beckett im Schlaf und sagte „Provence Kräuter, Maître Gunnar, Provence Kräuter!“ Seitdem verwende ich diese Gaumenkitzler!
Welche Raffinessen dürfen Ihre Fans noch von Ihnen erwarten?
Lindemann: Revolutionen sind nur Revolutionen, wenn man sie geheim hält. Jede Woche aufs Neue werde ich mit immer gewagteren Kreationen den Schleier lüften!
Nicht nur eine Worthülse
Werden Sie auch einmal ein richtiges Gericht mit frischen Zutaten kochen?
Lindemann: Natürlich, das tue ich doch andauernd. Oder glauben Sie, „die frische Marzahner Küche“ ist nur eine Worthülse?
Andere Kochshows setzen auf Gäste in der Sendung, wäre das ein Konzept, das Sie sich auch vorstellen könnten?
Lindemann: In meiner Küche ist kein Platz für Gäste. Ich könnte mir aber vorstellen, recht bald einmal in einer anderen Location mit meinen Fans zu kochen. Soweit sind wir aber noch nicht.
Gibt es bereits Anfragen nach einer Einladung in die Sendung? Rennen Ihnen die Leute die Küche ein? Können Sie Namen nennen?
Lindemann: Ja. Und ich nenne nie Namen. Als Vorbild bin ich zur Diskretion verpflichtet.
„Netter Bursche, dieser Mälzer“
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Gibt es einen Fernsehkoch, den Sie als Vorbild bezeichnen würden?
Lindemann: Den Koch aus der Muppetshow.
Wenn Tim Mälzer Sie einladen würde, würden Sie zusagen?
Lindemann: Natürlich, ich gebe jungen Kollegen gern Tipps und erweitere deren Horizont. Ein netter Bursche, dieser Mälzer!
Wenn Sie sich ein Essen von Tim Raue wünschen könnten, welches wäre das?
Lindemann: Wer ist Tim Raue? Den kenne ich nicht, und Clodia hat auch noch nie was von dem gehört.
Viel Spott hat auch die Elektroverkabelung in Ihrer Küche hervorgerufen, der „Bild“-Journalist Daniel Cremer befand gar, „ein anständiger Deutscher“ verkable so nicht. Müssen Sie da noch nachbessern, auch um Ihrer Vorbildfunktion als Küchenchef gerecht zu werden?
Lindemann: Die Bild-Zeitung will nur auf der Welle der Zuneigung und des Erfolgs mitreiten.
Maggi oder Knorr? Beides
Zum Schluß noch ein paar kurze Fragen, mit der Bitte um kurze Antworten:
Maggi oder Knorr?
Lindemann: Beides.
Bautzner Senf oder Kühne?
Lindemann: Weder noch.
In eine echte Soljanka gehört unbedingt:
Lindemann: Kräuter der Provence.
Boulette, Frikadelle oder Fleischküchle?
Lindemann: Sowohl als auch.
Butter oder Margarine?
Lindemann: Immer Butter!
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Gunnar Lindemann, Jahrgang 1970, sitzt seit 2016 für die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, in das er beide Mal als Direktkandidat gewählt wurde. Seit Februar betreibt er auf YouTube „Gunnars Kochstudio“.